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^EM das Radeln ein Graus, der verzieh' sich hin-
aus und verflüchtige sich, vors zu spar ist,
Weil ein Hymnus ertönt, daß die Bude er-
dröhnt, der zum -Lob und zum Preis für

das Rad ist,

Denn die Physiognomie einer Zeit hat noch nie,

wie das Fahrrad, geprägt ein Vehikel
Darum ziemt sich gewiß anapästifcher Schmiß

für ein Lobgedicht auf das Bicycle
Das die Seele erfrischt und die Sorgen verwischt

und die Glieder geschmeidig und stark macht
Und so rosig die Wang' und die Beine so lang

und so widerstandsfähig das Mark macht
Und so hungrig den Mund und so durstig den Schlund
daß er niemals beiin Becher genug kriegx
Und den Ropf so gescheit und den Thorax so breit
daß er Luft auch beim eiligsten Flug kriegt,
Und so reinlich das Blut und so schneidig den Mutl-
und die Muskeln so stählern und plastisch,
Uiid den Herzschlag korrekt und die Arhmung perfekt

und die Lunge so weit und elastisch,
Und das Auge erquickt, das mit Wonne erblickt,

wie die sonnige Erde so schön ist,
Und dem Ohre genehm, weil sein Gang so bequem
und so frei von Geklirr und Gedröhn ist,
Das die Erde durchfliegt, wie der Vogel sich wiegt,
schier so schnell wie 'ne Lokomotiv' ist,
D'rauf den schnellen Achill kann besiegen, wer will, wenn er bucklig vielleicht auch und schief ist,

Das ermüdet nie ist und nicht säuft und nicht frißt, und nicht ein- und nicht durch- und nicht krumm geht,
Das den Reiter nicht schlägt uitd es lammfromm erträgt, wenn er noch so brutal ,nit ihm umgeht,

Das geduldig sich zeigt, wenn's der Schwerste besteigt, das mir Füßen getreten, geknufft wird,

Das nicht wiehert, nicht gröhlr, wenn's nur manchmal geölt und wie ,Hamlet" gefüttert mit Luft wird
Das man hält überall, ohne Streu, ohne Stall, das man über vier Treppen hinaufträgt,

Das nicht dampft und nicht schwitzt, wenn's den Mann, der drauf sitzt, noch so lange in rasendem Lauf trägt,
Das die Jungfrau ergetzt, die am Piano bis jetzt nur die Ohren der Mitwelt ruinirr har
Und gesungen dabei und mit Brandmalerei, was sie irgend erwischte, beschmiert har,

Das den Jüngling entführt, der sich sonst nicht gerührt und gelebt wie ein Tapir im Sumpf har,

Das ihn wegzieht vom Bock und von Skar und Tarock und besorgt, daß er Waden im Strumpf har,

Das in reiferer Zeit auch den Mann noch erfreut, daß zu früh er nicht grämlich und kahl wird,

Das ihn stramm hält und leicht und das Zipperlein scheucht, daß nicht steif und marod' fein Pedal wird,
Das auf lustige Art die Matrone bewahrt, daß sie lang 'ne gefällige Frau sei,

Und nicht welk im Gesicht und zu fettleibig nicht und zu früh an der Schläfe nicht grau sei,

Das dem Rind wie dem Greis manche Wonne wohl weiß, die das Leben bisher ihm versagt hat,

Das dem Mann, der beleibt, seinen Schmerbauch vertreibt, der ihn mächtig entstellt und geplagt hat,

Das die vreurasthenie und die Apoplexie und beim Weibergeschlecht Anämie heilt
Und die Melancholie und die Hypochondrie, die auf anderem Wege fast nie heilt,

Das beim Heer sich bewährt, wo der Leutnant jetzt fährt, wie der Mann, der die Meldung zum Gros bringt,

Das den Briefboren freut, der viel schneller uns heut seine Briefe und doppelt so froh bringt,

Das auf doppelten: Sitz so geschwind wie der Blitz die verliebten auf einsamem Pfad fährt,

Das manch eh'lichem Paar auch zum Heile schon war, weil die Schwiegermama ja nicht Rad fährt,

Das landaus und landein manchen frohen Verein jeden Sonntag zu schneidigem Sport lockt,

Das den Hämorrhoi'dar, der das gänzliche Jahr sonst inr Lehnstuhl geseffen, noch fortlockt,

Das 'nen neuen Beruf nranchem Pechvogel schuf, der im Leben einmal Havarie litt

Und im Fahrsaal jetzt lehrt, wie man aufsteigt und fährt und nicht fällt und an Ropf nicht und Rnie litt'.

Das dem Professional auf der Rennbahn gar schnell zum Erwerb und zum Ruhme zugleich wird,

Das Gebiete erschließt, wo der Rapiralist und der fleißige Techniker reich wird,

Das den Jägersmann trägt, wenn die Pürschzeit sich regt und die Spiel- und die Auerhahnbalz ist,

Das beim Zaren beliebt, d'rauf der Schutzmann sich übt, wie der Handwerksbursch, der auf der Walz' ist,
Das der Doktor benützt, der kein Fuhrwerk besitzt und dem Omnibus fern und dem Bahnzug,

Das die Wehmutter führt, wenn ein Weibchen verspürt, daß der Storch mit dem Baby im Anzug,

Das für jeglichen Grand und in jeglichem Land und in jeglicher Lage ein Schatz ist —

VTex, ich denke, Ihr seht, seid Ihr noch so verdreht, daß ein Lied auf dies Fahrzeug am Platz ist!

Darum hebet den Rrug und zu mächtigem Zug setzt ihn an, bis geleert das Gefäß ist,

Und ein donnernd „All Heil!", das man hört eine Merl', bringt dem Rad, das erfunden von Drais ist!

Biedermeier (mit ei) der Sanguiniker
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Max Feldbauer: Zeichnung zum Text "Hoch das Zweirad!"
Biedermeier mit ei: Hoch das Zweirad!
 
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