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1899

JUGEND

Nr. 11

Hatte ick das Geheimniß des Waldes gc-
tödtet? — Ich lachte über meine Thorbeit
und nahm sie mit, aber ich erinnere mich ge-
nau, es war mir nicht wohl dabei, ich machte,
daß ich Herauskain aus dem Wald. —

Jetzt lache ich nicht mehr, jetzt verstehe
ich's besser — ob wieder das Zittern über
mich käme, diese dunkle Ehrfurcht? —

wenn ich's nur erproben könnte, -— ich
sehne mich darnach. Aber das dunkle Loch
gähnt leer, es gibt, glaube ich — gar keine
weißen Eulen mehr, wie die war, da oben.

So vollgepfropft von Erinnerungen vergeht
die Zeit rasch, zu rasch. Zarte rothe Lichter
spielen schon um die Stämme, im Westen
zieht sich streifiges Gewölk, die Ränder feurig
gesäumt; lau, regungslos die Luft. Die Zeit
naht, die Erfüllung des heutigen Evangeliums.

Ich nehme meinen Stand, verwitterte Pa-
tronen am Boden stärken den Glauben.

Der Lrlenbruch vor mir steht jetzt in Heller
Gluth. Sie entzündet die weißen Wölkchen,
die hoch darüber schwimmen, und mitten heraus,
wie von ihr erzeugt, ein wildes Tiriliren,
Jauchzen, Schluchzen von ungezählten Vogcl-
stimmen, während ringsum schon die Fichten
und Tannen in schwarze, formlose Massen
zerfließen; dann und wann ein schwerer Flügel-
schlag, ein Raubvogel, der sein Lager sucht, das
schlummerverlorene Gurren einer Holztaube. —

Jetzt kommt nur ihr Spötter von heute
Morgen, jetzt will ich es Luch schon erklären,
was Stimmung ist. — Halt! Erklären? Nein I
Nur nicht erklären, das verträgt sie nicht;
fühlen, einsaugen mit allen Poren der Seele;
und lacht, so viel ihr wollt, darauf verstehen
wir uns doch besser, wir moderne Menschen.

Biswits — wits! Line dunkle Bewegung
vor meinem Auge und — schon vorbei. —

verdammte Träumerei! — Die Gluth im
Lrlenbusch ist in sich zusammengesunken, das
schwarze Nestwerk der Acste zeichnet sich jetzt
genau, während ein unendlich sanftes Drange
die milchige Bläue des Himmels verbrämt.

' Die Sänger schweigen. Ernste Ruhe senkt
sich herab.

Jetzt ein schwarzer Punkt, mückengroß,
mitten im Purpur der Erlen, er wächst, —
ein heimliches Gnorren — da schwankt sie
heran, scharf hebt sich die Silhouette. Lin
Feuerstrahl, — stäubendes Gefieder. — Der
Schuß rollt durch den schweigenden Wald, —
und jetzt von allen Seiten — bald ei» Pärchen,
auf einander stechend in kühnem Schwung,
bald ein einsamer lautloser Segler — bald
hoch zwischen den Wipfeln der Fichten streifend,
bald in nächster Nähe aus dem Dunkel auf-
tauchend, räthfelhaft verschwindend, und immer
wieder der elektrische wollüstige Funke, vom
Hirn durch den ganzen Körper in den Arm.

warum gerade dieser von weiter Reise ab-
gemagerte Vogel solches verlangen erzeugt,
im Iagdsxort eine solche Ausnahmsstellung
einnimmt?

Die Beleuchtung ist es, in der er erwartet
wird, die unausrottbare Vorliebe des Menscken
für die Dämmerung, für alles unklar ver-
schwommene, Mystik, Romantik, trotz allem
Gebrüll nach Licht, Klarheit, Wahrheit. —
vielleicht, daß wir selbst in unserem innersten
unverstandenen Wesen solchem Reiche ange-
hören, daß es nur ein Heimathsehnen ist.

Gleichviel — sollten einmal die Schnepfen bei
lichtem Tage streifen, mitten im Sonnenscheine,
ihr Renommee wäre rasch beim Teufel, und
kein Mensch sprach' vom Sonntag Oouli.

Der Purpur ist erloschen zwischen den Erlen,
die Nacht sinkt herab, die Frühjahrsnacht mit
ihrem unauslöschlichen Zauber.

wir treten den Heimweg an, schnepfen-
umbaumelt. —

In den schwarzen Fichten knistert es, flü-
stert es, dann und wann ein Flügelschlag,
ein seltsames Schluchzen, unter unseren Tritten
ein Gurgeln, ein sattes Schnalzen.

Ein Reh bricht schallend durch die Büsche,
der kleine Kauz jammert wie ein ungezogenes
Kind, über den Wipfeln blicken in feuchtein
Glanze die Sterne. —

Nur nicht sprechen, und den Zauber ans
sich wirken lassen. „Oculi mei semper ad
dominum.“ Ich fühl's, ich fdjreitc durch sein
säulcngctragenes Haus. —

vom Nachthimmel hebt sich die schwarze
Silhouette des alten Schlosses.

Ich denke meines Freundes mit der Armbrust
und neide ihm nickst mehr sein breites, gesundes
Lächeln; so viel sie mir auch Schmerz bereiten
meine verfeinerten Nerven, ich habe doch auch

den Genuß davon, ich verstehe das

Oculi.

c>Mo

Russischer Sinnsprug

was dem Zaren nicht gelingt,
Leicht die Zeit zuwege bringt.

Walther Püttner (München)

Träumerei

So müsst' es sein:

In Deinetn Mädchenzimmer
Verglich'» die rothen Scheite im Lamin.
Dein Füßchen leuchtet auf im Feuerschimmcr
And zuckt zurück, ivenn ein paar Funken

sprüh'n.

Sonst Finsterniß. — Doch niemand ruft

nach Licht.

Im ganzen Schlosse ist kein Laut zu hören.
Nur manchmal will ein fremder Laut uns

stören;

Gewiß, die Bodenfenster schließen nicht.

And wunderlich! — Wir schauen in die Gluth
And sind so stmnm und hätten viel zu sagen.
Doch Leines will ein leises Wörtchen wagen,
Denn dieses Schweigen ist so süß und gut.

In unfern Augen ruht ein eigner Glanz.
Der üderlcuchtet tiefste Dunkelheiten.

And so, im Athem stillster Seligkeiten
Fühl' ich Dich ganz,

Fühlst Du mich ganz...

So müßt' es sein!...

Ludwig Iacobowski

Von Jen»

Aas 2Veib roibb beaehrt sein, anch wo «s
versagen muH- S«{&ft <pß«-&t sein, yenü<yti§'m
nicht; «s rvittert immer «in nur heraus, nur
d«bi«bt; da« ist immer noch nicht begehrt;
hier «rst I«ht sein« 2V«bt, Ieh'n sein« ÄHnt-
inef nnd Äöff«n in ißm ans.

<Abb« maisr« Aldnfib wird «rst gehört, nnd
dann bomponirt. Vie Gab«, schön« Aldnfib
jn hören nnd sie sisthabten jn teitmn, n«nnt
man Tonbnnst. Venii irach, ob «» mit d«r
-öcbensbnnst nicht jparabbebe hat.

-Lin sogenannte« nngetrnbtc« Ebiitb rvär«
höchsten« bei denen mögbich, die sich snr «in
sobche« bedanbten. Qitau müsst« aber «inen
^«den, der darnach »erbangt, gsatt in'« Er-
ficht oder in'« «statt« Erficht hinein sragen.
rvebche hohen morabischen nnd geistigen -Ligen-
schasten, di« zum Aassen nnd Tragen ein««
aroficn Gbütbe« gehören, ihn zu diesem dföt-
gehren berechtigte,«.

&

persischer üiebesreim

pes jungest jVforgens sonnenwarmer jMund
Hat leis hinweggeküsst das Cröp/chep Oau,
pas ast der pose purpurwange schwebt:

So schenk’ auch mir, pu wunderholde prau,
JAuf peiner posenwanger; zartem pund
pie Oräne, die dem Puss entgegenbebt!

Erich Magnus

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Register
Ludwig Jacobowski: Träumerei
Walter Püttner: In der Not fängt der Teufel Fliegen
[nicht signierter Beitrag]: Russischer Sinnspruch
Erich Magnus: Persönlicher Liebesreim
Zeno: Gedanken
 
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