JUGEND
Nr. 25
1899
Aus schwerstem Kampf mit
tobenden Gewalten
Die Siegespalmc wußte zu er-
ringen.
Von neuem hat sie das Vertrauen
uns befestigt.
Wozu uns deutsches Können,
deutsche Mannszucht
Voll berechtigt.
Daß zu einem Produkt der deut-
schen Schiffsbaukunst auch ein Pro-
dukt der deutschen Versbaukunst,
zum Mindesten aber ein paar Worte
von einem Meister des deutschen
Worts gehören, dafür hat der Deut-
sche leider noch immer kein Verständ-
niß. Oder er fürchtet die Kosten.
Allerdings haben Verse dieser
Art auch ihr Gutes. Die Besatzung
des Schiffes war bei der Taufe zu-
gegen und rief nach Anhörung dieser
Verse muthvoll blitzenden Auges:
„Jetzt fürchten wir nichts mehr!"
Der Berliner Intendant der Kgl.
Schauspiele, Herr Graf Bolko v.
Hochberg, hat an Christine
Hebbel Folgendes geschrieben:
„Hochverehrte Frau! Durch llcber-
sendung der schönen Photographie
Friedrich Hebbels haben Sie mir,
hochverehrte Frau, eine sehr große
Freude bereitet. Ich kann ohne
Ueberhebung sagen, daß sie einem
Würdigen zu Theil geworden ist,
insofern es wohl Niemand gibt,
der in der Bewunderung des gro-
ßen Dichters und in dem Wunsch
übertrosfen werden kann, seinen
herrlichen, kraftvollen und einzig
dastehenden Werken wenigstens in
der Gegenwart und, wie ich über-
zeugt bin, auch in der Zukunft die-
jenige Stelle erobern zu Helsen, die
ihnen bei des Dichters Lebzeiten
leider zum Theil versagt blieb."
Hätte doch Hebbel noch die Zeiten
Bolko's von Hochberg erlebt! Dann
märe er Zeuge gewesen, daß z. B.
während der letzten Saison des Kgl.
Schauspielhauses an erster Stelle
marschirten: Blumenthal und Kadel-
burg, an zweiter: Laufs, an dritter:
I'Arronge, und daß die Dichter dann
noch lange nicht kamen.
£
Die Zeitungen melden, daß der
Thronfolger von Coburg-Gotha, der
Herzog von Connaught, und sein
Sohn, Prinz Arthur, beschlossen
haben, in England zu bleiben und
die Thronfolge auf den Herzog von
Albany zu übertragen.
Nach eingezogcnen Erkundigung-
en können wir dem noch beifügen,
daß auch der Herzog von Albany
Verzicht geleistet hat zu Gunsten des
Bruders seiner ehemaligen Amme,
worauf dieser seine Rechte auf seinen
Oheim, einen verdienten ausge-
dienten Jockey des englischen Königs-
hauses, übertrug, um diesem auf
deutsche Kosten einen sorgenfreien
Lebensabend zu verschaffen.
Mcrrchand in Paris!
Ganz Frankreich schreit nach einen: großen Mann —
Fast fühl' ich was wie Mitleid mich beschleichen:
Dies arme Land! (Es ist zum Steinerweichen,
N)ie oft ihm schon der schöne Traun: zerrann!
„Tr braucht den: Täsar, braucht den: Tan:erlan
Und braucht den: bösen Bismarck nicht zu gleichen;
Wenn er nur niemals wegen Gaunerstreichen
Im Bagno saß und — Reden halten kann!"
Der Ruf verhallt! Zum nationalen Melden —
So fchön die Stellung — will sich Reiner melden . . .
Doch halt: „Rehrt eben Marchand nicht zurück?
Tr hat gekäinpft — und that er's ohne Glück,
Mas thut's? — Ihn soll der kseldenpurpur kleiden!" —-
Wie macht die Eitelkeit dies Bolk bescheiden!
Itol)
Lin schönes Fest
Vor kurzem fand in Schlcithcim i/Schweiz die „Einweih-
ung der ersten Iungvichweide mir neuem Ruhstall " statt.
Nach dem „Schafshauser Tagblatt" lautete das Programm wörtlich folgen-
dermaßen: „Donnerstag Morgen II—12 Uhr: Ankunft der Rinder
in Schlcitheim und Aufnahme nebst thierärztlicher Unter-
suchung. 12 Uhr: Gemeinsames Mittagessen der Festtheil-
nehmer im Gasthof ,zur Post'. h-2Uhr: Abfahrt sämmtlicher
Rinder vom Gasthof ,zur Post' durch Schleithcin: auf die Weide in
Begleitung von Musik und Gesang. 2 Uhr: Bezug der neuen
Stallung. 3 Uhr: Festreden des Verbandspräsidenten und
Landschaftsdirektors nebst gemüthlicher Unterhaltung."
Es freut uns, unseren Lesern durch die nachfolgenden Zeichnungen
eines Spezial-Berichterstatters ein Bild vom Verlauf der erhebenden
Feier geben zu können.
Empfang der Fcstrheilnehmer am Bahnhof
Keller-fest, Italienische Nacht, Schmollis
Lin deutscher Historiker
Mehr und mehr richten sich die
Blicke der Gelehrtenwelt und des ge-
bildeten Publikums auf einen Mann,
auf den erst vor Kurzem ein Ar-
tikel des Panslavisten Komarow
im Petersburger „Sswet" die
allgemeine Aufmerksamkeit des deut-
schen Volkes lenken sollte. Wirmeinei:
den deutschen Historiker Or. jur. Sigl.
Es inöge uns gestattet sein, über den
Lebenslauf dieses seltenen Forschers
einige kurze Notizen beizubringen.
Joh. B. S i g l wurde am 28. März
1839 zu Berlin geboren und besuchte
das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium
daselbst. Nach Absolvierung dieser
Anstalt bezog er die Universitäten
Greifswald in Pommern und Ro-
stock in Mecklenburg, uni Jura zu
studieren, habilitierte sich dann als
Privatdozent der Geschichte an
der Universität Königsberg, erhielt
für seine „Deutsche Geschichte im
19. Jahrhundert" den Verdun-
Preis und wurde 1862 der Nach-
folger Sybels (bekannt aus
Goethes „Faust") in München.
Hier wirkte er uitablüssig zu Gunsten
Preußens und schrieb eine Unmenge
zusammen, z. B. das Deutsche Reich,
das nicht Kaiser Wilhelm I., sondern
einzig und allein dem 9r. jur. Sigl
seine Einigung verdanken soll. Er
dürfte bei nächster Gelegenheit nach
Berlin berufen und zum Historio-
graphen des preußischen Staates er-
nannt werden. Joh. Sigl verfaßte
u. a. eine „Geschichte der Päpste
im 16. und 17. Jahrhundert";
ferner „Neun Bücher preuß-
ischer Geschichte"; ferner die von
eingehendster Sachkenntniß zeugen-
den Werke: „Was unterscheidet
den Preußen vom Menschen?"
(5 Bände), „Wie schmeckt der
Preuße?" (13 Bände) und „die
wirthschaftliche Bedeutung
Preußens für unser .Vater-
land"'. Sigl ist auch der Verfasser
des Liedes: „Ich bin ein Preuße,
kennt ihr meine Farben?"
Die Schriften Sigls zeichnen sich
ohne Ausnahme aus durch eine bei-
spiellose Unbefangenheit und
Tapferkeit des Urtheils, glüh-
enden preußischen Patriotis-
mus, Erdgeruch, tägliches
Quellenstudium, durch eine ob-
jektive Saftigkeit sonderglei-
chen, eine geradezu knotige
Gelehrsamkeit und ein unfehl-
bares Verständniß für die nie-
drigen Volksschichten. Mit vol-
lem Recht wird er als Historiker in
Rußland geschätzt; denn er hat wirk-
lich schon allerlei Geschichten ge-
macht und ist ein richtiger Kotzebuc.
Basileus
Klassischer Beweis
für die Unschuld des Dreyfus:
„... neque te... cortina fefelli:.“
__Und Dich har der Dreifuß
nicht bcrrogcn." (Vergil-AeneisVI.347.)
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Aus schwerstem Kampf mit
tobenden Gewalten
Die Siegespalmc wußte zu er-
ringen.
Von neuem hat sie das Vertrauen
uns befestigt.
Wozu uns deutsches Können,
deutsche Mannszucht
Voll berechtigt.
Daß zu einem Produkt der deut-
schen Schiffsbaukunst auch ein Pro-
dukt der deutschen Versbaukunst,
zum Mindesten aber ein paar Worte
von einem Meister des deutschen
Worts gehören, dafür hat der Deut-
sche leider noch immer kein Verständ-
niß. Oder er fürchtet die Kosten.
Allerdings haben Verse dieser
Art auch ihr Gutes. Die Besatzung
des Schiffes war bei der Taufe zu-
gegen und rief nach Anhörung dieser
Verse muthvoll blitzenden Auges:
„Jetzt fürchten wir nichts mehr!"
Der Berliner Intendant der Kgl.
Schauspiele, Herr Graf Bolko v.
Hochberg, hat an Christine
Hebbel Folgendes geschrieben:
„Hochverehrte Frau! Durch llcber-
sendung der schönen Photographie
Friedrich Hebbels haben Sie mir,
hochverehrte Frau, eine sehr große
Freude bereitet. Ich kann ohne
Ueberhebung sagen, daß sie einem
Würdigen zu Theil geworden ist,
insofern es wohl Niemand gibt,
der in der Bewunderung des gro-
ßen Dichters und in dem Wunsch
übertrosfen werden kann, seinen
herrlichen, kraftvollen und einzig
dastehenden Werken wenigstens in
der Gegenwart und, wie ich über-
zeugt bin, auch in der Zukunft die-
jenige Stelle erobern zu Helsen, die
ihnen bei des Dichters Lebzeiten
leider zum Theil versagt blieb."
Hätte doch Hebbel noch die Zeiten
Bolko's von Hochberg erlebt! Dann
märe er Zeuge gewesen, daß z. B.
während der letzten Saison des Kgl.
Schauspielhauses an erster Stelle
marschirten: Blumenthal und Kadel-
burg, an zweiter: Laufs, an dritter:
I'Arronge, und daß die Dichter dann
noch lange nicht kamen.
£
Die Zeitungen melden, daß der
Thronfolger von Coburg-Gotha, der
Herzog von Connaught, und sein
Sohn, Prinz Arthur, beschlossen
haben, in England zu bleiben und
die Thronfolge auf den Herzog von
Albany zu übertragen.
Nach eingezogcnen Erkundigung-
en können wir dem noch beifügen,
daß auch der Herzog von Albany
Verzicht geleistet hat zu Gunsten des
Bruders seiner ehemaligen Amme,
worauf dieser seine Rechte auf seinen
Oheim, einen verdienten ausge-
dienten Jockey des englischen Königs-
hauses, übertrug, um diesem auf
deutsche Kosten einen sorgenfreien
Lebensabend zu verschaffen.
Mcrrchand in Paris!
Ganz Frankreich schreit nach einen: großen Mann —
Fast fühl' ich was wie Mitleid mich beschleichen:
Dies arme Land! (Es ist zum Steinerweichen,
N)ie oft ihm schon der schöne Traun: zerrann!
„Tr braucht den: Täsar, braucht den: Tan:erlan
Und braucht den: bösen Bismarck nicht zu gleichen;
Wenn er nur niemals wegen Gaunerstreichen
Im Bagno saß und — Reden halten kann!"
Der Ruf verhallt! Zum nationalen Melden —
So fchön die Stellung — will sich Reiner melden . . .
Doch halt: „Rehrt eben Marchand nicht zurück?
Tr hat gekäinpft — und that er's ohne Glück,
Mas thut's? — Ihn soll der kseldenpurpur kleiden!" —-
Wie macht die Eitelkeit dies Bolk bescheiden!
Itol)
Lin schönes Fest
Vor kurzem fand in Schlcithcim i/Schweiz die „Einweih-
ung der ersten Iungvichweide mir neuem Ruhstall " statt.
Nach dem „Schafshauser Tagblatt" lautete das Programm wörtlich folgen-
dermaßen: „Donnerstag Morgen II—12 Uhr: Ankunft der Rinder
in Schlcitheim und Aufnahme nebst thierärztlicher Unter-
suchung. 12 Uhr: Gemeinsames Mittagessen der Festtheil-
nehmer im Gasthof ,zur Post'. h-2Uhr: Abfahrt sämmtlicher
Rinder vom Gasthof ,zur Post' durch Schleithcin: auf die Weide in
Begleitung von Musik und Gesang. 2 Uhr: Bezug der neuen
Stallung. 3 Uhr: Festreden des Verbandspräsidenten und
Landschaftsdirektors nebst gemüthlicher Unterhaltung."
Es freut uns, unseren Lesern durch die nachfolgenden Zeichnungen
eines Spezial-Berichterstatters ein Bild vom Verlauf der erhebenden
Feier geben zu können.
Empfang der Fcstrheilnehmer am Bahnhof
Keller-fest, Italienische Nacht, Schmollis
Lin deutscher Historiker
Mehr und mehr richten sich die
Blicke der Gelehrtenwelt und des ge-
bildeten Publikums auf einen Mann,
auf den erst vor Kurzem ein Ar-
tikel des Panslavisten Komarow
im Petersburger „Sswet" die
allgemeine Aufmerksamkeit des deut-
schen Volkes lenken sollte. Wirmeinei:
den deutschen Historiker Or. jur. Sigl.
Es inöge uns gestattet sein, über den
Lebenslauf dieses seltenen Forschers
einige kurze Notizen beizubringen.
Joh. B. S i g l wurde am 28. März
1839 zu Berlin geboren und besuchte
das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium
daselbst. Nach Absolvierung dieser
Anstalt bezog er die Universitäten
Greifswald in Pommern und Ro-
stock in Mecklenburg, uni Jura zu
studieren, habilitierte sich dann als
Privatdozent der Geschichte an
der Universität Königsberg, erhielt
für seine „Deutsche Geschichte im
19. Jahrhundert" den Verdun-
Preis und wurde 1862 der Nach-
folger Sybels (bekannt aus
Goethes „Faust") in München.
Hier wirkte er uitablüssig zu Gunsten
Preußens und schrieb eine Unmenge
zusammen, z. B. das Deutsche Reich,
das nicht Kaiser Wilhelm I., sondern
einzig und allein dem 9r. jur. Sigl
seine Einigung verdanken soll. Er
dürfte bei nächster Gelegenheit nach
Berlin berufen und zum Historio-
graphen des preußischen Staates er-
nannt werden. Joh. Sigl verfaßte
u. a. eine „Geschichte der Päpste
im 16. und 17. Jahrhundert";
ferner „Neun Bücher preuß-
ischer Geschichte"; ferner die von
eingehendster Sachkenntniß zeugen-
den Werke: „Was unterscheidet
den Preußen vom Menschen?"
(5 Bände), „Wie schmeckt der
Preuße?" (13 Bände) und „die
wirthschaftliche Bedeutung
Preußens für unser .Vater-
land"'. Sigl ist auch der Verfasser
des Liedes: „Ich bin ein Preuße,
kennt ihr meine Farben?"
Die Schriften Sigls zeichnen sich
ohne Ausnahme aus durch eine bei-
spiellose Unbefangenheit und
Tapferkeit des Urtheils, glüh-
enden preußischen Patriotis-
mus, Erdgeruch, tägliches
Quellenstudium, durch eine ob-
jektive Saftigkeit sonderglei-
chen, eine geradezu knotige
Gelehrsamkeit und ein unfehl-
bares Verständniß für die nie-
drigen Volksschichten. Mit vol-
lem Recht wird er als Historiker in
Rußland geschätzt; denn er hat wirk-
lich schon allerlei Geschichten ge-
macht und ist ein richtiger Kotzebuc.
Basileus
Klassischer Beweis
für die Unschuld des Dreyfus:
„... neque te... cortina fefelli:.“
__Und Dich har der Dreifuß
nicht bcrrogcn." (Vergil-AeneisVI.347.)
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