Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 9

JUGEND

1899

Stunde

Montags

Dienstags

Mittwochs

Donnerstags

Freitags

Samstags

6-7

Beten

Beten

Beten

Beten

Beten

Beten

7-8

Pferde füttern

»Whe füttern

Schweine füttern

Pscrdeftall

ausmisten

Kuhstall

ausmisten

Schweinestall

ausmisten

8-9

Gänse zählen

Kühe melken

Pferde striegeln

Schweine zähle»

Liegen melken

Vaterländische
Geschichte mit
besonderer
Berücksichtigung
der Verdienste
d. Gutsherrschast

Morgens ist Unterricht genug, dann können die
Kinder noch den ganzen übrigen Tag auf dem
Acker arbeiten: Das gibt Liebe zum Landleben.
Nichts hat das Kind lieber als einen lbstündigen
Arbeitstag. Im Sommer sollte es überhaupt
keine Schule geben; den ganzen Sommer sollte
das Kind von früh bis Dunkelwerden in der
schönen freien Gotteslust und im Interesse des
Gutsherrn verleben. Wenn es den Leuten nicht
gefällt, dann kündigen sie einfach. Dieser Roh-
heit must gesteuert werden. Das Ziel der.agrar-
ischen Volksschule sei die Gemüthsbildung,
und zwar soll sie erreicht werden

1. durch prinzipielle Bekämpfung der Schreib-
und Lesewuth,

2. durch energische Unterdrückung der mensch-
lichen Rechensucht,

3. durch Stellung des Bar- und Denkvermögens
der Leute unter die Verwaltung des Gutsherrn.
Um nur ein Beispiel zu geben, so könnte der

Stundenplan einer solchen Schule sich während
des Winters vielleicht so gestalten:

Die Hauptschuld daran, daß die Schule zu
einer Bildungsanstalt ausgeartet ist, tragen Lehrer
und Geistliche. Die Bengel, die später Erzieher
und Prediger werden sollen, sollten auf den Se-
minarien und Universitäten statt Bibelkritik imd
Physik lieber lernen, einen Stall auszumisten:
Das ist es, was uns noththut! Der „Herr" Lehrer
will nicht mehr niit der Kuh unter einem Dache
wohnen, und dabei sind die Dächer unserer Kuh-
ställe besser als die unserer Schulen und Lehrer-

wohnungen! Er möchte wohl mit uns unter
einem Dache wohnen! Aber glauben Sie nicht,
daß er dann besser daran wäre. (Sehr richtig!
rechts.) Es versteht sich von selbst, das; die Ziele
der Volksschule ausrecht erhalten werden müssen;
aber must denn jedes Ziel erreicht werden? Uns
wird immer derjenige Lehrer der liebste sein,
dessen Schüler. die dicksten Kartoffeln haben!
'(Stürmischer Beifall rechts und am Regierungs-
tisch.) Tip

Landwirthschaftsminister v. Hammerstein sagte am 10. Februar 1899 im preussischen Abgeordnetenhause: ,,. . . Statt in den landwirthschaft-
liehen Betrieb eingeführt zu werden und Liebe für die Einzelheiten der landwirthschaftlichen Berufsthätigkeit, für die Wartung des Viehes, für
(las Melken etc. zu lernen, lernen die Kinder stricken (Heiterkeit und lebhafte Zustimmung rechts) und was weiss ich sonst noch, wofür sie keine
Verwendung haben. Die Lehrer selbst verderben die Geistesrichtung der bäuerlichen Bevölkerung. Der Niedersachse lebt mit
seiner Kuh und seinem Vieh unter einem Dache und hat darin niemals etwas Entehrendes gefunden, aber der Lehrer thut es
nicht, er will einen eignen Stall haben und gibt dabei ein schlechtes Beispiel.“ (Lebhafte Zustimmung rechts.)

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EI CHA1ANN; samratlich in München

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ULE DECKT! VORBEHALTEN.
Register
M. H.: Zeichnungen zu "Das brave Kind - das böse Kind - der brave Lehrer - der böse Lehrer"
 
Annotationen