Nr. 20
JUGEND
1899
„Sinter uns im Grau'n der
Nächte-•'
^Vorgenvoll ging dcr Kommandant <3. M.
o!R S. „Panther" anf dem Achterdeck auf und
ab. Neben bcm kleinen, wenn auch modernen
Kreuzer lagen im Hafen von Piapia vier große
Panzerkreuzer von John Bull. Nach dem
Vertrag von Wien stand die schwache Negierung
der Eingebornen unter dcr Kontrolle von drei
europäischen Mächten, zu denen auch Deutsch-
land zählte. Gestern hatte nun Mr. Sharper,
der englische Konsul, trotz Protest des deutschen
Konsuls, eigenmächtig eingegriffen, die Regier-
ung hatte sich geweigert nachzugeben und
morgen Früh 8 llhr sollte das Bombardement
auf die wehrlose Stadt beginnen. Das Kabel
hatte versagt, sollte dcr Anschluß in Hongkong
unterbrochen sein?
Die Machtverhültnisse am Oit waren wie
1:10. Aber am Land da warteten mit ängst-
licher Spannung Tausende anf den Entscheid
des deutschen Kommandanten.
Durch das offene Fenster der Kampagne
sah der Kommandant (Korv.-Kpt. v. Rath-
mannsdorf) in das Zimmer des 1. Offiziers.
Daselbst hing ein kleines unscheinbares Bild
vom Wrack des „Iltis," darunter stand in
schlichter Schrift: „13. Juli 86. Getreu bis
in den Tod."
Ja, getreu bis in den Tod, das war gut,
das war deutsch!
„1. Gig klar. Ich lasse den 1. Offizier
in die Kajüte bitten."
Als Rathmannsdorf V* Stunde später mit
gerötheten Wangen und entschlossenem Blick
in seine Gig stieg, da wußte auch dcr jüngste
Mann an Bord, die Entscheidung ist nun ge-
troffen und wird durch nichts geändert.
Am Steuerbord-Fallreep vom englischen
Flaggschiff „Irresistible“ legte die schmucke
Gig mit dem weißen Kommandantenwimpel
im Bug an.
Oben an der Hütte winkte schon „Little
Shorty“ alias Sir Edward Ewart, liebens-
würdig wie immer, dem deutschen Komman-
danten zu.
„Rathmannsdorf old boy, timt is what
nice, komm, wir wollen von den alten
lar-vast-Tagcn plaudern."
„Danke, Ewart, danke, doch jetzt muß ich
Sir Edward Ewart, den Admiral dieses Ge-
schwaders, sprechen!"
Bestürzt geleitete der englische Admiral
Einen Gast in seine Kajüte; doch schon nach
kurzer Zeit kamen beide wieder an Deck und
Little Shorty war zweifellos in höchster Er-
regung : „... bnt old boy that is a nonsense,
oann’t you help it?“
„No, no, to-morrow the fatlierland
expects of each of us to do bis duty.“
„Thnn God bless you, Rathmannsdorf,
God bless you!“
Noch ein fester Händedruck, dann glitt die
Gig wieder durch das spiegelglatte Wasser.
An Bord angekommcn, ließ der deutsche
Kommandant „Alle Alaun achteraus" pfeifen,
in wenigen Sekunden stand die Mannschaft
Kopf an Kopf auf dem Achterdeck und lauschte
athemlos der Rede des Kommandanten:
„Kameraden," — so begann dieser — „Ihr
kennt alle die Sachlage, Morgen will, entgegen
den früher geschlossenen Verträgen, England
die wehrlose Stadt bombardiren. Ich habe
soeben dem englischen Admiral erklärt, daß
ich, falls ich keine gegentheilige Befehle von
meiner Regierung bekomme, bei der ersten
Granate, die in die Stadt fällt, das Feuer
auf das englische Flaggschiff eröffne.
zi6
JUGEND
1899
„Sinter uns im Grau'n der
Nächte-•'
^Vorgenvoll ging dcr Kommandant <3. M.
o!R S. „Panther" anf dem Achterdeck auf und
ab. Neben bcm kleinen, wenn auch modernen
Kreuzer lagen im Hafen von Piapia vier große
Panzerkreuzer von John Bull. Nach dem
Vertrag von Wien stand die schwache Negierung
der Eingebornen unter dcr Kontrolle von drei
europäischen Mächten, zu denen auch Deutsch-
land zählte. Gestern hatte nun Mr. Sharper,
der englische Konsul, trotz Protest des deutschen
Konsuls, eigenmächtig eingegriffen, die Regier-
ung hatte sich geweigert nachzugeben und
morgen Früh 8 llhr sollte das Bombardement
auf die wehrlose Stadt beginnen. Das Kabel
hatte versagt, sollte dcr Anschluß in Hongkong
unterbrochen sein?
Die Machtverhültnisse am Oit waren wie
1:10. Aber am Land da warteten mit ängst-
licher Spannung Tausende anf den Entscheid
des deutschen Kommandanten.
Durch das offene Fenster der Kampagne
sah der Kommandant (Korv.-Kpt. v. Rath-
mannsdorf) in das Zimmer des 1. Offiziers.
Daselbst hing ein kleines unscheinbares Bild
vom Wrack des „Iltis," darunter stand in
schlichter Schrift: „13. Juli 86. Getreu bis
in den Tod."
Ja, getreu bis in den Tod, das war gut,
das war deutsch!
„1. Gig klar. Ich lasse den 1. Offizier
in die Kajüte bitten."
Als Rathmannsdorf V* Stunde später mit
gerötheten Wangen und entschlossenem Blick
in seine Gig stieg, da wußte auch dcr jüngste
Mann an Bord, die Entscheidung ist nun ge-
troffen und wird durch nichts geändert.
Am Steuerbord-Fallreep vom englischen
Flaggschiff „Irresistible“ legte die schmucke
Gig mit dem weißen Kommandantenwimpel
im Bug an.
Oben an der Hütte winkte schon „Little
Shorty“ alias Sir Edward Ewart, liebens-
würdig wie immer, dem deutschen Komman-
danten zu.
„Rathmannsdorf old boy, timt is what
nice, komm, wir wollen von den alten
lar-vast-Tagcn plaudern."
„Danke, Ewart, danke, doch jetzt muß ich
Sir Edward Ewart, den Admiral dieses Ge-
schwaders, sprechen!"
Bestürzt geleitete der englische Admiral
Einen Gast in seine Kajüte; doch schon nach
kurzer Zeit kamen beide wieder an Deck und
Little Shorty war zweifellos in höchster Er-
regung : „... bnt old boy that is a nonsense,
oann’t you help it?“
„No, no, to-morrow the fatlierland
expects of each of us to do bis duty.“
„Thnn God bless you, Rathmannsdorf,
God bless you!“
Noch ein fester Händedruck, dann glitt die
Gig wieder durch das spiegelglatte Wasser.
An Bord angekommcn, ließ der deutsche
Kommandant „Alle Alaun achteraus" pfeifen,
in wenigen Sekunden stand die Mannschaft
Kopf an Kopf auf dem Achterdeck und lauschte
athemlos der Rede des Kommandanten:
„Kameraden," — so begann dieser — „Ihr
kennt alle die Sachlage, Morgen will, entgegen
den früher geschlossenen Verträgen, England
die wehrlose Stadt bombardiren. Ich habe
soeben dem englischen Admiral erklärt, daß
ich, falls ich keine gegentheilige Befehle von
meiner Regierung bekomme, bei der ersten
Granate, die in die Stadt fällt, das Feuer
auf das englische Flaggschiff eröffne.
zi6