Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 27 (1. Juli 1899)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1899

Nr. 27 (Redaktionsschluss: 20. Juni 1899) • JUGEND

Die den Ranal zu graben
Schweißtriefend beflissen sind,
Die arbeitswilligen Leute
Erkennt hier jedes Rind.

Und auch die schlechten Rerle,
Die Jene verhindern woll'n
Und die nach jener Vorlag'
Hinein in's Zuchthaus foll'n.

Rlasfisches Urtheil überDr. Lueger

Bürger:

Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burge-

meisterl

Nun, da er's ist, wird er nur täglich dreister.

Und für die Stadt was thut denn er?

wird es nicht alle Tage schlimmer?

Gehorchen soll man mehr als immer,

Und zahlen mehr als je vorher.

(Goethe» „Zauste, erster Theil:
Vor dem Thore.)

&

Der „Heinrich Raspe"

Am Münchener Hoftheater wurde un-
längst das Drama „Heinrich Raspe" gegeben,
das den Centrumsredakteur Dr. Clasen zum
Vorüber hat. In einer Selbstanzeige lobt
der „Dichter" in seinem Blatte einen der
Darsteller und schreibt dazu: „Schadein der
That, wenn solche Talente auch nur mehr
den Düngerwagen des modernen
Sinnlichkeitskultus zu schieben sich ge-
wöhnen müßten!"

Ls rief der Herr Doktor Glasen
Und kratzte sich die Tonsur:

„Es steigt mir arg in die Nasen
Die neue Literatur!

Frivole Spötter und Witzler
Sind heutzutage Atout;

-ie spielen von Arthur Schnitzler
Den „grünen Kakadu";

Sie spielen von Gerhart Hauptmann
„vor Sonnenaufgang" — o Noth!

In solchen Stücken glaubt man,

Daß „Sodoms Ende" uns droht!

Sie spielen die „Jugend" von Halbe,
(Der Titel schon widert mich an!)

Dort tanzt vor dem goldenen Kalbe
Der Sinnenlust ein Kaplan!

Blos liberales Gelichter,
was auf den Zetteln steht!
wo sind die katholischen Dichter?
wo bleibt die Parität?

Man möchte sich schämen und grämen,
wenn man so täglich sieht,
wie alle die schönen Tantiemen
So sündhaftes Volk bezieht!

Es wurde der Karren des Thesxis
Zum Düngerwagen gemacht —

Drum will ich nicht warten iudeß', bis
Das Ganze versumpft und verkracht.

Und sank zum Düngerwagen
Das deutsche Theater herab,

So kann es auch noch was tragen,
was ich verfertigt Hab'!"

So sprach der Doktor Franz Glasen,
worauf der Geist ihn befiel.

Dann gab er in heiligem Rasen
von sich ein „historisches" Spiel.

Er dichtete fromm und sittlich
Den „Heinrich Raspe" — und schön!

Er dichtete unerbittlich,

Trotz aller neun Musen Gestöhn.

Und trotz dem beträchtlichen Gähnen
war der Erfolg doch famos —
vor einem Parket von Kaxlänen
Ging der Spektakel ja los.

Sie saßen, schwarz wie die Mohren,
versammelt in lieblichen Reih'n,

Und sogen mit durstigen Ohren
Die dröhnenden Jamben ein.

Die Andern freilich, die Schlechten,

Die schliefen im Kreise umher
Den Schlaf der Ungerechten,

Selbst Regisseur und Souffleur!

Die Guten aber, die klatschten,
Erbaulich war es zu seh'n!

Sie klatschten und sie patschten
Mit Handschuh' Nummero jo.

Sie saßen gehobenen Muthes
Und jubelten hell vor Glück:

„Na endlich mal wieder ein gutes,
Ein echt katholisches Stück!"

Ki-Ki-Ki

£

In New-Dork soll ein Haus mit 19 Etagen
gebaut werden. Wenn der „Imperialismus"
sich immer in dieser Richtung betätigen
wollte, so könnte man nichts dagegen haben.
Eine senkrecht angewandte Monroe-Doktrin ist
auch entschieden billiger und ungefährlicher als
eine horizontal angewandte.

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; »ämmtlich in München

Druck von KNORR Sc HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
Register
Monogrammist Frosch: Auch eine Störung Arbeitswilliger
Ki-Ki-Ki: Der "Heinrich Raspe"
[nicht signierter Beitrag]: In New-York soll ein Haus...
[nicht signierter Beitrag]: Klassisches Urtheil über Lueger
 
Annotationen