1899
° JUGEND .
(Redaktionsschluss: 28. Feb. 1899)
Lin Brief Heinrich Heine's
Uebermittelt durch Otto Ernst
WertheRedaktion der „Jugend!"
In der „Deutschen Tageszeitung,"
Die ich des Papieres wegen
kjier in „Walhall" abonnirt,
Les' ich, daß Herr vr. Bertel,
Produzent der „Liedergrüße,"
Jüngst im deutschen Parlament
Meine Lyrik anerkannt hat.
Danach freilich mich beworfen
Hat er, weil ich ausgewandert
Aus der Heimath, draus mich damals
Seinesgleichen wcggestunken;
Doch sein Lob ergriff mich also,
Daß ich unverweilt beschlossen,
Ihn zum Dank durch eine Ehrung
Seltnen Grades zu erhöh'n.
Wie der große Meister Ludwig
Umgewidmet seine „Dritte,"
Umgewidmet sei auf Bertel,
Was man liest im „Atta Troll":
„Atta Troll, Tendenzbär, sittlich-
Religiös, als Gatte liebreich-
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung
Tragend in der zott'gcu Hochbrust-
Kein Talent, doch ein Charakter."
Ja, Gesinnung, schlicht und bieder,
Zeichnet aus die „Liedergrüße,"
Simpel sind sie, doch geschmacklos.
Ja, der Bertel ist Charakter!
Um der Landwirthschaft zu helfen,
Trüg' er alle seine Werke
Freudig hin auf's Ackerfeld.
Welch' ein Wachsthum gäbe das!
Welch' ein Blühen, welche Früchte!
Doch Gottlob, so großer Mittel
Braucht die Landwirthschaft noch nicht!
Werthe Jugend! Abzudrncken
Litt' ich dies für meinen Bertel;
Denn ich weiß, ihm macht es Freude.
Schönsten Gruß!
Ihr
Heinrich Heine.
Eins )dee!
In einem Londoner
9-heater hat der Direk
tor das Publikum
eine Novität nicht
und das deshalb , u, u
unter Fluchen und Schim-
pfen davon zu überzeugen
gesucht, daß das Stück
vortrefflich sei, und schließ-
lich verlangt, wenn man
Muth habe, solle man
auf die Bühne kommen
und seine Meinung in
einem Zweikampf vertre-
ten. Die praktischen Ideen
konrmen immer aus Eng-
land. Bei dein heutigen
Stande der Berichterstatt-
ung ist einfach nicht mehr
festzustellen, ob ein Stück
einen bestrittenen Acht-
ungserfolg oder einen be-
strittenen Mißachtungser-
folg hatte. Man lasse
Autor oder Direktor mit
einem Vertreter des Pub-
likums raufen, dann wis-
sen die Zeitungen wenig-
stens, welches Resultat zu
berichten ist. Bruno
dem
gefiel
Zischte,
Oie Retter der Bulgaria
In Wetter und Roth
Stark, wie der Tod!
So hielten sie aus
Im Wogengebraus',
Richt bang, nicht müde durch Rächt und Tag
Bis das Fahrzeug sicher im Hafen lag!
Was wollt Ihr mit Euerem Beifallstofen,
Als wär's ein Wunder, was gefcheh'n?
Lin deutscher Mann ist der Kapitän,
Deutsch ist das Schiff, deutsch die Matrosen —
Daß die nicht wankten von ihrer Pflicht —
Wundert es Luch?
— mich wundert's nicht!
«SFxxjjrrtit
Der Menelik und feine Ballerine
Regus Menelilr hat die in Gesellschaft des Prinzen
Heinrich von Orleans nach Addis-Abeba gekommene
pariser Ballerine Fräulein Blanche des Lys zu seiner
Freundin erkoren und sie auch zum nicht geringen Aerger
seiner Gattin, der Königin Teitu, mit Aufmerksamkeiten und
Geschenken überhäuft, wie indeß egyptischen Blättern jetzt
aus Dschibuti geschrieben wird, ist Fräulein des Lys dort
unter großer abyffinischer Sscorte eingelroffen, um sich nach
Europa einzuschiffen. Line hochgestellte Persönlichkeit in Peters-
burg soll nämlich den Regus darauf aufmerksam gemacht
haben, daß er sich um seine ganze Reputation in Europa
bringen würde, falls er noch weiter feine legitime Gattin
wegen einer fremden Ballerine zurücksehen sollte.
Zwar grollt Tcitu, das legitime Weib,
Doch Mcnelik sagt seiner Ballerine,
Daß ihm in holder Minne Zeitvertreib
Die alte Teitu gänzlich Wurscht erschiene.
„Tanz' Du nur weiter!" sagt der Mcnelik
Und schaut sie an mit seelcnvollcm Blick.
Da plötzlich kommt, — so wie ein
Flammcnstreich
Aus blauem Himmel jählings niederpeasselt,
Aus höchsten Rrciscn aus dem Lzarcnreich
Ein Eilbrief mit der Post hcrangcralsclt.
Und wie der Mcnelik den Brief erbricht,
Steht kurz darin: „Laß ab, es schickt
sich nicht,
Daß dicscBlanchcdcsLpsDcinHerzumstrickt,
So, wie ein Büffelkalb umstrickt die Boa —
Plein, laß die „weiße Lilie" ungeknickt,
wir dulden keine Pompadour in Schoa.
was fällt Dir ein, Du sittenloser Mohr?
Bei uns im Norden kommt das auch nicht vor I"
Und schweren Herzens reicht er ihr den Brief:
„Mein Blick ist trüb — Du mußt cs
selber lesen!
pascholl nrcin Schatz! Der Abschied kränkt
mich rief —
Behüt Dich Gott, cs wär' so schön gewesen!
Hier einen Check für die gehabte Müh —
Der nächste Omnibus geht morgen früh!"
Der Tanz ist aus, die Bajadere geht,
Ihr Honorar sind fünfzchntauscnd Franken!
Und sinnend schickt die schwarze Majestät
Nach Norden noch viel schwärzere Gedanken:
„Ich gab' was drum," so seufzt er, „wenn
ich wüßt,
Ob man dort wirklich gar so sittsam ist?"
Bolicmund
Lustige Nachrichten
In gewissen Kreisen soll die Absicht be-
standen haben, Justus v. Liebig auch in
Heppenheim, wo er Apothekerlehrling war, ein
schlichtes Denkmal zu errichten. Das Zentrum,
allen voran Herr 9r.
Schädler, soll aber ent-
schieden abgerathen haben.
Eine gewisse, sehr gefähr-
liche Intelligenz sei Liebig
ja nicht zu bestreiten: ihm
aber noch mehr Denkmäler
zu setzen, liege um so we-
niger ein Anlaß vor, als
der von diesem Manne er-
fundene .Fleisch extrakt'
noch fortgesetzt zahllose
Opfer unter den Mitleben-
den fordere und die dring-
end wünscheuswerthe Ver-
mehrung der gehörnten
Zweihufer hintanhalte.
Wenn man ihm in einer
Kctzcrstadt ein Denkmal
setzen wolle, so möchten
die Ketzer das mit sich ab-
machen- Indessen haben
d ie Agrarier - aller
Konfessionen sich eben,
falls energisch gegen wei.
tere Liebig-Denkmäler er-
klärt, weil die Chemie das
einheimische Rind-
vieh entwerthe und
dieEinfuhrdesFleisch-
extrakts dem Unglau-
ben Vorschub leiste —
pardon! — eine Ver-
wechselung-umgekehrt
natürlich! Ja, wer kann
das auseinanderhalten?!
° JUGEND .
(Redaktionsschluss: 28. Feb. 1899)
Lin Brief Heinrich Heine's
Uebermittelt durch Otto Ernst
WertheRedaktion der „Jugend!"
In der „Deutschen Tageszeitung,"
Die ich des Papieres wegen
kjier in „Walhall" abonnirt,
Les' ich, daß Herr vr. Bertel,
Produzent der „Liedergrüße,"
Jüngst im deutschen Parlament
Meine Lyrik anerkannt hat.
Danach freilich mich beworfen
Hat er, weil ich ausgewandert
Aus der Heimath, draus mich damals
Seinesgleichen wcggestunken;
Doch sein Lob ergriff mich also,
Daß ich unverweilt beschlossen,
Ihn zum Dank durch eine Ehrung
Seltnen Grades zu erhöh'n.
Wie der große Meister Ludwig
Umgewidmet seine „Dritte,"
Umgewidmet sei auf Bertel,
Was man liest im „Atta Troll":
„Atta Troll, Tendenzbär, sittlich-
Religiös, als Gatte liebreich-
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung
Tragend in der zott'gcu Hochbrust-
Kein Talent, doch ein Charakter."
Ja, Gesinnung, schlicht und bieder,
Zeichnet aus die „Liedergrüße,"
Simpel sind sie, doch geschmacklos.
Ja, der Bertel ist Charakter!
Um der Landwirthschaft zu helfen,
Trüg' er alle seine Werke
Freudig hin auf's Ackerfeld.
Welch' ein Wachsthum gäbe das!
Welch' ein Blühen, welche Früchte!
Doch Gottlob, so großer Mittel
Braucht die Landwirthschaft noch nicht!
Werthe Jugend! Abzudrncken
Litt' ich dies für meinen Bertel;
Denn ich weiß, ihm macht es Freude.
Schönsten Gruß!
Ihr
Heinrich Heine.
Eins )dee!
In einem Londoner
9-heater hat der Direk
tor das Publikum
eine Novität nicht
und das deshalb , u, u
unter Fluchen und Schim-
pfen davon zu überzeugen
gesucht, daß das Stück
vortrefflich sei, und schließ-
lich verlangt, wenn man
Muth habe, solle man
auf die Bühne kommen
und seine Meinung in
einem Zweikampf vertre-
ten. Die praktischen Ideen
konrmen immer aus Eng-
land. Bei dein heutigen
Stande der Berichterstatt-
ung ist einfach nicht mehr
festzustellen, ob ein Stück
einen bestrittenen Acht-
ungserfolg oder einen be-
strittenen Mißachtungser-
folg hatte. Man lasse
Autor oder Direktor mit
einem Vertreter des Pub-
likums raufen, dann wis-
sen die Zeitungen wenig-
stens, welches Resultat zu
berichten ist. Bruno
dem
gefiel
Zischte,
Oie Retter der Bulgaria
In Wetter und Roth
Stark, wie der Tod!
So hielten sie aus
Im Wogengebraus',
Richt bang, nicht müde durch Rächt und Tag
Bis das Fahrzeug sicher im Hafen lag!
Was wollt Ihr mit Euerem Beifallstofen,
Als wär's ein Wunder, was gefcheh'n?
Lin deutscher Mann ist der Kapitän,
Deutsch ist das Schiff, deutsch die Matrosen —
Daß die nicht wankten von ihrer Pflicht —
Wundert es Luch?
— mich wundert's nicht!
«SFxxjjrrtit
Der Menelik und feine Ballerine
Regus Menelilr hat die in Gesellschaft des Prinzen
Heinrich von Orleans nach Addis-Abeba gekommene
pariser Ballerine Fräulein Blanche des Lys zu seiner
Freundin erkoren und sie auch zum nicht geringen Aerger
seiner Gattin, der Königin Teitu, mit Aufmerksamkeiten und
Geschenken überhäuft, wie indeß egyptischen Blättern jetzt
aus Dschibuti geschrieben wird, ist Fräulein des Lys dort
unter großer abyffinischer Sscorte eingelroffen, um sich nach
Europa einzuschiffen. Line hochgestellte Persönlichkeit in Peters-
burg soll nämlich den Regus darauf aufmerksam gemacht
haben, daß er sich um seine ganze Reputation in Europa
bringen würde, falls er noch weiter feine legitime Gattin
wegen einer fremden Ballerine zurücksehen sollte.
Zwar grollt Tcitu, das legitime Weib,
Doch Mcnelik sagt seiner Ballerine,
Daß ihm in holder Minne Zeitvertreib
Die alte Teitu gänzlich Wurscht erschiene.
„Tanz' Du nur weiter!" sagt der Mcnelik
Und schaut sie an mit seelcnvollcm Blick.
Da plötzlich kommt, — so wie ein
Flammcnstreich
Aus blauem Himmel jählings niederpeasselt,
Aus höchsten Rrciscn aus dem Lzarcnreich
Ein Eilbrief mit der Post hcrangcralsclt.
Und wie der Mcnelik den Brief erbricht,
Steht kurz darin: „Laß ab, es schickt
sich nicht,
Daß dicscBlanchcdcsLpsDcinHerzumstrickt,
So, wie ein Büffelkalb umstrickt die Boa —
Plein, laß die „weiße Lilie" ungeknickt,
wir dulden keine Pompadour in Schoa.
was fällt Dir ein, Du sittenloser Mohr?
Bei uns im Norden kommt das auch nicht vor I"
Und schweren Herzens reicht er ihr den Brief:
„Mein Blick ist trüb — Du mußt cs
selber lesen!
pascholl nrcin Schatz! Der Abschied kränkt
mich rief —
Behüt Dich Gott, cs wär' so schön gewesen!
Hier einen Check für die gehabte Müh —
Der nächste Omnibus geht morgen früh!"
Der Tanz ist aus, die Bajadere geht,
Ihr Honorar sind fünfzchntauscnd Franken!
Und sinnend schickt die schwarze Majestät
Nach Norden noch viel schwärzere Gedanken:
„Ich gab' was drum," so seufzt er, „wenn
ich wüßt,
Ob man dort wirklich gar so sittsam ist?"
Bolicmund
Lustige Nachrichten
In gewissen Kreisen soll die Absicht be-
standen haben, Justus v. Liebig auch in
Heppenheim, wo er Apothekerlehrling war, ein
schlichtes Denkmal zu errichten. Das Zentrum,
allen voran Herr 9r.
Schädler, soll aber ent-
schieden abgerathen haben.
Eine gewisse, sehr gefähr-
liche Intelligenz sei Liebig
ja nicht zu bestreiten: ihm
aber noch mehr Denkmäler
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niger ein Anlaß vor, als
der von diesem Manne er-
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noch fortgesetzt zahllose
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den fordere und die dring-
end wünscheuswerthe Ver-
mehrung der gehörnten
Zweihufer hintanhalte.
Wenn man ihm in einer
Kctzcrstadt ein Denkmal
setzen wolle, so möchten
die Ketzer das mit sich ab-
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Konfessionen sich eben,
falls energisch gegen wei.
tere Liebig-Denkmäler er-
klärt, weil die Chemie das
einheimische Rind-
vieh entwerthe und
dieEinfuhrdesFleisch-
extrakts dem Unglau-
ben Vorschub leiste —
pardon! — eine Ver-
wechselung-umgekehrt
natürlich! Ja, wer kann
das auseinanderhalten?!