Nr. 6
J U (X D
Durch Steifen springen, jener wartet ihn! ...
Halbsertige Gefühle, meiner Seele
Schmerzlich gcbornc Perlen, »ahmst bu mir
Und warfst sie als dein Spielzeug in die Lust,
Du, schnellbefreundet, fertig schnell mit jedem,
Ich mit dem stummen Werden in der Seele
Und Zähne zugepreßt, du ohne Scheu
An allem tastend, während mir das Wart
Mißtrauisch und verschüchtert starb am Weg.
Da kam uns in den Weg ein Weid. Was mich
Ergriff, wie Krankheit über einen kämmt,
Wo alle Sinne taumeln, übenvach
Von allzuvielem Schau» nach einem Ziel, —
Nach einem solchen Ziel, voll süßer Schwermuth
Und wildemGlanz nndDust, aus tiefem Dunkel
Wie Wetterleuchten bebend. — ... Alles das
Du sahst es auch, es reizte dich! — „Ja, weil
„Ich selber ähnlich bin zu mancher Zeit,
„So reizte mich des Mädchens müde Art
„ilnd herbe Hoheit, so enttäuschten Sinns
„Bei solcher Jugend." Hast du's mir denn nicht
Dann später so erzählt? Es reizte dich!
Mir war es mehr als dieses Blut und Hirn!
Und sattgespielt ivarfst du die Puppe mir,
Mir zu, ihr ganzes Bild vom Ueberdruß
In dir entstellt, so fürchterlich verzerrt,
Des wundervollen Zaubers so entblößt,
Die Züge sinnlos, das lebend'ge Haar
Todt hängend, warfst mir eine Larve zu,
In schnödes Nichts mit widerlicher Kunst
Zersetzend räthselhasten süßen Reiz.
Für dieses haßte endlich ich dich so
Wie dich mein dunkles Ahnen stets gehaßt,
Und wich dir aus.
Dann trieb mich mein Geschick,
Das endlich mich Zerbrochnen segnete,
Mit einem Ziel und Willen in der Brust —
Die nicht in deiner gist'gen Nähe ganz
Für alle Triebe abgestorben war —
Ja, für ein Hohes trieb mich mein Geschick
In dieser Mörderklinge herben Tod,
Der mich in einen Straßengraben lvarf,
Darin ich liegend langsam moderte
Um Dinge, die du nicht begreifen kannst.
Und dreimal selig dennoch gegen dich,
Der Keinem etwas >var und keiner ihm.
(Er geht ab)
E l audi o: Wohl keinem etwas, keiner etwas mir.
(Sich langsam aufrichtend)
Wie aus der Bühn' ein schlechter Komödiant,
Auf's Stichwort kommt er, red't sein Theil
und geht,
Gleichgiltig gegen alles andere, stumpf,
Vom Klang der eignen Stimme ungerührt
Nr. 6
Und hohlen Tones andre rührend nicht:
So über diese Lebensbühne hin
Bin ich gegangen ohne Kraft und Werth.
Warum geschah mir das? Warum, du Tod,
Mußt du mich lehren erst das Leben sehen,
Nicht wie durch einen Schleier, wach und ganz,
Da etwas weckend, so vorübergehen?
Warum bemächtigt sich des Kindersinns
So hohe Ahnung von den Lebensdingen,
Daß dann die Dinge, wenn sie wirklich sind,
Nur schale Schauer des Erinnerns bringen?
Warum erklingt uns nicht dein Geigenspiel?
Aufwühlend die verborgne Geisterwelt,
Die unser Busen heimlich hält,
Verschüttet, dem Bewußtsein so verschwiegen,
Wie Blumen im Geröll verschüttet liegen?
Könnt' ich mit dir sein, Ivo man dich nur hört,
Nicht von verworrner Kleinlichkeit verstört!
Ich kann's! Gewähre, was du mir gedroht:
Da todt mein Leben war, sei du mein Leben,
- Tod!
Was zivingt mich, der ich beides nicht erkenne,
Daß ich dich Tod und jenes Leben nenne?
In eine Stunde kannst du Leben pressen,
Mehr als das ganze Leben konnte halten,
Das schattenhafte will ich ganz vergessen
Und weih' mich deinen Wundern und Gewalten.
(Er besinnt sich einen Augenblick)
Kann sein, dies ist ein sterbendes Besinnen,
Heraufgespült vom tödtlich wachen Blut,
Doch Hab' ich nie mit allen Lebenssinneu
So viel ergriffen, und so nenn' ich's gut.
Wenn ich jetzt ausgelöscht Hinsterben soll,
Mein Hirn von dieser Stunde also voll,
Dann schwinde alles blasse Leben hin.
Erst, da ich sterbe, spür' ich, daß ich bin.
Wenn einer träumt, so kann ein Uebermaß
Geträumten Fühlens ihn erwachen machen,
So wach' ich jetzt, im Fühlensübermaß
Vom Lebenstraum wohl aus in Todeswachen.
(Er sinkt todt zu den Füßen des Todes nieder)
Der Tod (indem er kopfschüttelnd langsam abgeht):
Wie wundervoll sind diese Wesen,
Die was nicht deutbar, dennoch deuten,
Was nie geschrieben wurde, lesen,
Verworrenes beherrschend binden
Und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden.
(Er verschwindet in der Mittelthür, seine Worte ver-
klingen.)
Im Zimmer bleibt es still. Draußen sieht man durch s
Fenster den Tod geigenspielend vorübergchen, hinter
ihm die Mutter, auch das Mädchen, dicht bei ihnen
eine Claudio gleichende Gestalt.
Vorhang.
J U (X D
Durch Steifen springen, jener wartet ihn! ...
Halbsertige Gefühle, meiner Seele
Schmerzlich gcbornc Perlen, »ahmst bu mir
Und warfst sie als dein Spielzeug in die Lust,
Du, schnellbefreundet, fertig schnell mit jedem,
Ich mit dem stummen Werden in der Seele
Und Zähne zugepreßt, du ohne Scheu
An allem tastend, während mir das Wart
Mißtrauisch und verschüchtert starb am Weg.
Da kam uns in den Weg ein Weid. Was mich
Ergriff, wie Krankheit über einen kämmt,
Wo alle Sinne taumeln, übenvach
Von allzuvielem Schau» nach einem Ziel, —
Nach einem solchen Ziel, voll süßer Schwermuth
Und wildemGlanz nndDust, aus tiefem Dunkel
Wie Wetterleuchten bebend. — ... Alles das
Du sahst es auch, es reizte dich! — „Ja, weil
„Ich selber ähnlich bin zu mancher Zeit,
„So reizte mich des Mädchens müde Art
„ilnd herbe Hoheit, so enttäuschten Sinns
„Bei solcher Jugend." Hast du's mir denn nicht
Dann später so erzählt? Es reizte dich!
Mir war es mehr als dieses Blut und Hirn!
Und sattgespielt ivarfst du die Puppe mir,
Mir zu, ihr ganzes Bild vom Ueberdruß
In dir entstellt, so fürchterlich verzerrt,
Des wundervollen Zaubers so entblößt,
Die Züge sinnlos, das lebend'ge Haar
Todt hängend, warfst mir eine Larve zu,
In schnödes Nichts mit widerlicher Kunst
Zersetzend räthselhasten süßen Reiz.
Für dieses haßte endlich ich dich so
Wie dich mein dunkles Ahnen stets gehaßt,
Und wich dir aus.
Dann trieb mich mein Geschick,
Das endlich mich Zerbrochnen segnete,
Mit einem Ziel und Willen in der Brust —
Die nicht in deiner gist'gen Nähe ganz
Für alle Triebe abgestorben war —
Ja, für ein Hohes trieb mich mein Geschick
In dieser Mörderklinge herben Tod,
Der mich in einen Straßengraben lvarf,
Darin ich liegend langsam moderte
Um Dinge, die du nicht begreifen kannst.
Und dreimal selig dennoch gegen dich,
Der Keinem etwas >var und keiner ihm.
(Er geht ab)
E l audi o: Wohl keinem etwas, keiner etwas mir.
(Sich langsam aufrichtend)
Wie aus der Bühn' ein schlechter Komödiant,
Auf's Stichwort kommt er, red't sein Theil
und geht,
Gleichgiltig gegen alles andere, stumpf,
Vom Klang der eignen Stimme ungerührt
Nr. 6
Und hohlen Tones andre rührend nicht:
So über diese Lebensbühne hin
Bin ich gegangen ohne Kraft und Werth.
Warum geschah mir das? Warum, du Tod,
Mußt du mich lehren erst das Leben sehen,
Nicht wie durch einen Schleier, wach und ganz,
Da etwas weckend, so vorübergehen?
Warum bemächtigt sich des Kindersinns
So hohe Ahnung von den Lebensdingen,
Daß dann die Dinge, wenn sie wirklich sind,
Nur schale Schauer des Erinnerns bringen?
Warum erklingt uns nicht dein Geigenspiel?
Aufwühlend die verborgne Geisterwelt,
Die unser Busen heimlich hält,
Verschüttet, dem Bewußtsein so verschwiegen,
Wie Blumen im Geröll verschüttet liegen?
Könnt' ich mit dir sein, Ivo man dich nur hört,
Nicht von verworrner Kleinlichkeit verstört!
Ich kann's! Gewähre, was du mir gedroht:
Da todt mein Leben war, sei du mein Leben,
- Tod!
Was zivingt mich, der ich beides nicht erkenne,
Daß ich dich Tod und jenes Leben nenne?
In eine Stunde kannst du Leben pressen,
Mehr als das ganze Leben konnte halten,
Das schattenhafte will ich ganz vergessen
Und weih' mich deinen Wundern und Gewalten.
(Er besinnt sich einen Augenblick)
Kann sein, dies ist ein sterbendes Besinnen,
Heraufgespült vom tödtlich wachen Blut,
Doch Hab' ich nie mit allen Lebenssinneu
So viel ergriffen, und so nenn' ich's gut.
Wenn ich jetzt ausgelöscht Hinsterben soll,
Mein Hirn von dieser Stunde also voll,
Dann schwinde alles blasse Leben hin.
Erst, da ich sterbe, spür' ich, daß ich bin.
Wenn einer träumt, so kann ein Uebermaß
Geträumten Fühlens ihn erwachen machen,
So wach' ich jetzt, im Fühlensübermaß
Vom Lebenstraum wohl aus in Todeswachen.
(Er sinkt todt zu den Füßen des Todes nieder)
Der Tod (indem er kopfschüttelnd langsam abgeht):
Wie wundervoll sind diese Wesen,
Die was nicht deutbar, dennoch deuten,
Was nie geschrieben wurde, lesen,
Verworrenes beherrschend binden
Und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden.
(Er verschwindet in der Mittelthür, seine Worte ver-
klingen.)
Im Zimmer bleibt es still. Draußen sieht man durch s
Fenster den Tod geigenspielend vorübergchen, hinter
ihm die Mutter, auch das Mädchen, dicht bei ihnen
eine Claudio gleichende Gestalt.
Vorhang.