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Nr. 25

JUGEND

1899

Unreines Handwerk

Im niederösterreichischen Landtag nannte
Fürst Karl Auersperg die Presse im All-
gemeinen ein „unreines Handwerk", hielt
ihr ein großes Sündenregister von „Lügen,
Unwahrheiten und unreinen Angriffen" vor,
und behauptete endlich, der Zustand der
Presse im Allgemeinen bilde eine
„Schmach des Jahrhunderts".

Unreinem Handwerk dient von Euch ein Jeder!
Bedenkt es wohl, Ihr Ritter von der Jeder,

Die Ihr für Tag- und Wochenblätter schreibt!
Ihr glaubt dem Volk zu dienen und deni Lande
Und seid in Wahrheit des Jahrhunderts

Schande —

Nun wißt Ihr, was Ihr für Uantirung treibt!

Hängt an den Nagel Euer trist' Gewerbe,

Seh Jeder, daß er ein Milliönchen erbe —

Das schändet nicht und nährt ihn doch gewiß!
Lernt Schulden machen, übt das Wechselreiten,
Und kommt ihr später in Verlegenheiten,
Verschanzt Euch hinter ein Iideikommiß!

Manch andres reine Handwerk trägt noch Rosen:
Spielt Baccarat ii» „Klub der Ahnungslosen"—
Es kann auch „meine — deine Tante" sein!

Lernt ans dem schwanken Seil der Hofgunst tanzen
Und Trinkgeld sammeln — denn das Brod der

Schranzen,

Es schmeckt so lieblich und es ist so rein!

Auch auf dem Tnrfe gibts Gewinn für Jeden —
Jockeys, die lassen öfter mit sich reden —

Und auch im Roßtausch fällt was ab beim Sport!
Und Andre legten ihrer Väter Namen
Mit viel Geschick in Aktien an und kamen
Dann als verwaltnngsräthe reinlich fort.

wen Konnexionen in die Höhe schwingen,

Der kann es selbst als Staatsmann zu was bringen,
Auch wenn er just kein großes lumsn ist! —

Auf all' die Arten läßt sich was erwerben —

Man braucht nicht gleich moralisch zu verderben
Sich und die Mitwelt d'runi als Journalist! —

Doch weg den Scherz! Mich dünkt, ich Hab' gelesen,
Es fei einmal ein Auersperg gewesen,

Der Hab' die Feder kühn geführt und treu,

Der half das Dunkel aus dein Lande treiben —
Man sieht, die Angst vor Lesen und vor Schreiben
Im Hause Auersperg ist ziemlich neu.

Die Angst, Herr Fürst, die müßt auch Ihr besiegen:
Es sind so dunkle Wolken aufgestiegen
Um Desterreich, so dunkel und so dicht!

Und finstre, böse Zeiten seh' ich dräuen,
wo Manche wohl, die heut das Helle scheuen,
Recht dankbar sind für jeden Schimmer Licht!

AnaKtaMius

Wenn Du mit solcher Peinlichkeit,

D Auersperg, erpicht bist

Auf Sauberkeit und Reinlichkeit —

Steig' hin, wo Du jetzt nicht bist!

Gewiß, die Wiener Presse zeigt
Uns manches Ungeziefer, —

Doch wenn man aus dem Landtag steigt,
Steigt man gewiß — nicht tiefer!

Loki

L

Um den Vorwurf zu entkräften, daß sie
Kriege frivoler Weise vom Zaune brächen, imd
um ihre Friedensliebe zu dokumentieren, sollen
die Amerikaner beabsichtigen, ihre Meinungs-
verschiedenheiten mit den Filipinos einem
Schiedsgericht zu unterbreiten.

Der neue plutarch

Gsterhazy wurde von einem Bekannten
gefragt, ob er denn nicht fürchte, daß cs ihm
doch einmal an den Kragen gehen könne.

„Ach was!" rief er lachend, „ein richtiger
Regen und ein richtiger Lump konunen
überall durch!"

Das Lentrum hat bekanntlich nach seiner
eigenen Versicherung das bauernfreundlichstc
Herz von allen Parteien, und das hat auch
eine seiner ersten Größen, vr. wort-
schwaller, wieder kürzlich in einer großen
Rede bewiesen, die er mir den Worten schloß:

„Ja, wir sind nicht minder besorgt für
das Wohl der Bauern als jener Heinrich I V.
von Frankreich, und so sage auch ich: „Bei
uns soll jeder Bauer bei der Wahl seinen
Lenrrumszettel in der Tasche haben."

Döroulbde protestiere gegen seine Frei-
sprechung. Er bekenne sich schuldig und
verlange, wie jeder andere Bürger nach
Recht und Gesetz abgcurthcilt zu werden.

„Ihresgleichen," schmunzelte der Vor-
sitzende, „steht ein eigenes Recht zur Seite
— das Vlarrenrcchtl"

Ein Hofschranze sagte einst zum Kaiser
wilhelnr I.: „Die Anmaaßung Bismarcks,
der seine Erfolge ja doch nur seinem un-
erhörten Glück verdankt, findet man nach-
gerade unleidlich. Ich selbst, der ich von
viel höherem 2ldcl bin, behandle ihn des-
halb nur mehr so von oben herab. Ew.
Majestät sollten ihm gegenüber auch mehr
Höchftdcro würde hervorrretcn lassen und
nicht mehr so viele Umstände mit ihm
machen."

Der Kaiser erwiderte:

„l)uock licet dovi, non licet Jovi!“

(Zeichnungen von A. Schmidhammet)

406

Der falsche Nepomuk

Dem ptagee Blatte „Katolickä Listy“ wird
geschrieben: „Schon vot Iahten habe ich auf
den Unfug hingezeigt, det von einigen litho-
graphischen Anstalten in Prag und anderwärts
getrieben wird, indem sie Heiligenbildchen mit
den Porträts lebender Juden und Jüdinnen in
den Handel bringen. Run berichtet darüber
neueftens ein Mitarbeiter des „Cesky Kray,“
daß er in SchichowiY einen Hausirer mit Heiligen-
bildchen traf, auf denen der Lorrespondent die
vom Heiligenschein umgebenen Gesichter von et-
wa zwölf ihm bekannten Juden und Jüdinnen
endeckte, darunter die Physiognomie eines jüd-
ischen Fabrikanten in Strakoniy....

Die Welt ist jetzt sehr unsolid,

Der Schwindel blüht, wohin man sieht.

Man fälscht gewissenlos die waare,

Man fälscht die Zähne, fälscht die Haare,
Man fälscht den wein, man fälscht den Schmuck
Man fälscht sogar den Vlcpomuk,
wie uns ein frommes Tschcchciiblart
Unlängst voll Zorn berichtet har.

In Schichowltz ein altes Weib

war schon verdorrt an Seel' und Leib.

2lchr Jahre sind's beiläufig jcyr,

Seit immer sie drei Vlummcrn setzt
Voll Hoffnung in die Lotterie,

Doch diese Nummern kommen nie,

Obgleich das Weib stets im Gebet
Zum Nepomuk inbrünstig fleht,

Daß endlich er doch gnadenvoll
Das „Tsrno“ kommen lassen soll.

Und vor der Ziehung allemal
Bedeckt mit Küssen ohne Zahl
Das Bild sic dieses Gortcsmannes,

Den buntpapicrcne» Johannes.

Umsonst! Verlorene Liebesmüh!

Denn die drei Nummern kommen nie.

Das alte Weib erkennt mit Schrecken:

Da muß etwas dahinter stecken!

Und richtig! Einst bemerkt' ihr Vetter
Das Bild und rief: „Ei Donnerwetter,

Das ist ja gar kein Nepomuk,

Und wenn ich ihn genau beguck',

So ist das — Himmel, Hagel, Blitz! —

Der Moses Rohn aus Strakoniy!" —

Jetzt freilich wird cs sonnenklar,
was früher unbegreiflich war.

Da — freilich! — kann kein Bereu frommen,
Da kann ein Terno niemals kommen!

Bohernund

£

Aunstnachrichten

In Hamburg wurde kürzlich wieder ein
herrliches Schiff vom Stapel gelassen. Bei
der Taufe sprach eine junge Dame u. a. die
folgenden Verse:

Du stolzes Denkmal deutschen Unternehmungs-
geistes!

Du vornehm Zeichen deutschen Könnens,

deutschen Fleißes!
Du mächtig Schiff! Versammelt sind wir hier,
lim einen Namen heut' Dir zu verleih'n
Und so, als jüngste Kraft, Dich einer stolzen Flotte
Würdig einzureih'n.

Welch' eine Fülle von Empfindung macht die
Brust uns schwellen
Bei Deinem Anblick, Schwester jener „Ruhm-
gekrönten auf den Wellen",
„Bulgaria's", die dort ausrnht noch von furcht-
bar heißem Streit,
Da Sturm und Fluth gepeitschet hat ihr fest
gepanzert Kleid.

Sie hat gezeigt, wie deutsche Schiffsbaukunst und
Pflichtbewnßtsein und ein kraftvoll Ringen —
Index
Bohemund: Der falsche Nepomuk
Anastasius: Unreines Handwerk
[nicht signierter Beitrag]: Kunstnachrichten
Loki: Unreines Handwerk
[nicht signierter Beitrag]: Um den Vorwurf zu entkräften...
Arpad Schmidhammer: Kleine Zeichnungen zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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