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1899

J^J G E N D

Nr. 23

Adolar beschloß, von Stund an sich nie mehr zu verloben, und
es gelang ihm, auch seinen Stiefelknecht zu diesen, Entschluß zu
überreden. Dies war freilich nicht so einfach, denn derselbe hatte
die feste Absicht gehabt, sich am Pochzeitstage seines perrn mit einem
der Pantoffelfräulein zu verheiraten, welche er durch langjährigen,
freundschaftlichen Umgang kennen gelernt hatte. Da sie von einer
Dame, Adolars Schwester Kunigunde, gestickt und mit dem zartesten
Filz versohlt waren, so hatten sie in der Gesellschaft der Gegen-
stände unter dem Bett immer für seine Mädchen gegolten. Uebrigens
blieb dem Stiefelknecht in der Entsagung der Trost, daß er ja doch
nicht gewußt hätte, welches der beiden Fräuleins er wählen sollte,
denn er liebte sie beide ebenso gleichmäßig, als er alle Stiefel gleich-
mäßig haßte. Auch sagte er sich als richtiger Weltweiser: wozu
brauche ich eine Frau, da ich ja doch schon zwei pörner, zwei Füße
und einen Gedanken habe?

Er setzte also mit seinem pcrrn gemeinsam das ledige Leben
fort und äußerte seinen Schmerz nur in verstärktem Paß gegen das
Stiefelthum. So oft ihm einer aus dieser gewichsten Race zu nahe
kam, hackte er zu wie ein Krebs mit den Scheeren, oder ein pirsch-
käfer mit den Zangen und zerrte so lange, bis er den Stiefel vom
Fuß, auf dem er wuchs, losgerissen hatte; denn er glaubte, daß
dann der Stiefel sterben müsse, wie eine Pflanze, die man aus dem
Boden reißt.

Der Stiefelknecht hatte sich, trotzdem er bereits hochbctagt war,
doch seine geistige Frische so lange bewahrt, als noch die poffnung
auf ein ruhiges Lebensglück an der Seite einer der beiden Pantoffel-
schwefteru in ihm glimmte. Als aber diese süße poffnung aus-
geglommcn hatte, war er auf fein letztes Stündlein gefaßt. Die
gestickten Rosen auf den Wangen der beiden alten Pantoffelmädchen
verblichen auch mehr und mehr und perr Adolar wurde durch den
ewigen Aerger über das Dienstmädchen ganz heruntergebracht.
Dieses Dienstmädchen schob nämlich jeden Abend den Stiefelknecht
und die Pantoffel so weit unter das Bett, daß Adolar sie nur mit
Mühe und einem Spazierstock wieder hervorstochern konnte, und
stellte — o Bimmel! — das Töpfchen regelmäßig mit dem Benkel
nach hinten hin. Dieses Leiden seines armen Bcrrn jammerte den
Stiefelknecht bis zum Kuaren.

So war denn eine traurige Gesellschaft beisammen, für welche
der Tod seine Schrecken verloren hatte.

Adolar zog sich aus Aerger über das Dienstmädchen in seinem
55te„ Jahre ein Gallenfieber zu, welches ihn im pochsommer des
Lebens und ohne daß ein Flöckchen von, Schnee des Alters auf
seine perrücke gefallen wäre, zu seinen Vätern versammelte. Die
geknickten Pantoffelfräulein hatten eigentlich den Rest ihrer Tage
im Stift verbringen wollen, aber das entsetzliche Dienstmädchen be-
legte sie mit Beschlag, weil der perr vor dem Ersten gestorben
war, an welchem es ein Trinkgeld zu bekommen pflegte. Die übrige
pinterlaffcnschaft Adolars wurde verauktiouirt. Der Stiefelknecht
war der letzte Gegenstand, welcher ausgernfen wurde.

Da standen alle Bieter lachend auf und wollten nach Paule
gehen.

„Meine Berren, solch eine Gelegenheit, eine werthvolle Selten-
heit preiswürdig zu erwerben, bietet sich Ihnen nicht leicht zum
zweiten Male dar," rief der Auktionator. „Betrachten Sic diesen
Gegenstand genauer, meine Perren! Er hat zwei pörner, zwei
Füße und — wer weiß, ob er nicht auch einen Gedanken hat." —
Pahaha! hohoho! hehehe! lachten die Leute durcheinander, und
der Trödeljude aus dem Keller nebenan, welcher zu Zeiten etwas
daran wendete, rief: „Ein Pfennig für den Gedanken!"

„Pat ihn," sagte der Auktionator und schlug mit dem pammer
so heftig auf den Stiefelknecht, daß er einen Sprung bekam.

„Ru dank ich," sagte der Trödeljude und nahm ihn nicht
mehr. —

Da warfen sie den Stiefelknecht in die Ecke und er kam in die
Rumpelkammer und lag nun da unter dem verstaubten alten Ge-
rümpel, mit seinen zwei Börnern, zwei Füßen, einem Gedanken und
einen, Sprung.

„Ich bin ich!" — Ja, prosit Mahlzeit!

Seht ihr, Kinder, so kommt der großartigste Gedanke zu Zeiten
in die Rumpelkammer, der Jude nimmt ihn nicht geschenkt, und
die Leute lachen hinterdrein: hahaha! hehehe! hohoho!

„Mein lieber Graf, Sie begleiten mich wohl hernach? Ich muß zu Hohenplitzen's.«
— »Was ist denn da los?" — „Line Familienfestlichkeik, weil der Kleine Lpröß-
ling zum ersten Male Hurrah! Hurrah! geschrieen hat."
Register
Hermann Groeber (Gröber): Freudiges Ereigniß
 
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