1899
JUGEND
Nr. 12
für sie Gott der Herr so gedemütlsigt hat? Der
Hatz, mit dem sie die schweren Schritte ihres
Gatten anhörte, erfüllte sie mit Bitterkeit, es
war ihr schwer zu Muthe, Sie schwieg und be-
mühte sich irgend ein schmähendes, beizendes
und giftiges Wort zu ersinnen, um es ihrem
Mann zu versetzen, und gleichzeitig sah sie ein,
dah man ihren Accise-Beamten mit gar keinem
Worte bessern könne. Was ist ihm ein Wort?
Eine hilflosere Lage hätte der ärgste Feind nicht
ausdenken können,
Jndeft aber schmetterte die Musik und die
feurigen Tanzweisen erfüllten das Dunkel,
&
€(in grün umranktes IJenster,
Oie Scheiben blind und blau,
Oen Blick auf stille ÖCCälder
Und grüne jSommerau.
Im Stübchen hingebreitet
Helllichter Sonnenschein,
€{in Tisch und drum zwei Stühle,
Und Ou und ich allein.
“Vom ©arten hinterm Hause
Oer Kinder Kärm und SP'eI
€(in Rubeln, wenn vom Baume
€(in halbreif Jlepflein fiel:
Oas ist die delt, die weite,
Oie ich mir treu behielt,
Orin sich ein Herz dem
andern
Stets wieder neu befiehlt
GCCilhelm I^olzamer
Rleine Sechen von Fritz Lennar
wein Mann
Ich schenke keinem Weib die Liebe,
Das nicht so groß als meine Liebe denkt.
Und keinem Gegner gönn' ich meine Hiebe,
Der mir nicht Gegenhiebe schenkt.
Auch laß' ich mir von keinem Freunde borgen,
was ich nicht wieder geben kann.
— Doch, wer mir heute pumpt und
stirbt bis morgen,
Der ist mein Mann!
Meinem Vetter Johannes,
als er sich wider den Willen feiner Litern in
„Hans" umtaufen lasten wollte
Äleib' Du „Johannes" nur, als braver
Sohn und Christ!
— Auch weil die Wäsche schon mit „I"
gezeichnet ist!
D3LK.68LkLKeN
Oben geht sie aus dem Hause,
Hestgezöpft von Schwesterhand —
CCnten, vor der ©artenthüre,
Kockert sie das dumme Band.
Steckt es in die Kleidertasche,
Ku dem Hest vom Taschengeld,
Schlenkert keck die Büchermappe:
Kleber ©ott, was kost’t die delt!
€{ine frische junge Hose
Vor der flachen Kinderbrust,
Schreitet sie, der herben Heize
Halb bewusst, halb unbewusst.
UCnd dann runzelt sie die Brauen:
GOCo der Gartenweg sich theilt,
Steht der alberne Tertianer
Mieder da, wie festgekeilt.
Schnippisch wandelt sie vorüber,
Unnachahmlich stolz und prüd’,
Mährend die fatale Hothe
Heiss in Ohr und Mangen glüht.
CCnd dann spottet sie des 'Jungen:
€(in „Tertianer!" — Kächerbar!
Klebt sie doch seit sieben Mochen
Bin wahrhaft’ger „Hef’rendar"!
Backfischzeit, du selig Jllter,
Blume unterm CUärzenschnee —
Mird mir warm und weich
im Herzen,
denn ich solch’ ein
Knöspchen seh’.
JInna fetter
Der Hof der Herrin
Walther Georgi (München)
JUGEND
Nr. 12
für sie Gott der Herr so gedemütlsigt hat? Der
Hatz, mit dem sie die schweren Schritte ihres
Gatten anhörte, erfüllte sie mit Bitterkeit, es
war ihr schwer zu Muthe, Sie schwieg und be-
mühte sich irgend ein schmähendes, beizendes
und giftiges Wort zu ersinnen, um es ihrem
Mann zu versetzen, und gleichzeitig sah sie ein,
dah man ihren Accise-Beamten mit gar keinem
Worte bessern könne. Was ist ihm ein Wort?
Eine hilflosere Lage hätte der ärgste Feind nicht
ausdenken können,
Jndeft aber schmetterte die Musik und die
feurigen Tanzweisen erfüllten das Dunkel,
&
€(in grün umranktes IJenster,
Oie Scheiben blind und blau,
Oen Blick auf stille ÖCCälder
Und grüne jSommerau.
Im Stübchen hingebreitet
Helllichter Sonnenschein,
€{in Tisch und drum zwei Stühle,
Und Ou und ich allein.
“Vom ©arten hinterm Hause
Oer Kinder Kärm und SP'eI
€(in Rubeln, wenn vom Baume
€(in halbreif Jlepflein fiel:
Oas ist die delt, die weite,
Oie ich mir treu behielt,
Orin sich ein Herz dem
andern
Stets wieder neu befiehlt
GCCilhelm I^olzamer
Rleine Sechen von Fritz Lennar
wein Mann
Ich schenke keinem Weib die Liebe,
Das nicht so groß als meine Liebe denkt.
Und keinem Gegner gönn' ich meine Hiebe,
Der mir nicht Gegenhiebe schenkt.
Auch laß' ich mir von keinem Freunde borgen,
was ich nicht wieder geben kann.
— Doch, wer mir heute pumpt und
stirbt bis morgen,
Der ist mein Mann!
Meinem Vetter Johannes,
als er sich wider den Willen feiner Litern in
„Hans" umtaufen lasten wollte
Äleib' Du „Johannes" nur, als braver
Sohn und Christ!
— Auch weil die Wäsche schon mit „I"
gezeichnet ist!
D3LK.68LkLKeN
Oben geht sie aus dem Hause,
Hestgezöpft von Schwesterhand —
CCnten, vor der ©artenthüre,
Kockert sie das dumme Band.
Steckt es in die Kleidertasche,
Ku dem Hest vom Taschengeld,
Schlenkert keck die Büchermappe:
Kleber ©ott, was kost’t die delt!
€{ine frische junge Hose
Vor der flachen Kinderbrust,
Schreitet sie, der herben Heize
Halb bewusst, halb unbewusst.
UCnd dann runzelt sie die Brauen:
GOCo der Gartenweg sich theilt,
Steht der alberne Tertianer
Mieder da, wie festgekeilt.
Schnippisch wandelt sie vorüber,
Unnachahmlich stolz und prüd’,
Mährend die fatale Hothe
Heiss in Ohr und Mangen glüht.
CCnd dann spottet sie des 'Jungen:
€(in „Tertianer!" — Kächerbar!
Klebt sie doch seit sieben Mochen
Bin wahrhaft’ger „Hef’rendar"!
Backfischzeit, du selig Jllter,
Blume unterm CUärzenschnee —
Mird mir warm und weich
im Herzen,
denn ich solch’ ein
Knöspchen seh’.
JInna fetter
Der Hof der Herrin
Walther Georgi (München)