1899
JUGEND
Nr. 10
genug hat. Wie Du willst ! Ucbrigens ist ver-
muthlich das Eine so richtig, wie das Andere."
„Aber die Kinder siehst Du zuweiten?"
„Nein. So sehr ich mich darnach sehne...
Sie kennen mich ja nicht mehr — was sollen
sie bei einer flüchtigen Begegnung mit dem srem-
Eine Moospartie
sie verliebt, wie als Bräutigam. Wahrhaftig
ja... Siehst Du, Heinrich, es wäre ja säst des
Glücks zu viel, aber ich bin mir bewujjt, es zu
verdienen. Das darf ich sagen! Ich..."
Da stockte er, wurde dunkelroth und stand
fassungslos da. Wie immer, hatten sich anch
U'cmlUti. lluu<uHcu -ucycyiiuiiU IUU uCUi |w - .... —
oen Menschen denken, was empfinden?!.... einige Damen am Dampsersteg eingesunden, die
nicht mitfahren, im Gegentheil den und jenen
Ausflügler zum Dableiben veranlassen wollten.
Und eine von ihnen, ein robustes Frauenzimmer
mit bemalten Wangen, hatte ihn mit einem Blick
freudigen Wiederkennens begrüßt und that nun
den Mund auf, als wollte sie ihn auch »och an-
sprechen.
Der Künstler sah es; es zuckte um seine Lip-
pen. Dann aber sagte er nur:
„Ja, Du verdienst Dein Glück. Es wird
Jedem, wie er verdient. Auf Wiedersehen, Karl!"
Und er bestieg den Dampfer, der gleich da-
rauf vom Ufer abstieß.
Rein, für sie ist's besser so. Für mich freilich
eine Strafe mehr, aber —" Er bist die Zähne
zusammen und athmete tief auf. „Jndetz —
wie's heute ist — man trägts. Aber welch' ein
Leben soll das in zehn, in zwanzig Jahren
werden!... Weiß ich's denn, ob ich nicht dazu
verdammt bin, so lang zu leben?... Welch' ein
Alter!" Es klang wie ein Angstrus aus tiefster
Brust: ,Welch' ein Alter!'
„Nun," sagte der Rath, „ich hosse noch im-
mer ..." Sie gingen während dieses Gesprächs
am Quai auf und nieder und blieben stehen,
als nun von drüben die Schiffsglocke das erste
Signal gab.
„Ich kann leider nicht mit, Heinrich. Heut'
ist ja Dienstag! Drüben im Hotel erwarten
mich die Briefe von Weib und Kindern. Sie
schreibt mir täglich, die Kinder jeden Sonntag.
Und derlei will sofort genossen und erwidert sein."
„Wie viele Kinder hast Du?"
„Zwei, einen Sohn, eine Tochter. Der Junge
studirt schon, inBonn,Jura natürlich. Schneidiger
Kerl, Corpsstudent. Kostet viel Geld, aber was
thut man nicht sür die Zukunft seiner Kinder?
Solche Verbindungen aus dem Corps, weißt
Du, nützen dann mehr, als das beste Examen.
Auch können wir's ja Gottlob thnn: Du iveißt,
mein Schwiegervater ist so'n Schlotbaron drüben
bei Dortmund; die Fabrik wächst noch immer.
Na, und das Mädel ist natürlich noch bei Muttern,
geräth prächtig.. Ja, Heinrich, ich darf mich
nicht beklagen! — Was die Carriere betrifft, die
nächste Vakanz als Präsident ist mir sicher —
und so weiter... Weil's Dir Spaß machen wird,
mein Alter: ich bin überzeugt, daß Du mir noch
zur Excellenz wirst graluliren können. Aber
was wäre dies Alles, wenn ich das Beste nicht
hätte: das häusliche Glück."
Sie tvaren nun aus der Landebrücke, mitten
im Gewühl.
„Ja," fuhr der Rath trotzdem fort; eS war
ihm offenbar ein Herzensbedürfniß, auch dies
noch zu sagen, „mein trautes Heim! Mein liebes
Weib! Du kennst sie ja, nun, die Schönste war
sie ja nicht eben, aber welch'ein Gemüth! Uebrigens
— jetzt, wo sie stark geworden ist, eine sehr statt-
liche Erscheinung. Und ich bin noch heut' in
£
Sommer- Regen
Wir gingen zu Dreien durch den Wald:
Ein schlankes Kind in der Mitte,
Links der Galan, zur Rechten ich
Als der überflüssige Dritte.
Und fasste er zärtlich ihre Hand,
Blickt’ ich diskret zur Seite;
Im nächsten Dorfe, so nahm ich mir vor.
Schlägst Du Dich wirklich in’s Weite.
Aus meinem Herzen stieg der Groll
Ueber die dunklen Bäume,
Flog, eine Wolke, am Himmel hin.
Schattend die Sommerträume.
Da fielen Tropfen in’s Blattgewirr,
Das sang im warmen Regen,
Und Glitzerbäche und blinkende Seen
Waren auf allen Wegen.
Lachend streifte das liebe Kind
Herunter die leichten Schuhe,
Und durch das linde Geriesel schritt
Sie heiter in wohliger Ruhe.
Und schmeichelnd kam und
schmeichelnd floss
Es zärtlich an ihr nieder;
G. E. Dodgef (Dachau)
Unter dem schmeidig-nassen Gewand
Formten sich feine Glieder,
Wie eine Knospe sich zögernd erschliesst
Bittenden, schmeichelnden Tropfen —
Mir war’s, als hörte man durch den Wald
Mein Herze hämmmern und klopfen.
Der Herr Galan war ausser sich
Ueber die sprühenden Lachen;
Sie wandte sich froh und fing meinen
Blick,
Da schwand ihr das kosende Lachen,
Ihr Auge blieb eine Ewigkeit
Ganz in dem meinen versunken —
Wie Blumen im Regen, so haben
wir uns
Satt aneinander getrunken.-
Der Regen vertropft; über zitterndes Feld
Schwingt eine goldene Saite —
Und ging es so fort bis an’s Ende
der Welt,
Ich schlüge mich nicht in’s Weite.
Franz Langheinrich.
Kleine Dingo
Fuchs und Hund — der Fuchs ist der
Schlauere von beiden; aber der Hund ist
der Llügcrc.
Die meisten Enthusiasten haben ein kleines
Herz, in dem nur c i n Heros zur Zcir Play
findet, wenn sie Mozart lieb gewinnen,
werfen sic Beethoven hinaus u. f. w.
Die Erfinder, die diesen Namen vor
der Welt haben, sind oft nicht die eigent-
lichen Erfinder. Sic nahmen oft nur An-
regungen auf, die schon durch Generationen
kolportirt wurden. Mag ihr Ruhm noch
so verdient sein: der stärkste Mensch ist
der, der mit seinen Gedanke» jungfräu-
lichen Boden aufreißt. Aber diese Aller-
erste» sind meistens unbekannt geblieben —
wie die Götter. Dtto Lrnst
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genug hat. Wie Du willst ! Ucbrigens ist ver-
muthlich das Eine so richtig, wie das Andere."
„Aber die Kinder siehst Du zuweiten?"
„Nein. So sehr ich mich darnach sehne...
Sie kennen mich ja nicht mehr — was sollen
sie bei einer flüchtigen Begegnung mit dem srem-
Eine Moospartie
sie verliebt, wie als Bräutigam. Wahrhaftig
ja... Siehst Du, Heinrich, es wäre ja säst des
Glücks zu viel, aber ich bin mir bewujjt, es zu
verdienen. Das darf ich sagen! Ich..."
Da stockte er, wurde dunkelroth und stand
fassungslos da. Wie immer, hatten sich anch
U'cmlUti. lluu<uHcu -ucycyiiuiiU IUU uCUi |w - .... —
oen Menschen denken, was empfinden?!.... einige Damen am Dampsersteg eingesunden, die
nicht mitfahren, im Gegentheil den und jenen
Ausflügler zum Dableiben veranlassen wollten.
Und eine von ihnen, ein robustes Frauenzimmer
mit bemalten Wangen, hatte ihn mit einem Blick
freudigen Wiederkennens begrüßt und that nun
den Mund auf, als wollte sie ihn auch »och an-
sprechen.
Der Künstler sah es; es zuckte um seine Lip-
pen. Dann aber sagte er nur:
„Ja, Du verdienst Dein Glück. Es wird
Jedem, wie er verdient. Auf Wiedersehen, Karl!"
Und er bestieg den Dampfer, der gleich da-
rauf vom Ufer abstieß.
Rein, für sie ist's besser so. Für mich freilich
eine Strafe mehr, aber —" Er bist die Zähne
zusammen und athmete tief auf. „Jndetz —
wie's heute ist — man trägts. Aber welch' ein
Leben soll das in zehn, in zwanzig Jahren
werden!... Weiß ich's denn, ob ich nicht dazu
verdammt bin, so lang zu leben?... Welch' ein
Alter!" Es klang wie ein Angstrus aus tiefster
Brust: ,Welch' ein Alter!'
„Nun," sagte der Rath, „ich hosse noch im-
mer ..." Sie gingen während dieses Gesprächs
am Quai auf und nieder und blieben stehen,
als nun von drüben die Schiffsglocke das erste
Signal gab.
„Ich kann leider nicht mit, Heinrich. Heut'
ist ja Dienstag! Drüben im Hotel erwarten
mich die Briefe von Weib und Kindern. Sie
schreibt mir täglich, die Kinder jeden Sonntag.
Und derlei will sofort genossen und erwidert sein."
„Wie viele Kinder hast Du?"
„Zwei, einen Sohn, eine Tochter. Der Junge
studirt schon, inBonn,Jura natürlich. Schneidiger
Kerl, Corpsstudent. Kostet viel Geld, aber was
thut man nicht sür die Zukunft seiner Kinder?
Solche Verbindungen aus dem Corps, weißt
Du, nützen dann mehr, als das beste Examen.
Auch können wir's ja Gottlob thnn: Du iveißt,
mein Schwiegervater ist so'n Schlotbaron drüben
bei Dortmund; die Fabrik wächst noch immer.
Na, und das Mädel ist natürlich noch bei Muttern,
geräth prächtig.. Ja, Heinrich, ich darf mich
nicht beklagen! — Was die Carriere betrifft, die
nächste Vakanz als Präsident ist mir sicher —
und so weiter... Weil's Dir Spaß machen wird,
mein Alter: ich bin überzeugt, daß Du mir noch
zur Excellenz wirst graluliren können. Aber
was wäre dies Alles, wenn ich das Beste nicht
hätte: das häusliche Glück."
Sie tvaren nun aus der Landebrücke, mitten
im Gewühl.
„Ja," fuhr der Rath trotzdem fort; eS war
ihm offenbar ein Herzensbedürfniß, auch dies
noch zu sagen, „mein trautes Heim! Mein liebes
Weib! Du kennst sie ja, nun, die Schönste war
sie ja nicht eben, aber welch'ein Gemüth! Uebrigens
— jetzt, wo sie stark geworden ist, eine sehr statt-
liche Erscheinung. Und ich bin noch heut' in
£
Sommer- Regen
Wir gingen zu Dreien durch den Wald:
Ein schlankes Kind in der Mitte,
Links der Galan, zur Rechten ich
Als der überflüssige Dritte.
Und fasste er zärtlich ihre Hand,
Blickt’ ich diskret zur Seite;
Im nächsten Dorfe, so nahm ich mir vor.
Schlägst Du Dich wirklich in’s Weite.
Aus meinem Herzen stieg der Groll
Ueber die dunklen Bäume,
Flog, eine Wolke, am Himmel hin.
Schattend die Sommerträume.
Da fielen Tropfen in’s Blattgewirr,
Das sang im warmen Regen,
Und Glitzerbäche und blinkende Seen
Waren auf allen Wegen.
Lachend streifte das liebe Kind
Herunter die leichten Schuhe,
Und durch das linde Geriesel schritt
Sie heiter in wohliger Ruhe.
Und schmeichelnd kam und
schmeichelnd floss
Es zärtlich an ihr nieder;
G. E. Dodgef (Dachau)
Unter dem schmeidig-nassen Gewand
Formten sich feine Glieder,
Wie eine Knospe sich zögernd erschliesst
Bittenden, schmeichelnden Tropfen —
Mir war’s, als hörte man durch den Wald
Mein Herze hämmmern und klopfen.
Der Herr Galan war ausser sich
Ueber die sprühenden Lachen;
Sie wandte sich froh und fing meinen
Blick,
Da schwand ihr das kosende Lachen,
Ihr Auge blieb eine Ewigkeit
Ganz in dem meinen versunken —
Wie Blumen im Regen, so haben
wir uns
Satt aneinander getrunken.-
Der Regen vertropft; über zitterndes Feld
Schwingt eine goldene Saite —
Und ging es so fort bis an’s Ende
der Welt,
Ich schlüge mich nicht in’s Weite.
Franz Langheinrich.
Kleine Dingo
Fuchs und Hund — der Fuchs ist der
Schlauere von beiden; aber der Hund ist
der Llügcrc.
Die meisten Enthusiasten haben ein kleines
Herz, in dem nur c i n Heros zur Zcir Play
findet, wenn sie Mozart lieb gewinnen,
werfen sic Beethoven hinaus u. f. w.
Die Erfinder, die diesen Namen vor
der Welt haben, sind oft nicht die eigent-
lichen Erfinder. Sic nahmen oft nur An-
regungen auf, die schon durch Generationen
kolportirt wurden. Mag ihr Ruhm noch
so verdient sein: der stärkste Mensch ist
der, der mit seinen Gedanke» jungfräu-
lichen Boden aufreißt. Aber diese Aller-
erste» sind meistens unbekannt geblieben —
wie die Götter. Dtto Lrnst
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