Nr. 26
• JUGEND
1899
Hans Rossmann
(Klrnn’a plmrölrrl hlüaht unö örr fiudiujrr lchrrik,
ffilrnn ö'lßrrglpitj'n glüaht, lchallt örr IJurijrjrr rorit.
(HHrnn’a Lüchlrrl Kracht, na’ hallt ’a im Grwänö —
fluauiarta guat »lacht, hrut hamer Sunnaiurnöl
Morgendank
And immer scheint die Sonne neu
And immer Heilig schön,
And scheint onfBett und Angesicht
Dem Traumerwachenden.
Und war es auch ein Guälendcs,
Was mich zur Nacht bedrückt,
Nor ihrem klaren Leuchten flicht
Es all in Freude hin.
And ist nicht jeder Morgen mir
Lin neu und groß Geschenk,
Nach Lchlaf und Traum ein neues
»Sei
And Werde!" das mich weckt?
And regt es sich wie Flügel nicht
And jauchzend in der Brust,
Thnt der erwael>ten Seele weit
Das Morgenthor sich aus?
Da glanzt das höchste Ziel im Licht
Des Sieges auf mich her,
And jeder Flügelschlag hinattf
Gibt neuen Muth und Lraft!
Gustav Falke j
&
Gedanken
Von Otto Ernst
Es gibt Kränkungen, die so
fein und so tief sind, wie jene
feinen und tiefen Stichwunden,
die man anfangs nicht merkt und
die erst, lange nachdem man den
Srosi erhielt, schmerzen und tödtcn.
2luch darin gcht's mit den Gci-
steskindern wie mit leiblichen: Das
jüngste ist immer „das beste."
Vver so die Eebensschicksale von
Schulkameraden und sonstigen
Weggenossen beobachtet, der er-
kennt bald, daß Dummheit kein
Hinderniß für's Fortkommen ist.
Der Dumme muß nur noch einen
Dümmeren finden, und den findet
er immer.
Für einen gesunden Schlaf ist
ein wohl ausgcfülltcs Risten nicht
so wichtig, wie ein wohl aus-
gefüllter Tag. I
Mitten in der Mett
Line Dorsommerstimmung
von Itarl Lrik Fovßlund
Es ist Abend.
Der Pimmel wölbt sich hoch und
weich gerundet wie eine halbkugel
ans blauem durchsichtigem Glas.
Die Basis der palbkugel ist die
Erde. Die liegt glatt, eben, zirkel-
rund da — Wiesen und Aecker, Aecker
und wiesen, so weit das Auge reicht.
Nur Ebene ohne die mindeste Erhöh-
ung. Bis hinaus zmii porizont,
dessen ganze Peripherie von einem
niedrigen, ebenen Waldkranz gebil-
det wird.
Mitten im Mittelpunkt dieser
Basis und dieser palbkugel liegt
ein hoher pügel. Ich sitze hoch oben
auf seinem Gipfel, auf einenStein
zusammengekauert. Ich brauche nur
den Aopf zu drehen, um mit dem
Blicke Bimmel und Erde zu um-
fassen , um mit einem Aufschauen
das 2211 zu umarmen.
Der Bimmel ist klar und unend-
lich, ohne eine Wolke auf weite
Strecken um den Zcnith. Aber unten
gegen den porizont zu umdüstert
er sich, lieber dem Waldkranz steht
ein anderer Kranz von grauen dichten
Wolken. Es ist, als wären sic da,
um den Uebcrgang von der festen
schweren Erde zur Luft zu vermitteln,
die leicht ist wie nur ein Gedanke.
Ich brauche bloß den Aopf zu
wenden, um das All zu umarmen.
— Sonne und Pimmel, Mond und
Erde. Der Sonriennntergang flammt
roth vom Westen 3am Norden —
ein warmes, hellrotstes Band zwi-
schen den Waldkonturen und den
grauen Wolken. Der Mond steigt im
Süden empor, gegen das Blau blin-
kend.
lieber die runde Kante des Waldes
erhebt sich nur hier und dort ein
spitziger Kirchthurm — sie sind kleine
Meilensteine auf dem Wege, den
mein Auge rings um die porizont-
linie zurücklegt. Innerhalb dersel-
ben breiten sich die Felder in schwin-
delnden weiten aus. Sie schimmern
412
I
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1899
Hans Rossmann
(Klrnn’a plmrölrrl hlüaht unö örr fiudiujrr lchrrik,
ffilrnn ö'lßrrglpitj'n glüaht, lchallt örr IJurijrjrr rorit.
(HHrnn’a Lüchlrrl Kracht, na’ hallt ’a im Grwänö —
fluauiarta guat »lacht, hrut hamer Sunnaiurnöl
Morgendank
And immer scheint die Sonne neu
And immer Heilig schön,
And scheint onfBett und Angesicht
Dem Traumerwachenden.
Und war es auch ein Guälendcs,
Was mich zur Nacht bedrückt,
Nor ihrem klaren Leuchten flicht
Es all in Freude hin.
And ist nicht jeder Morgen mir
Lin neu und groß Geschenk,
Nach Lchlaf und Traum ein neues
»Sei
And Werde!" das mich weckt?
And regt es sich wie Flügel nicht
And jauchzend in der Brust,
Thnt der erwael>ten Seele weit
Das Morgenthor sich aus?
Da glanzt das höchste Ziel im Licht
Des Sieges auf mich her,
And jeder Flügelschlag hinattf
Gibt neuen Muth und Lraft!
Gustav Falke j
&
Gedanken
Von Otto Ernst
Es gibt Kränkungen, die so
fein und so tief sind, wie jene
feinen und tiefen Stichwunden,
die man anfangs nicht merkt und
die erst, lange nachdem man den
Srosi erhielt, schmerzen und tödtcn.
2luch darin gcht's mit den Gci-
steskindern wie mit leiblichen: Das
jüngste ist immer „das beste."
Vver so die Eebensschicksale von
Schulkameraden und sonstigen
Weggenossen beobachtet, der er-
kennt bald, daß Dummheit kein
Hinderniß für's Fortkommen ist.
Der Dumme muß nur noch einen
Dümmeren finden, und den findet
er immer.
Für einen gesunden Schlaf ist
ein wohl ausgcfülltcs Risten nicht
so wichtig, wie ein wohl aus-
gefüllter Tag. I
Mitten in der Mett
Line Dorsommerstimmung
von Itarl Lrik Fovßlund
Es ist Abend.
Der Pimmel wölbt sich hoch und
weich gerundet wie eine halbkugel
ans blauem durchsichtigem Glas.
Die Basis der palbkugel ist die
Erde. Die liegt glatt, eben, zirkel-
rund da — Wiesen und Aecker, Aecker
und wiesen, so weit das Auge reicht.
Nur Ebene ohne die mindeste Erhöh-
ung. Bis hinaus zmii porizont,
dessen ganze Peripherie von einem
niedrigen, ebenen Waldkranz gebil-
det wird.
Mitten im Mittelpunkt dieser
Basis und dieser palbkugel liegt
ein hoher pügel. Ich sitze hoch oben
auf seinem Gipfel, auf einenStein
zusammengekauert. Ich brauche nur
den Aopf zu drehen, um mit dem
Blicke Bimmel und Erde zu um-
fassen , um mit einem Aufschauen
das 2211 zu umarmen.
Der Bimmel ist klar und unend-
lich, ohne eine Wolke auf weite
Strecken um den Zcnith. Aber unten
gegen den porizont zu umdüstert
er sich, lieber dem Waldkranz steht
ein anderer Kranz von grauen dichten
Wolken. Es ist, als wären sic da,
um den Uebcrgang von der festen
schweren Erde zur Luft zu vermitteln,
die leicht ist wie nur ein Gedanke.
Ich brauche bloß den Aopf zu
wenden, um das All zu umarmen.
— Sonne und Pimmel, Mond und
Erde. Der Sonriennntergang flammt
roth vom Westen 3am Norden —
ein warmes, hellrotstes Band zwi-
schen den Waldkonturen und den
grauen Wolken. Der Mond steigt im
Süden empor, gegen das Blau blin-
kend.
lieber die runde Kante des Waldes
erhebt sich nur hier und dort ein
spitziger Kirchthurm — sie sind kleine
Meilensteine auf dem Wege, den
mein Auge rings um die porizont-
linie zurücklegt. Innerhalb dersel-
ben breiten sich die Felder in schwin-
delnden weiten aus. Sie schimmern
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