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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (8. Juli 1899)
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Nr. 28 (Redaktionsschluss: 28. Juni 1899)

JUGEND

1899



l>ie neuen Minister im Elysee

„Siehe, die Füsse derer, die Euch hinaustragen werden, stehen schon vor der Thür’.“

. (Apostelgeschichte)

Nerv Bourgeois

Derr Bourgeois sprach schlau und klug:
„Minister werd' ich noch srüh genug,

Ietzt bin ich zu sehr beschäftigt!

Regiere nur, wer regieren mag,

Ich muß zurück in das schöne Daag —

Dort wird fetzt der Friede gekräftigt!

Dann kommt auch inzwischen der Drcvfus

nach Daus,

Dann bricht eine neue Rrists aus,

Dann purzeln die alten Minister,

Dann kehr' ich vielleicht, so ich Lust Hab', zurück,
Dann halten fie's immer noch für ein Glück
Und rufen: ,Der Retter, da ist er'/"

Das beste Theil erwählt stch der Mann,

Der die Trümpfe behält und warten kann,
Bis der kitzliche Zeitpunkt vorbei ist,

Und über fünf Iahre, wer weiß, wie stch's macht,
wenn Frankreich bis dahin nicht ganz verkracht,
wer weiß, welches Aemtlein dann frei ist:

Jeanquirit

■ EU

wie Rußland entwaffnet,

zeigt folgende lehrreiche Zusammenstellung:
17. August 1898. Der Zar veröffentlicht sein
Friedensmanifest. — 20. September 1898. Es
wird Ordre gegeben, zwei neue Panzerschiffe
a 12.724 Tonnen zu bauen. — 20. Dezember

1898. Der Marineminister fordert 801 Mifl.
Mark zu Schiffen, ferner wünscht er noch, das
Pazifikgeschwader mit 4 Panzerschiffen, 6 Kren-
zern und mit einer Torpedoflottille zu ver-
stärken. — 12. Jänner 1899. Das Kriegs-
und Marinebudget werden um 266.5, respektive
143 Millionen Mark erhöht. — 18. Jänner

1899. Die russischen Truppen an der afgha-
nischen Grenze werden um 20.000 Mann ver-
stärkt. — 19. Jänner 1899. Der Marine-
minister ordnet den Bau von 3 Panzerschiffen,
jedes zu 11.700 Tonnen, und von 2 Kreuzern
von 6000 und 3000 Tonnen an und schlägt
ferner den Bau eiues Kreuzers von 6500 Ton-

nen und zweier Torpedoschiffe vor. — 16. Fe-
bruar 1899. Der Zar erläßt ein Manifest,
durch welches er Finnland seiner Autonomie
beraubt und das Großfürstenthum in das rus-
sische Kaiserreich vollständig einverleibt. —
18. Februar 1899. Das Manifest wird un-
geachtet der Proteste und der großen Erregung
der Bevölkerung proklamirt, wodurch der Staats-
streich als vollbracht erscheint. — 5. Mai 1899.
Der Zar läßt dem finnländischen Landtag einen
Gesetzvorschlag zugehen, durch welchen Finn-
lands Armee von 5000 Mann auf 36.000 Mann
erhöht werden, außerdem Finnland zur russi-
schen Kriegskasse jährlich 8 Millionen Mark
beisteuern soll. — 26. Juni 1899. Das Marine-
ministerium hat für den Kriegshafen in Wladi-
wostock 13.611.300 Rubel genehmigt-

Den xten Juni. Rußland hat kein Geld
nicht mehr.

Den y ten Juni. Rußland formulirt seinen
Abrüstungsantrag dahin, es solle die gegen-
wärtige Effektivstärke der Streitkräfte zu Lande
und zur See nebst den entsprechenden Budgets
während der Dauer von fünf Jahren nicht
erhöht werden dürfen, von welcher Bestimmung
jedoch die Kolonialtruppen ausgenommen sein
sollen.-Ra, Tante Bertha, merkste was?

Was der Storch spricht:

„Nach Petersburg? Nee, — da trau’ ic'i mich
nicht mehr hin!"

Die dividierte Wittwen-Pension

Die Vielweiberei im k. u. k. Heere ist
nunmehr amtlich anerkannt. Das öftere.
„Rormalverordnungsblatt für das Heer" enthält
Bestimmungen, in welchen die Vielweiberei be-
sondere Berücksichtigung findet. Bei dem Gesetze
bezüglich der Versorgung der Wittwen und Waisen
heißt es z. B. im § 44: „Im Lalle, als nach
einem verstorbenen Unteroffizier, Gefreiten oder
Soldaten mohammedanischer Religion mehrere
anspruchsberechtigte Wittwen zurückgeblieben sind,
wird die für eine Wittwe gebührende Pension
gleichmäßig unter alle jeweilig vorhandenen
pensionsberechtigten Wittwen vertheilt." Wittwen,
deren Gatten vor dem Leinde gefallen sind, er-
halten einen Zuschuß von 50 Prozent zur normal-
mäßigen Pension. Sind „mehrere anspruchs-
berechtigte Wittwen" eines Gefallenen vorhanden,
dann wird dieser Zuschuß unter diese gleich-
mäßig vertheilt.

Soldat, Gefreiter, Unteroffizier —

Dör' meinen Rath, ich mein' es gut mit Dir!
Nimm Dir der Eheweiber nicht zu viele.

Mehr nimm Dir nicht als Drei zum Minnef, iele,
Denn Manches, was erlaubt wird vom Propheten,
wird keineswegs erlaubt von den Moneten.
Nimmst Du der Weiber fünf, sechs oder sieben,
So wird gar bald Dein karger Sold zerhieben,
Und wenn Du stirbst, verfällt der Division
Die knapp bemess'ne Wittwenpenfion.

Selbst wenn vor'm Feind das Leben Du verlierst
Und der Prozente fünfzig profitirst.
wird, wenn der Weiber fünfe Du genommen,
Sehr wenig nur auf jede Wittwe kommen.

Nicht wirst Du lange unbehelligt nippen
Im Paradies an rothen Bouri-Lippen,

Nicht lange Dich in Louri-Armen wiegen.

Denn die fünf Alten werden bald erliegen
Der bittren Noth; fie kommen nachgekrochen
In's Ienfeits Dir bereits nach wenig Wochen. —
will er dort oben lang alleine bleiben,

Darf der Soldat stch nicht zu sehr beweiben!

Bohem 1111 cl

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTHj verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, vjiantwortlich für den Inseratentheil; G. EICHMANN, sämmtlich in München.

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.

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Bohemund: Die dividierte Wittwen-Pension
Monogrammist Frosch: Die neuen Minister im Elysée
Monogrammist Frosch: Was der Storch spricht
[nicht signierter Beitrag]: Wie Rußland entwaffnet
Jeanquirit: Herr Bourgeois
 
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