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Nr. 25

IS*?«?

- JUGEND -

Vor zehn Jahren: „Die erste Radlerin in Sicht" Artur Halmi (München)

die Toiletten Abwesender zu sprechen und von
den Toiletten aus die Eigenthümlichkeiten be-
kannter Familien. Anna Böckh lernte nichts-Neues
aus dieser Unterhaltung. Die Charakterzüge, die
sich darin aussprachen, waren längst bekannt und
klassifizirt. Vielleicht hätte sie selbst ein anderes
Thema anschlagen sollen. Doch sie fürchtete, nicht
damit durchzudringen.

Bald erhob sie sich wieder und suchte die
Jugend aus. Die war hinter dem Hause, aus
dem Tennis-Platz versammelt und iniprovisirte
kleine Partien. Schon von weitem bemerkte
Fräulein Böckh ihre» Freund mitten unter den
Spielenden. Er schwang sein Racket mit großer
Geschicklichkeit. Kein Bail entging seinem Auge.
Der hohe, geschmeidige Körper wand und reckte
sich im leichten Wechsel der Linien wie bei den
Diskuswerfern der Antike. Wie? Sollte auch
das nur ein Mittel zum Studium sein? Anna
Böckh sah sich das Bild befremdet aus der Ferne
an. Es dünkte sie unwürdig. Gleichwohl konnte
sie sich dem Eindruck nicht entziehen, daß es in
gewissem Sinne ein wohlgefälliges Bild war.
— Ein Mann, der sich im Spiel bewegt! Was
weiter! — Und doch regte sich in ihr seltsamer-
weise eine Art Erinnerung an die Schwärmereien
ihres Backfisch-Alters. Sie hatte wenig Freude
und viel Enttäuschungen damit erlebt und war
deshalb schlecht auf sie zu sprechen. Am aller-
wenigsten wünschte sie in ihrem gegenwärtigen
Alter und gar noch ihrem geistes-verwandten
Freunde gegenüber davon belästigt zu werden.

Larisch bemerkte sie und rief ihr fröhlich zu:

„Immer heran, Fräulein Böckh. Spielen
ist gesund!"

Einige der Umstehenden lächelten verstohlen,
obgleich es Larisch ferne lag zu spotten.

Mit kühlem Danke lehnte sie ab.

Larisch ließ sich ablösen und übergab das
Racket seinem Ersatzmann. Dann trat er zu
dem jringen Mädchen, das er bereits bei Tische
ausgezeichnet hatte und redete, wie es schien, mit
allen niöglichen Scherzen aus sie ein. Das nied-
liche Gesichtel hing an seinen Worten, wurde
abwechselnd roth und blaß und leuchtete ivie
ein Spiegel großer Seligkeiten. Schließlich er-
griff Larisch die Hand der kleinen Dame und
begann daraus zu weissagen. Das war deutlich
zu erkennen; denn er zog mit seinem Finger die
Linien der schmalen, schimmernden Fläche nach.

,Welch ein Unsinn!' dachte Anna Böckh.
Sie wußte, daß er sich niemals mit Chiromantie
beschäftigt hatte.

Nein, es war geradezu ärgerlich, seinen
Thorheiten länger zuzusehen, mochte er sie nun
erklären, wie er wollte. —

Als es schließlich dämmerte, beschlossen die
jungen Leute „Begegnen" zu spielen, ein un-
endlich läppischer Zeitvertreib, welcher darin be-
stand, daß Herren und Damen paarweise sich
aus den vielfach verschlungenen Wegen des
Parkes ergingen, sich Blumen-Namen zulegten
und diese bei der Begegnung einander zum
Rathen aufgabeu, wonach die Paare wechselten.

Fräulein Böckh fand mit einem wahren
Heroismus den Willen zur Geselligkeit und er-
klärte , theilnehmen zu «vollen. Sofort hatten
sich alle zu Paaren gesunden. Dein überzählig
zurückgebliebenen Fräulein Böckh fiel die Auf-
gabe zu, mit Rathen einen Partner sich zu suchen.

Sie dachte: Mich gelüstet wahrhaftig nicht
darnach. Wenn's aber denn durchaus meine
Aufgabe ist, so will ich wenigstens Frank Larisch
haben.'

Ihr Freund ging neben seiner kleinen Dame
recht eilig vor ihr her. Und während Anna
Böckh noch überlegte, wie sie den Beiden wohl
am sichersten begegnen möchte, waren die auch
schon im Dunkel der entlegensten Bäume ver-
schwunden.

Sie hatte lange zu suchen und suchte endlich,
voll instinktiven Argwohns, auf leisen Sohlen.

Aus einer Bank, ganz versteckt unter den
Zweigen einer Linde, bemerkte Anna Böckh ihren
Freund und sah, starr vor Staunen und Em-
pörung, mte er das niedliche Gesichtel zwischen
seinen Händen hielt, und hörte, >vie er mit der
Stimme eines thörichten, übermüthigen Knaben
zu ihr sagte:

„Du Schäfchen, ich Hab' Dich lieb!"

„Wie kannst Du mich denn lieb haben, wenn
ich ein Schäfchen bin?" antwortete die Kleine,
ängstlich und doch überglücklich.

E. M. Lilien

Er lachte nur und küßte sie auf den Mund.
„Ach, ich tveiß wohl, daß du viel zu klug
für mich bist."

Da sprach er:

„Von Dir verlang' ich mehr als Klugheit,
Liebste!" Und lachte wieder und küßte sie wieder
tutb wieder auf den Mund.

Fräulein Böckh aber ging verstohlen, wie
sie gekommen war, davon und dachte bei sich,
halb Entrüstung, halb Resignation:

,Das verstehe ich einfach nicht!'

Epigramme

von Larl Emil Franzos

Glück

„Der Dumme hat Glück!" — O frevelt nicht!
Das Glück ist zitternd lNondcnlicht,
tvic ein Traum so zart wie die lbilie rein —
Der Dumme hat Schwein!

Entschuldigung

„Ich sagt' ihm, daß ich nicht glauben kann,
Da wurde strohgrob der fromme Mann!"
„Und würdest Du nicht minder derb,

Griff Einer Dir an Deinen Erwerb?!"

Eirerarisches

Ich liebe die Alten, wie die Iungen,

Ich liebe Icdcn, dem was gelungen;

Doch der Alte, der sich alsIungcr schminkt —
pfui, wie mir der Rcrl in die Vtasc st—eigt!

CVfü/3

HcremssuiniS kommt!

Als Serenissimus einst in Begleitung seines
Adjutanten v. Aindermann eine kleine Prome-
nade vor die Stadt machte, wurde er von einein
großen Bunde angebcllt. Serenissimus, der in
solchen Fällen etwas weltscheuer Natur zu wer-
den pflegt, suchte sich hinter seinem Begleiter
zu bergen. Der Adjutant bemühte sich ihn zu
beruhigen: „Serenissimus wissen ja, die großen
Hunde, welche bellen, beißen nicht!"

„Gewiß weiß ich es,-aber, — Ainder-

mau», — aber ob es der große Hund weiß!?"

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[nicht signierter Beitrag]: Serenissimus kommt!
Ephraim Moses Lilien: Vignette
Karl Emil Franzos: Epigramme
Arthur Lajos Halmi: Vor zehn Jahren: "Die erste Radlerin in Sicht"
 
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