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Nr. 7

JUGEND

1899

Hier klafft ein Riss — und dort ist ungeschickt
Ein heller Stoff mit dunklem Garn geflickt,

Hier geht die Naht auf, dorten fehlt ein Häkchen,
Da geht die Spitze los am Unterröckchen,

Dort eine Schnur — und neulich hatte sie
Ein blaues Strumpfband über’m rechten Knie
Und links ein rothes — ja, ich muss gesteh’n,

Ich war empört, als ich’s geseh’n!

Olga

Was mich geheilt hat, als ich liebeskrank
In Olga’s weisse Arme sank? —

Nacht war’s; mit seinem Silberflimmer
Begoss des vollen Mondes Schimmer
Die weite Flur, den grünen Hag.

Und ich, der ich an Liebchens Herzen lag,

Ich hatte heiss und fest
Das Weib an mich gepresst,

Unsäglich süssen Minnesold zu werben !

Es stammelte mein Mund:

„In solcher Stund

Wär’s eine Lust, im Kuss mit Dir zu sterben 1“ —-
Da lispelte erschreckt die zarte Fee:
„Herrjemerschnee!“

Auch Käthe hat mit grobem Dialekt

Mich aus der feinsten Stimmung aufgeschreckt:

Wir standen an des Neckars grünem Rand
Und leise nahm ich ihre Hand,

Stahl einen Kuss als kecker Dieb
Und fragte sie: „Hast Du mich lieb?“

Sie aber gab mir einen Schmatz:

„Saumässig liab, Du gueter Schatz!“

Amalia

War’ nur Amalia nicht so arg zerstreut,

Ihr treuer Ritter wär’ ich wohl noch heut’.

Doch stellt Euch vor, dass ich mit heissem Blut
Dies Weib umfing in wilder Liebesgluth.

Sie drängt sich an mich, küsst mich sehnsuchtsvoll,
Begehrend, trunken, wild und liebetoll,

Liebkost mein Antlitz, streichelt mir das Haar
Und flüstert dann — mich trifft es wie ein Blitz:
„Mein Gott, mein Alles, Du mein Adolar!“

Und — merkt es wohl — ich heisse Fritz!

Grethchen

Erst hat sie spröde meiner Gluth gelacht,

Bis sie mich elend, blass und krank gemacht
Und ich beschloss, der Kalten zu entflieh’n,

Und nach des Südens goldnen Au’n zu zieh’n. —

Aus dem

Leporello-Album Don Juan d. Jüngeren

Rosalie

Weisst Du, wann Rosalie am Schönsten ist?

Wenn sie in stummer Zärtlichkeit mich küsst;
Sobald sie redet, lässt ihr Zauber nach:

Ihr Fleisch ist willig, doch ihr Geist ist schwach!

Magdalene

Von ihrem Widerspiel, der schlanken Magdalene,

Da gilt, weiss Gott, der Satz: nil, nisi Beene!
Beinah verrieth ihr klapperndes Gebein
Uns dem Gemahl beim ersten Stelldichein;

Und als ich dann ihr eine Rose pflückte,

Und bat, dass sie damit den Busen schmückte,
Sprach sie erröthend und mit leisem Weinen:

„Ich habe keinen!“

Apollonia

Die Sommernacht lag dumpf und schwül,

Auch in der Laube war’s nicht kühl.

Wir sassen Wang an Wange,

Wir sassen selig und bange!

Ein Tröpflein netzte mein Gesicht,

Von ihrer Wang’ — „O weine nicht!“

Das Mägdlein sprach: „Ach Fritze,

Ich weine nicht — ich schwitze!“

Röschen

Wär’ nur mein Liebchen gar so häuslich nicht!

Wie sie mein Arm zum ersten Mal umflicht,

Zum ersten Mal mein Herz an ihrem klopft —

Hat sie gemächlich einen Strumpf gestopft!

Sie kam zur Laube — doch, die Zeit zu nutzen,
Bracht sie ein Körbchen mit — zum Bohnen putzen.
Ich lud sie ein zu traulichem Souper,

Sie kam, war süss — und häkelte Filet!

Ich wurde kühn — sie litt’s und flehte nur:

„Ach Liebster, gib doch Acht auf die Frisur!“ —

Ich wurde stürmisch — und sie flehte wieder:
„Drück’ mir nur ja kein Fischbein ab im Mieder!“
Und als sie dann den holden Engelskopf,

Die Welt vergessend mir am Busen barg,

Fuhr sie empor: „Geliebter, das ist arg:

An Deiner Weste fehlt ein Knopf!“

Dorothee

Wie anders ist die schöne Dorothee!

Der thut ein abgerissner Knopf nicht weh,

Sie hat wohl — im Vertrauen sei’s erzählt —

Kein Kleidungsstück, an dem nicht Einer fehlt!

Käthe

J. R. Witzei.

io 6
Register
Josef Rudolf Witzel: Zeichnung zum Text "Aus dem Leporello-Album Don Juan des Jüngeren"
Dick: Aus dem Leporello-Album Don Juan des Jüngeren
 
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