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1899

Nr. 29

- JUGEND .

Die preußische Kanalvorlage

Halb belustigt, halb im Zorne,
Nordwärts hat mein Blick geschaut,
wo ihn täglich neu von vorne
wunderliches Spiel erbaut:

Line Wasserstraße graben
wollte man, dem Land zum Glück,
Doch die vielbeliebten Knaben
Weisen wüthend sie zurück.

weil nur eines Nachtheils Schatten
Sich von ferne ahnen ließ,

Schreit die Schaar der Nimmersatten
Schon, als stacke sie am Spieß:

„wenn zu Schiff einmal vom Nheine
Zremdes Korn gebracht wird, droht
Schaden unserer Gemeine,

Denn zu billig wird das Brot!

Konkurrenz aus jenen Zonen
Stört Dstelbiens Glück und Nuh —
(Ohne Lompensationen
Stimmen d'rum wir nimmer zu!"

Und des Thrones Stützen rufen
Zn vereintem Wehgeschrei:

„Dann muß auch an unfern Husen
Gleichfalls ein Kanal vorbei!

Brücken, Bahnen müßt Zhr bauen,
Uns erleichtern den Tarif!" —

Selbst auch Baargeld möchte schauen
Mancher, happig und naiv.

AU' dies habgiertoll begehrt heut
Das bethörte Volk, als wär's
Unterm Zeichen der Verkehrtheit,

Statt im Zeichen des Verkehrs!

Und sie schreien und spektakeln,

Und sie schachern toll und dumm,

Und Ministerstühle wackeln,

Und Lukanus geht schon um.

Und von all' der Affenschande,

Die uns dieses Schauspiel bot,

Werden rings im weiten Lande
Alle deutschen Wangen roth!

Und sie spotten und sie schmälen
Rechts der Memel, links vom Rhein:
„Sollten diese Krämerseelen
Wirklich so gefährlich sein?" Ki.Ki.Ki

Amtliche Bekanntmachung

Mit Setzernoten herausgegeben von Tip

In einem kleinen deutschen Staate erschien in
der jüngsten Maikäfersaison fotgenbe Bekannt-
machung, die wir leider, wie wir zu spät be-
merken, mit Setzeranmerkungen veröffentlichen
müssen. Der Setzer, den wir wegen seiner Ein-
schaltungen zur Rede stellten, ein Berliner, er-
klärte auf die Frage, warum er nicht gesetzt
habe, was da stehe, mit einfacher Entschiedenheit:
„So 'n Deutsch? Darüber kann keen Mann
weg!" Unsere Leser mögen selbst urtheilen.

1. „In sümmtlichen Stadt- und Landgemeinden
des hiesigen Kreises müssen täglich zu ge-
eigneter Zeit, wozu sich die frühen Morgen-
stunden am besten eignen dürften sZu eener
jeeigneten Zeit eignen fick allemal de frühen
Morgenstunden am besten, det schdimmtlj
die Maikäfer durch Abschütteln der Bäume
und Sträucher sNu schüttel mal eener de
Bäume un Sträucher ab! Denn soll de Re-
jierung ooch jefälligst det Erdbeben dazu
liefern^ in den Gärten, Plantagen, an den
Wegen u. s. w. ausreichend und nach Kräften
eingesammelt und gelobtet werden. sNanu,
Kinderkens, warum denn so happig? Erst
„ausreichend" un denn ooch noch „nach
Kräften"? wozu denn det? „Ausreichend"
reicht doch ooch cnxsl]

2. Mit diesen Einsammlungsarbeiten ist bis zur
beendigten Flugzeit sIn der Jemeindeschule
sagten wir immer „bis zum Ende der Flug-
zeit"j der Maikäfer ununterbrochen fortzu-
fahren. sHerrjott, laßt de Leute doch schlafenlj

3. Das Geschäft des Einsammelns u. s. w., bei
welchem namentlich auch die Schulkinder mit
zu verwenden sind, richtet die Ortspolizei-
verwaltung eines jeden Bezirks ein, und
leitet und beaufsichtigt dieselben, fwen? De
Schulkinder? Nee, die können nich jemeint
sein. De Maikäfer? Goch nich. Ja, denn
weeß ick nich.... Aha, nu Hab ick's! „Die-
selben" bezieht sich uf „Jeschäft"!]

4. Die Kosten des Einsammelns u. s. w. der Mai-
käfer sDes Maikäfers, dem Maikäfer, den
Maikäferj werden von fämmtlichen Grund-
besitzern des Sammelbezirkes gemeinschaftlich
bestritten. fDie armen Deibels! Sämmtlich
müssen fe jemeinschaftlich berappen! Aber
det bringt wat!j

6. Wer sich bei der im Vorstehenden ungeordne-
ten Vertilgung der Maikäfer saumselig zeigen
sollte, wird auf Grund der Eingangs an-
geführten Regierungs-Verordnung mit Geld-
buße bis zu 30 M. oder verhältnißmäßiger
Haftstrafe unnachsichtlich bestraft werden."
sDet is nu schon reineweg der selige Drako!
Nu denke Dir, Nachbar, ick jeh über de Straße,
da steht 'n Boom, un uf dem Boom da sitzt
’n Maikäfer. Ick schüttel nich — kost mich
30 M. Strafe! Nu frage ick Dir, wer soll nu
predigen un Schule halten un de Kranken be-
suchen un de Kühe melken un de Laternen
anzünden un de Kinder besorjen un zur Welt
bringen, wenn de jesammte Bevölkerung des
janzen Kreises ununterbrochen bis zur be-
endigten Flugzeit nach Kräften Bäume ab-
schütteln muß!? Dabei muß det Land ja zu
Irunde jeh'n! Un de Bäume ooch! Un dabei
is de janze Schose so eenfach zu machen! Man
läßt de „Amtliche Bekanntmachung" in der
Residenzstadt een mal mit lauter Stimme
verlesen: denn schütteln sich de Bäume von
selber, un de Maikäfer fallen uf'n Rücken.j

Rach dem Vorbild einer englischen Revue hat
auch die „Jugend" bei verschiedenen Berühmt-
und anderen Heiken eine Rundfrage gehalten, die
lautete: „wer war Ihr Ideal, als Sie
zehn Jahre alt waren?"

Hier die Antworten:

Dr. Lieber: Demosthenes, der große Redner!
Bertha v. Suttner: Barnum!
paulSinger: Lrft Rothschild, dann Robespierre!
Oscar Blumenthal: Lrst Shakespeare, dann
Rothschild!

A. v. Werner: Unser Rachbar, der k. Hof-
Schuhmacher!

Richard Dehmel: DLR WLRDLRDL R.
DLHWLL!

HermannBahr: Heinrich Heine! Oder eigent-
lich Oskar v. Redwitz — oder Benno Jakob-
sohn — oder Aeschylos — oder der Volks-
sanger Guschelbauer — ich weiß nicht mehr.
Gs ist auch Wurst! Ueberwunden Hab'
ich die ganze Bande schon!

De. Sigl: Thersites!

Paul Dsroulöde: Tyrtaus — und Don Guirote!
Ferdinand v. Bulgarien: Alerander von Bat-
tenberg !

Ex Major Esterhazy: Mr. SchinderhannSs,
le c£lebre h£ros Bavarois!
Index
Tip: Amtliche Bekanntmachung
Monogrammist Frosch: Die schwarze Phalanx
Ki-Ki-Ki: Die preußische Kanalvorlage
[nicht signierter Beitrag]: Eine Rundfrage
 
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