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1899

JUGEND

(Redaktionsschluss: 30. Jan. 1899)

Sastenpredigt

Geliebte Brüder in dem derrn!

Der Aschermittwoch ist nicht mehr fern,

Zu Ende geht der Larneval,

Da könnte beinah' wieder einmal
Lin vernünftiger zu Worte kommen. —
Zwar ein Stecken tbät' Luch bester frommen
Sder eine tüchtige Ruthen;

Doch ich probir' es lieber im Guten,

Denn es steht geschrieben: „Line Mucke
Fängt man mit Geduld und Spucke,

Gder mit Leim und Seclcnruh."

Also schneuzt Luch und hört mir zu:

Das irdische Dasein ist ein Gefrett,

Line Viecherei von A bis Z.

Als Wurm fangt der Mensch das Leben an,
Und kaum daß er aufrecht gehen kann,

Der arme Frosch, so heißt es schon,

Jk die Schule mit ihm, ohne Gnad' und Pardon.
Da muß er büffeln und Wiederkäuen
Anstatt sich seiner Lindheit zu freuen,

Und ist er Pechvogel von zu Daus,

So wächst er sich schleunig zum Zündenbock aus.
Als Grünspecht macht er später sich
Mit einem Backfisch lächerlich:

Als Fuchs aber kommt er ohne Frage
In die allergcfährlichste Lebenslage.

Dübsche Laser, nette Schnecken
Und Ratten lauern in allen Lcken
Und Salamander und — was weiß ich!
Kurzum er wird ein lockerer Zeisig.
Diedurch erlernt er den guten Ton,

Betritt als Löwe den Salon

Und eignet sich sonst noch zu allerhand,

Zum Beispiel als Libitz, als Llephant —
Dann geht er als Gimpel auf den Leim
Und führt zuletzt eine Schneegans heim.
Natürlich muß er nun unterducken;

Da fängt er Grillen und kriegt Mucken,
Auch fetzt ein guter Freund von zuvor
Ihm ab und zu einen Floh in's Shr.
von der Zeitung, auf die er abonnirt,
wird er mit Enten regalirt,

Und in vertraulichen Abendstunden
Mancher Bär ihm aufgebunden.

Beim Regeln — das heißt wenn ihm überhaupt
Sein Drache so etwas erlaubt —

Beim Regeln trifft er ein ganzes Rudel
Landhasen, stiere oder Pudel,

Und schiebt er wirklich alle neun,

§o hat er eben ein Riesenschwein.

Trinkt er dann, aus Verzweiflung blos,

Tin Glas zuviel, ist der Lukuk los:

Mit einem Spitz, mit einem Affen,

Einem widerborstigen, kriegt er zu schaffen,
Und andern Tages fallt ihn dann
Noch hinterlistig ein Later an.

I» dieser weise geht es fort;

Der Mensch verludert mit einem Wort,

Er kommt vom Gaul auf den Esel und
3u guter Letzt total auf den Bund.

Nun saget selber, gesteht es frei,

-Ist das nicht eine Viech ereil
Llomins mei miserere!

dieser wirthschast, dem bischen Misere,
Dein dauflcin Elend da hänget ihr,
verspielt die himmlischen Freuden dasürl

Für ein paar Schnaufer in der Eil'

Ist Euch die ganze Ewigkeit feil.

Ihr denkt Euch: Gott ist ein guter Mann;
Daß er aber auch dreinschlage» kann,

Das vergeßt ihr ganz und gar
In Eurem Dusel. Aber fürwahr,

Geliebte Brüder, ich sage euch:

Ein Lameel geht leichter in's Diinmelreich,
Als ein Gottloser durch ein Nadelöhr.

Drum schenket meinen Litten Gehör,

Thut Buße! Vertatur — kehret um!

Gott sei bei uns — Dominus nobiscum.

Pater Hilarius

wer den Schädler har, braucht für
den Gporr nicht zu sorgen

Das muß wahr sein! Und das Lenkrum
hat ihn; hat ihn im Reichstag, im bayrischen
Landtag auf dem Halse — vielleicht sogar im
Magen, jetzt nach seiner letzten Leistung.

Schädler ist nämlich nicht für Goethe. Daß
er nicht für einen Reichszuschuß von 50000 Mark
zum Straßburger Gocthedcukiual ist, das kann
man ihm nicht übel nehmen. Denn schließlich
könnte dann jedes Nest um 50 ooo Mark Bei
steuer für ein Monument einkommen, und das
kann man nicht leisten; auch hat Herr v. Begas
gar nicht soviel Zeit, und ein Anderer kann
bekanntlich kein deutsches Nationaldenkmal
machen.

Schädler ist nicht für das Goethedenkmal,
und wenn er nicht dafür ist, konnte er dagegen
stimmen. Aber Schädler hielt nicht das, was
er am Besten gehalten hätte, sondern eine Rede,
llud da ergab sich, daß er überhaupt nicht für
Goethe ist; auch wenn man denke, er sei ein
Philister und Dbskurant. So höflich denken
wir nun freilich nicht über Schädler. Er hat
es übrigens ganz genau motivirt, was er gegen
den großen Heiden hat. Goethe ist ihm nicht
wissenschaftlich genug, Hauptsächlich bezieht
sich das wohl auf dessen Versuche zur Farben-
lehre. Er war den Schwarzen nicht grün ge-
nug, ließ sich von ihnen nichts weiß und auch
keinen blauen Dunst vormachen, lieber manche
seiner Dichtersünden haben sie sich gelb geärgert,
über Anderes, was er geschrieben hat, wurden
sie roth. Aus Scham nicht, aber ans lvuth.

Und dann sein Privatleben! Schädler und
Genossen sollen dem seligen Goethe seine Sesen-
heimer Idylle ganz besonders nachtragen. Man
denke auch — ein Pfarrerstöchterlein! Freilich
war's kein katholisches, wie der neue Goethe-
kritiker wohl glaubt, sondern ein protestantisches,
— aber doch!

Und die römischen Elegien! Man sollte denn
doch meinen, ein Dichter, der „ r ö m i s ch e Elegien"
schrieb, hätte Gelegenheit gefunden, dem da-
maligen Papst einige Liebenswürdigkeiten zu
sagen — nichts davon! Nicht einmal um eine
Audienz hat er nachgesucht. Außerdem kann
ein frommer Lhrist einen Dichter, dessen Lieb-
lingsheld den cynischen Ausspruch that, er
habe — leider auch Theologie studirt —
nur mit Abscheu betrachten! „Leider!" — „Gott
sei Dank!" wenn er gesagt hätte — aber „leider"!

Ueberhaupt verharrte Goethe bis zu seinem
letzten Augenblicke in Unglauben! Ex starb
mit den Worten „Mehr Licht!'

Wäre er ein Mann nach Schädlers Herzen
gewesen, so hätte er gerufen „Mehr Finsterniß!"

l’ips

Ddcaffe’s Erklärungen

Wer meint, daß bei Faschoda Frankreichs Ehre
Nicht ohne Schaden weggekommen wäre,

Der irrt; das Gegentheil ist wahr,

Herr Delcaffe beweist es sonnenklar.

Ach, Frankreich hätte gar zu gern gestritten,
Doch weil es Frankreich liebt, so hat es nicht

gelitten,

Frankreich zu bringen in Gefahr.

Und Frankreich hat dies heldenhaft gefunden,
Frankreich bewundert Frankreich sehr,

Denn Frankreich hat sich selber überwunden,
Und Frankreich überwinden, das ist schwer.

Proteus

Aus dem

österreichischen Parlament

Und als vorüber war des Sturmes Aasen,
Da zählte man elf Beulen an acht Röpsen,
Drei blaue Augen, fünf geschwollnc Ul äsen
Liebst dreiundzwanzig abgcriss'nen Rnöpfen.
Zwölf paar Manchettcn waren arg zer-
knittert,

Ein Zwicker ganz und gar zersplittert,
was war der Grund so heftiger Erhitzung?
Die Tagesordnung für die nächste Sitzung.

Stefan

Lustige Nachrichten

In den Vereinigten Staaten gibt es
eine große Partei, die der festen Ucberzeugung
ist, die Union habe die Mission, anderen Län-
dern die politische Freiheit, nöthigenfalls mit
Gewalt, zu bringen; aus diesem Grunde müß-
ten auch die Philippinen unterworfen wer-
den. Das erinnert an die Antwort jener Frau,
die ihrem Manne, als er sie fragte: „Warum
hast Du mir denn ein Auge ausgeschlagen?"
zurief: „Aus Liebe, Du Hund!"

Die Auktion Zola hat in Deutschland
ein Seitenstück gefunden. Die Habe eines
deutschen Dichters sollte unter den Hammer
gebracht werden. Der deutsche Mäcen (es soll
einen solchen geben) erschien, um sogleich für
den ersten ausgebotenen Gegenstand den Be-
trag der Schuldsumme zu erlegen. Leider fehlte
es an dem dazu nöthigen Gegenstände.

'Von der enormen Enthaltsamkeit der Lon-
doner im Genuß berauschender Getränke er-
hält mau einen Begriff, wenn man hört, daß
London in einem Jahre 50 000 000 Gallonen
Sodawasser konsumirt. So viel ist nöthig,
um den Whisky auf halb und halb zu ver-
dünnen. _

Der „Siäcle" hat kürzlich durch eine ganze
Reihe von Beispielen gezeigt, daß sich auf einer
Photographie auf künstlichem Wege die un-
vereinbarsten Persönlichkeiten vereinigen lassen.
Maximilian Harden hat sofort beim Atelier
des „Siecle" mehrere Photographien bestellt,
auf denen er u. a. mit Heinrich v. Treitschke,
Wolfgang v. Goethe und Friedrich dem Großen
Schmollis trinkt.

Auf der Pariser Weltausstellung soll
es auch einen künstlichen Vulkan geben. Wenn
die Sache stilvoll und zugleich nicht zu theuer
werden soll, so müßte es schon ein Schlamm-
Vulkan sein.
Index
Stefan: Aus dem österreichischen Parlament
Pips: Wer den Schädler hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen
Proteus: Delcassées Erklärungen
Pater Hilarius: Fastenpredigt des Pater Hilarius
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
 
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