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1899

JUGEND

Nr. 28

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andern. Auch der tritt Sehnsucht erwartete Mi-
nister , der das Haus zum erstenmal betritt,
um ehrgeizigem Vater anzuzeigen, daß er zum
Orden eingegeben ist.

Minister wüthend ab. Ist abergläubisch,
hält Stolpern für böses Omen.

Vater außer sich. Erhoffter Orden futsch.
Untersucht''die Ursache des tragischen Falten-
wurfs. Merkt, daß sich ein kleines Ouadrat
des Parketts gehoben hat. Läßt sich einen
Kammer kommen. Klopft gewaltsam das re-
bellische Ouadrat auf die Ebene des Parketts.
Man vernimmt von unten merkwürdig klirren-
des Geräusch. Gleich darauf stürzt das Dienst-
mädchen entsetzt in's Zimmer.

„Ach Gott, ach Gott! das Malheur!! Bei
Geheimraths (eine Treppe tiefer) ist eben der
große Kronleuchter heruntergesengelt!" Alles
in Scherben, zum Glück Niemand verwundet.
(Unebenheit des Parkettbodens war dadurch
entstanden, daß der eiserne Kronleuchterhaken
von unten zu tief eingetrieben war. blaken
lockert sich durch die Hammerschläge von oben.)

Kann sehr stark wirken. Für dritten Akt-
schluß im Auge zu behalten.

* *

*

„Falte" überhaupt gute Idee. Ganzes Stück
kann „die Falte" heißen. Junges Mädchen
entdeckt im Spiegel die erste „Falte" um ihre
Augenwinkel. Empfindsamer Monolog ... darf
nicht mehr zu lange warten.

Da kommt Er. Also zu gelegener Zeit,
will ihr eine Liebeserklärung machen. Daran
behindert durch schmerzhaften Druck am linken
Fuß: eine „Falte im Strumpf." „Vervielfältig-
ung Vorbehalten" — Scherz des beglückten
Bräutigams als Schlußwort.

Das Weitere findet sich.

* »

-r-

XXeuefte Erscheinungen des Tages unbe-
dingt berücksichtigen!

heimelt an. „So recht aus dem Leben ge-
griffen," sagt Publikum.

Telephon und Fahrräder leider durch un-
mäßigen Gebrauch entwerthet.

Also jetzt vor allen Dingen: Ansichts-
karten! !

Ansichtskarte vortrefflich geeignet für Ex-
position.

Auch für Liebeserklärung.

Für Verwicklung (Eifersucht), Auflösung.

„Ansichtskarte" ist schon ein fettiges Stück.
Braucht nur der verbindende Text hinzuge-
schrieben zu werden.

*

Volksftücke: a) unversöhnliche, b) harmlos
erfreuliche.

a) Die Unversöhnlichen, nur für groß-
städtische Bühnen berechneten, fallen im Wesent-
lichen zusammen mit dem sub „höhere Richt-
ung" erwähnten Schauspiel des Elends und
der Verkommenheit. Vorsicht!! Nur selten rich-
tige Kassenerfolge. Sind aber als Rehabili-
tationsschriften zu empfehlen, wenn der Ge-
schmack des Publikums durch die beständigen
Schimpfereien der Kritik über die „seichten
Dutzendwaaren zu oberflächlicher Belustigung"
auf Abwege gerathen.

Chronischer Jammer, Krankheit, Geldnoth.
Dauernde Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähig-
keit des Ernährers, der vollkommen verbum-
melt, verlottert oder vertrottelt ist. Aelteste
Tochter muß für die ganze Familie sorgen.
Jüngere kokett, leichtsinnig. Sohn Anarchist.
Mutter gelähmt, hartherziger Fabrikant.

Oder auch gemißhandelte Kinder, daß sich
Einem das Herz im Leibe herumdreht.

Ferner: verschnapster Mann mit guter Frau,
oder anständiger Arbeiter mit widerlichem Weibe.

Auf alle Fälle: viel Alkohol, wenigstens
ein Todesfall. Besser mehrere, darunter eine
Wasserleiche.

❖ *

*

b) Die harmlos Erfreulichen, viel
dankbarer! haben in der Hauptstadt ein eigenes
Theater (früher Adolf Ernst) und ziehen in der
Provinz. Die einfache Umkehr von a.

Also: Durch tüchtige Arbeit bescheidener
Wohlstand. Wenn Verarmung, dann nur vor-
übergehend, wenn Krankheit, dann nur heilbare.
Am Schluffe muß Alles gesund und munter
und bei Kasse sein. Nichts, was irgendwie
unsittlich wirken könnte. Keine außerehelichen
Späße irgend welcher Art.

* *

-r-

Unabänd erlicher Zettel für b:

Der Vater. Biederer Meister. Aeltere ko-
mische Rolle. Steht immer am Vorabende einer
Feier (Geschäftsjubiläum, Geburtstag).

XI *7 O-

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J

hat drei Töchter: die älteste, ernster an-
gelegt, gebildet. Letteverein oder Hochschule,
singt ein sentimentales Lied.

Die zweite, ein Kobold! Furchtbar über-
müthig. Aber Alles in Ehren, hat von einer
Wiener Freundin ein reizendes österreichisches
Lied gelernt, mit einem „Schlager" als Refrain,
das sie sehr drollig vorträgt. Zwei Dacaxo-
verse vorbereiten.

Die jüngste, compromittirend naiv, weiß von
nichts, aber auch von nichts! Sagt mit Vor-
liebe zu jungen Leuten, die sich ihr nähern:

„Sie find aber ein Schlimmer!"

Als das Wort „Liebe" fällt, blickt sie mit
ihren veilchenblauen Kinderaugen verwundert
auf und sagt: „Liebe? Was ist denn das?
Kann inan das essen?"

Den drei Mädchen stehen gegenüber drei
junge Leute:

Der erste, gewöhnlich Bauführer oder Ver-
sicherungsbeamter, bringt der Aeltesten Abends
ein Ständchen, das so beginnt:

„In stiller Nacht,

wenn fast Niemand wacht."

Refrain, zweistimmig. Sie ist auf den Bal-
kon getreten und setzt ein:

„Der Mond, der scheint,.

hatun^wereint^.. jat hatuirs,chat uns vereint."

Der zweite, ein Künstler, nicht zu hoch hin-
aus. Klavier- oder Zeichenlehrer, sehr lebhaft.
Trägt einen breitkrempigen Schlapphut und eine
Binde mit langen gipfeln aus blauem Foulard-
stoff. Lebenslustig, verwegen, spricht schnell.
Singt ein Hetzcouplet in unwahrscheinlichem
prestissimo. In diesem Couplet Aktualitäten
als Dacapoverse: Magistrat, Steuern, Kiau-
tschau, Samoa, Dreyfus, Ahlwardt u. s. w.
heirathet den Kobold.

Der dritte, ein schüchterner Jüngling, der
von seinem reichen Vater nach Berlin geschickt
ist, um sich weltmännisch zu vervollkommnen.
Spricht Dialekt. Kann mit der Zunge anstoßen
oder kurzsichtig sein. Liebenswürdig dumme
Maske. Mißversteht beständig, verlobt sich mit
der Naiven.

Dazu kommt noch die Tante, Vaters Schwe-
ster. Eine sehr alte Jungfer, die sich wie ein
Backfisch anzieht und sich einredet, daß sie von
allen jungen Männern geliebt wird. Blitzt na-
türlich bei allen ab. Komische Hauptscene mit
dem schüchternen Jüngling aus der Provinz,
den ihre aggressive Hingabe in tausend Aengste
versetzt, wenn sie sich ihm schließlich mit dem:
„Ich bin Dein!" in die Arme werfen will und
er mit dem entsetzten Aufruf „Potiphar!" ent-
flieht, ist die Wirkung unausbleiblich.

# 4-
*

Handlung ergiebt sich von selbst.

Im dritten Akt wird das vorerwähnte Fest
des Vaters gefeiert. Gewöhnlich Grunewald
oder pichelsberge. Die Töchter haben ihre Freun-
dinnen geladen (die zwölf Choristinnen). Die
jungen Männer haben um die. Erlaubniß ge-
beten, ihre Freunde mitzubringen (die zwölf
Statisten). Ankunft in Kremsern.

Ueberraschung für Vätern: die dreißig jun-
gen Leute (6 Solisten, Chor) verkleiden sich
zu einer Festaufführung. Als Blumen, als
Edelsteine, Radler, Ruderer — aber nur eine
Sorte, einheitlich. Geschmackvolle, extravagante,
reiche Kostüme. Für die Herren komisch, für
die Daunen vortheilhaft. hals und Arme frei,
kurze Röcke, Seidenstrümpfe.

Der Vater nimmt auf erhöhtem Sitze Platz.
Aufzug. Huldigung. Wohlgeordneter, mit mi-
litärischer Präzision eingedrillter Marsch in den
verschiedenartigsten Evolutionen. Buntes, an-
muthiges Bild. Höhepunkt der Handlung/

Alsdann musikalisches Potpourri für Soli
und Chor.

Zum Schluß: Gruppe. Vater in der Mitte,
hinter ihm die Tante, über seinem Haupte
einen Kranz haltend; zu seinen Füßen die drei
Töchter mit ihren Zukünftigen. Um sie in
malerischem Halbkreis die zwölf Paare der
Freunde und Freundinnen, die jüngsten und
hübschesten in den vorderen Gliedern, röthliche
Beleuchtung, Tusch, Vorhang.

* »

*

Kann aber auch verregnen. Richtiger Platz-
regen zum Schluß mit aufgespannten Schirmen,
die wirklich naß werden, unwiderstehlich. (Lei-

der in jüngster Zeit mehrfach verwerthet. Aber
für später immer noch einmal zu gebrauchen.
vieÜeicbt mit der Variante: ohne Schirme).

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Index
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Das Buch im Tischkasten" (II. Teil)
 
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