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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 27 (1. Juli 1899)
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Nr. 27

JUGEND

1899

Im Schnellzug

wich trägt der hastig dröhnende Zug
vorüber an einer großen Stadt:

Straßen, Häuser, Menschen im Flug,
Wagen, Laternen und Ladenschilder,
Ineinander geschobene Bilder,

Unklar wie ein verwischtes Blatt.

Hier Hab' ich einmal gelebt
Jahre lang.

Zn heißem, heiligem Zugenddrang
Gehaßt und geliebt, gehofft und'gebebt.
Dort um die Lcke
Und dann links eine kurze Strecke
Wohnt mein Schicksal aus jener Zeit;
Hinter jenen vorüberhuschenden Wänden
Könnt' ich es greifen fast mit Händen;
Aber ich bin schon weit.

Die letzten Häuser, das freie Feld:
Vorüber die versunkene Welt
von einstigem Glück und Leid,
von sturmgesegnetenZünglingsjahren.
wir ist zu wuth, als wär' ich soeben
An meinem eigenen Leben
wie ein Fremdling vorbei-
gefahren.

Ludwig Fulda

AuS HerenMmi JugenöM

Bereits als sechzehnjähriger Prinz war Sere-
nissimus berühmt wegen seiner Leutseligkeit
und hervorragenden Befähigung, stets passende,
freundliche Worte in der Unterhaltung zu finden.
Bei einem Hofball, dem ersten, den er besuchen
durfte, wurde ihm ein älterer, verdienter Stabs-
offizier vorgestellt:

„Aeh, freut mich sehr! Aeh, sind Sie schon
lange beim Militär, wenn ich fragen darf?"

„Fünfundzwanzig Jahre, Durchlaucht!"

„Aeh, sehr schön! Na, da werden Sie ja
jetzt bald, äh, pensionirt werden!" -r

Lin wellensang

(„Aripple-song,“ auS„The second
Jungle-Book“)

Nach Rudyard Kipling

Welle strich zum Ufervand,
als die Abendsonne glühte.

Streifte eines Mädchens Band,
das die Furt nicht mühte.

Neves Füßchen, junge Brust
irrt so leicht und unbewußt.

Welle flüstert, Welle droht:
„Bleibe, Lind, ich bin der

Todl"

„Bin zum Liebsten ist mein Gang,
er versprach, mein Mund ist
Siegel —

war wohl nur ein Fisch, der

sprang

aus dem Glitzerspiegel."

Zärtlich Berzchen, zierer Fuß,
Fahren kreuzen jeden Flußl

Welle flüstert, Welle droht:
„Bleibe, Lind, ich bin der

Tod!"

„Bin zum Liebsten ist mein Lauf,
mag nicht lahm durchs Leben
hinken."

Welle leckt zur Brust hinaus
und die Wirbel blinken.

Thöricht Berzchen, treuer Mund,
Füßchen, ach, verlor den

Grund.

Welle bald vergaß die lloth,
schaukelt flch im Abendroth.
(Deutsch von Gustav Kühl)

Aus dem Aufsatzhefte Liuchens,
der höheren Tochter

Die Poebcne ist wie ein großer Garten,
worin die halben Bewohner Italiens wohnen.

(Ueber Aktiengesellschaften.) Am Schlüsse
des Jahres theilt der Direktor an die Beamten
Geld aus, je nach dein vertrauen der Aktio-
näre.

(Goethes „Sänger" in Prosa übertragen.)«
Der König war mit seilten Rittern und ande-
ren schönen Damen zusammen. Die edlen
Damen senkten schüchtern ihr Haupt in den
Schoß.

(Ueber den Hering und den Erfinder der
Heringspökelei Willem Beukelsz.) Beukelß
zu Ehren wurde ein Hering auf seinem
Grabstein gehauen.

Kleber den Nutzen des Wassers): Selbst-
mörder benutzen es zum Ertrinken.

O.E,

E. Neumann (München)

„Mein Fräulein, ich liebe Sie."

„Kommen Sie nach dem Exainen wieder."

„Ich stehe noch nicht davor."

„Aber ich."

Line „rüßrende" Person

(Mt Zeichnung von A. v. Kubinyi)

Schatz meiniges — heut Abend
wird er kummen,
was isse Spitzel afdcr pulizei,
weil Liebschaft meiniges mit
diese dummen
Schuhmacher Vaclav isse jeyr

vorbei,

weil diese Schuster isse Lump
verdammte

Und neue Schatz is pulizei-

beamte.

Räh-Ricken, Stücke! kalte, wird
er kriegen,

was — wcrd' ich sagen Frau
— hat fressen Ray,
A potom wird an Herz mir
Spitzel fliegen,
Schatz meiniges, und wird mir
geben Schmatz —
Dann wird er essen von die
Rah das Ricken
Und wird in linken Oberarm
mich zwicken-

wcrd ich ihm watschen geben,
daß ihm Schädel
wird brummen seiniges, weil
war er keck.
„Verzeih mir," wird er sagen,
„schönstes Mädel,
Hab' ich Dir zwickt in Arm
den blaue Fleck,
weil soll bedeuten er: Vergiß-
nichtmein!"'

werd' ich ihm Bussel geben
und verzeih'n!
Vohemund

4Z2
Register
O. E.: Aus dem Aufsatzhefte Linchens, der höheren Tochter
Ernst Neumann-Neander: Die Studentin
Bohemund: Eine "rührende" Person
Ludwig Anton Salomon Fulda: Im Schnellzug
Joseph Rudyard Kipling: Ein Wellensang
[nicht signierter Beitrag]: Aus Serenissimi Jugendzeit
 
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