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1890

.JUGEND '

Nr. 8

Der Chiromant

Also spricht der Chiromant:

„Kleines Fräulein, woU'n wir wetten?
Des Lupido Nosenketten
Lese ich aus Ihrer Hand.

Nur vorm heil'gen Ehestand
Wird ein guter Geist Sie retten "

Also spricht der Chiromant.

„Kleines Fräulein, woll'n wir wetten?"

„Ach, in jenem Wunderland
Wird man Sie auf Daunen betten."

Viel Bonbons und Cigaretten
Und ein theures Unterpfand
Prophezeit der Chiromant. Äurt Wartcns

Ständchen

Gestern als die Sterne gingen
Und der Morgen leise kam,

Wollt’ ich ihr ein Ständchen bringen,
Doch die Verse waren lahm.

Ach und meine eignen Füsse
Gingen nicht mehr fest im Trab,

Und so gab ich meine Grüsse
An die Morgenröthe ab:

„Grüsse sie, Du weisst schon, welche;
Aber fragt sie, wo ich bin,

Sage nicht, der Wein im Kelche,

Sag: die Liebe warf mich hinI"

Kory Towska

Spuren

Warum nur so eisern gegen unbedeu-
tende Geschwätzigkeit? Sobald eine große
Glocke ertönt, verschlingt ihr Brausen das
kleine Schellengeläute ganz von selbst.

Neue ist ein Wundfieber, von dessen
Verlaus die Stärkung oder der Zusammen-
bruch des Organismus abhängt.

Ein Kompromiß mit sich selbst ist ein
halber Pakt mit der Hölle. R. M.

Uralte Weisheit

(Buddhistisch»

Nicht wer zehnhunderttausend Mann
Auf blutigem Feld geschlagen hat:
Wer einzig nur sich selbst bezwingt,
Der, wahrlich, ist der stärkste Held.

Nicht wer der Freunde größte Zahl
beschrieben aus der Tafel trägt:

^Ver einem Einzigen trauen kann,
^er ist fürwahr ein reicher Mann.

Nicht wer in vieler Frauen Lust
Der Liebe heiligen Sinn verbuhlt:
Wer Eines Weibes Glück sich fühlt,
Der bleibet selig immerdar.

Dem kann kein Bösewicht, kein Gott,
Selbst Satan mit dem Brahma nicht
Den Sieg entreißen irgendwann,

Dem stillbeglückt Verweilenden.

Vt. G. Lonrad

A. v. Kubinyi

— . .. und das sag' ich Ihnen gleich: Verehrer gibi's keine bei mir!

— Respekt! Dös is sehr anständig von Ihnen, — meine frühere Gnädige hat glei' drei g habt.

Sonst hätt's ja keinen Zweck!

Moses Löwenstein war geistesgestört und
befand sich seit einigen Tagen im Jrrenhause.
Der Sabbath kam heran, und er begehrte,
Schalet, die Sabbathspeise der Juden, zu essen.
Alan suchte ihm diesen Wunsch auszureden,
aber vergeblich- Immer heftiger, immer leiden-
schaftlicher verlangte er nach Schalet. Endlich
erschien der Oberarzt; aber auch er vermochte
den Aufgeregten nicht zu beschwichtigen. Moses
Löwenstein erklärte, Schalet zu essen, sei ihm
eine alte, liebe und geheiligte Sabbathgcwohn-
heit, von der er nun und nimmer lassen werde.
Der Oberarzt fragte, wo denn diese Speise zu
haben sei. Löwenstein nannte ein ziemlich
weit entferntes jüdisches Restaurant. Der Arzt
thcils weil ihm der Weg dahin paßte, thei'ls
weil er den Kranken beobachten ivollte, erklärte
sich schließlich bereit, Löwenstein »ach jenem
Restaurant zu begleiten. Ldwenstein zeigte sich
sofort beruhigt und hocherfreut. Man ging.
Ein Wärter folgte in ewiger Entfernung. '

Löwcnstcin delektirte sich mit Andacht an
seinem Gericht Schalet, und als er ausgespeist
hatte, zog er ein Etui, entnahm ihm eine Zi-
garre und setzte sie in Brand.

„Was?" rief jetzt der Oberarzt. „Sie
Heuchler! Erst spielen Sie den Pietätvollen
und reden voii heiligen Gewohnheiten, und
jetzt rauchen Sie am Sabbath?"

Löwenstein aber steckte beide Daumen in
die Armlöcher seiner Weäe, blickte den Ober-
arzt mit verschmitzter Zufriedenheit an und
sprach: „Wozu bin ich denn meschngge?" R. R-

&

Der

Radfahrsport und die Klassiker

Si rota defuerit, tu pede carpe viam!
wenn Du kein Rad hast, so gehe halt — zu ssnß!

(Ovid. ars am. 2,250)

„Sorgt, das; nie die Kette bricht,

Und daß der Reis nie springet!"

(Schiller, „Dicweltwcisen".

„Es ist wohl nicht zu leugnen, daß man., .mit
einer guten Uebersetzung sehr weit kommt."
(Goethe, Gespr. m. Eckermann (v. Jan. (825.)

izi
Register
R. M.: Spuren
Kurt Martens: Der Chiromant
[nicht signierter Beitrag]: Der Radfahrsport und die Klassiker
R. R.: Sonst hätt's ja keinen Zweck!
Kory Towska: Ständchen
Michael Georg Conrad: Uralte Weisheit
Alexander (Sandor) v. Kubinyi: Witzzeichnung
 
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