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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 29 (15. Juli 1899)
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Nr. 29

JUGEND

1899


Oie ersten ©ropfen

Hans Christiansen (Paris)

Das Buch im Tischkasten

von Paul Lindau,

Zeichnungen von Arpad Schmidhammer

Des Werkes dritter und letzter Theil

Anregungen und Beobachtungen

Der gewandte Faust rc.

Anregungen.

Die Idee, daß der dramatische Dichter
Eigenes erfinden müsse, beruht auf vorurtheil,
geweckt durch ignorante Kritik.

Siehe Shakespeare, Moliere („je prends
mon bien partout oü je le trouve.tt), Salingr^.

Dichter, die über Mangel an Stoff klagen,
sind einfach ungebildet. Mangel an Stoff
identisch mit Mangel an Bildung, Belesenheit.

viel lesen und immer Auszüge machen!

Menzels Wahlspruch lautet: „Exerziren,
exerziren, exerziren!"

Des Dramatikers Wahlspruch sei: „Ex-
cerpiren, excerpiren, excerpiren!"

„Das Sammeln ist des Dichters Luft,

Das Sammeln!"

Gut gesammelt, ist halb gedichtet.

Das vademecum für der scherzenden Muse
Spiel ist: L a b i ch e, Band I bis XII. wenn

Labiche auch die meisten Motive und Situatio-
nen unfern erfolgreichsten Repertoireherrschern
schon vorempfunden hat, so bleibt doch immer
noch genug übrig, um mehrere Geschlechter
mit breiten Bettelsuppen zu versorgen.

Gute Stoffe bietet auch die Gerichtszeitung
— man nehme die älteren Jahrgänge. Auch
die Rubrik „vermischte Nachrichten" in größ-
eren Zeitungen bietet mitunter reiche Ausbeute.

Ueberhaupt: Greift nur hinein in's volle
Zeitungslesen!

Für Einzelheiten, namentlich scherzhafte
Wendungen im Dialog, Pointen u. dergl. —
sehr zu empfehlen: „Düsseldorfer Monatshefte"
(im Buchhandel vergriffen, fast ganz vergessen),
„Feuerspritze" von Kossak (Ausgang der vier-
ziger, Anfang der fünfziger Jahre, ebenso),
„Dorfbarbier" (Jahrgänge von ^650—60). Auch
die älteren Jahrgänge des sehr unterschätzten
„Ameisenkalenders" mit zahlreichen Witzen,
die nur frisch aufgexolstert und neu überzogen
zu werden brauchen, um wie neu zu wirken.

Für die Elite der Dramatiker, die franzö-
sisch und sogar englisch verstehen, leisten „Tin-
tamarre“, „Charivari“, „Vie Parisienne,“
„Punch“ treffliche Dienste.

WarnungI Streng zu vermeiden:
Die verwerthung unserer verbreiteten Witz-

blätter, namentlich jüngeren Datums. Das
Publikum erkennt die alten Bekannten, wird
irre an der ursprünglichen Schöpfungskraft
seines Dichters.

Noch eine andere Warnung sei gleich
beigefügt:

Man vermeide, wenn irgend möglich,
für die peldin das Lebensalter zwischen 25
und 40 Jahren, da dann die Besetzung große
Schwierigkeiten bereitet.

Für gute Schauspielerinnen hört das Reiz-
volle ihrer Rolle mit den Jahren auf, in denen
sie gewöhnlich stehen. Das Stadium der Un-
verfänglichkeit beginnt erst wieder mit dem
ausgesprochen älteren Fach. Am praktischsten
gleich in die ältesten Semester hinauf: weißes,
schlicht gescheiteltes paar. (Sehr kleidsam in
Verbindung mit geschminkten Wangen.)

Irivita Minerva. Oder: sicheres
Mittel zur Bekämpfung von dichter-
isch e n O h n m a ch t s a n f ä l l e n.

Es kann sich der Fall ereignen, — zum
Glück ist er selten — daß dem gottbegnadeten
Dichter entweder absolut nichts einfällt, oder
daß er sich in seiner augenblicklichen Stimmung
Register
Arpad Schmidhammer: Kleine Zeichnungen zum Text "Das Buch im Tischkasten" (Teil III)
Paul Lindau: Das Buch im Tischkasten. Der Werkes dritter und letzter Theil
Hans Christiansen: Die ersten Tropfen
 
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