Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (4.1899, Band 2 (Nr. 27-52))

Nr. 30 .

1899

Ein Denkmal Rudolfs von Habsburg, der
in der Schlacht auf dem Marchfeld den böhmischen
Löwen bändigte, darf, wie man meldet, in Wien
aus politischen Erwägungen nicht errichtet werden.

Vom Wetterwinkel

Im Balkan broffn Gewittertage,

Schon wetterleuchtet^, brummt und braust,
And nur noch Eines scheint in Frage:

Auf wen das Wetter niedersaust?

Es blitzt im Macedoniervolke,

And in Bulgarien blitzt's noch mehr,

Und über Serbien hängt die Molke
Bedenklich und bedrohlich her.

Herrn Milan hätt's beinah getroffen,

Und Ferdinand ist, wie Ihr wißt,

In: Ausland in ein Loch geschloffen,

Wo er vor Blitzen sicher ist.

Denn die, die auf der Höhe sitzen,

Die trifft am leichtesten der Strahl —
Bekanntlich ist das mit den Blitzen
So eingerichtet nun einmal!

Es lagert sich Gewitterschwüle
Im Balkan immer mehr und mehr,

Und mit behaglichem Gefühle
Schaut Einer nur, von Norden her.

Wen auch die Blitze treffen thäten,

Cr mär erbötig jeder Jeit,

Sofort die Erbschaft anzutreten,

In alter Liebenswürdigkeit.

Ki-Ki-Ki

• JUGEND .

Zonnrvendfeuer

3um S. 3uli J 899

Glück auf Tirol! Glück auf — und wisse,
wie uns die Kunde froh bewegt,

Daß sich im Land der Finsternisse
Der Geist des Lichtes wieder regt!

Und wie Ihr kühnlich vor dem Modern
Die fchwarzrothgold'ne Fahne wahrt,
Und Zlammenzeichen wieder lodern
Rach ururalter Väterart!

Auf daß die Feuer höher stammen —
Hinein den alten Kram und Wust,

Die Bullen, die das Wort verdammen,
Das frei erklingt aus deutscher Brust!

Da geht der lieben Dunkelmänner
Verstaubtes Rüstzeug auf in Rauch,

Und lustig wirbelts über'n Brenner
Des frischen Rordwinds kühler Hauch!

Glück auf, daß Ihr am eig'nen Herde
Als freie Herren wieder steht
Und nicht das schönste Land der Erde
In dumpfem Knechtsinn untergeht!

Und ob sie zetern die Gesellen,

Die lichtscheu sind vom Anbeginn.

Ihr müßt sie endlich ja erhellen
Die pfaffengass' an Lisch und Jnn!

Glück auf, Tirol! Das Recht ist Luer —
Und nährt Ihr nur getreu den Brand.
Glänzt Luer nächstes Sonnwendfeuer
vielleicht auf ein befreites Land!

„IUGLRD"

£

In der Provinz Hannover ist ein luther-
ischer Geistlicher gemaßregelt worden, weil er
„subjektive, von der Auffassung des landes-
kirchlichen Dogmas abweichende Anschauungen"
von der Kanzel herab vertreten hat.

I, es ist uns doch, als ob schon früher ein-
mal ein ganz ähnlicher Fall vorgekommen wäre!
Gewiß, gewiß, es war schon einmal so etwas
da! Hmmml Wie hieß doch noch der Geist-
liche?!! Nichtig: Martin Luther hieß er,
Martin Luther!

Die chinesische Mauer soll auf Anord-
nung der Kaiserin-Wittwe, als gänzlich über'
flüssiges Möbel, abgetragen werden. Schade,
daß München nicht in China liegt, dann wür-
de vielleicht auch die Propyläenmauer ihr
seliges Ende finden. Es lebe der Fortschritt!

£

Ein Gcharfschütz

Der Attentäter Anezewitsch, der einige
Mal auf Aönig Milan geschossen hat, ohne zu
treffen, ist früher serbischer Soldat gewesen.

Aber Herr Generalissimus, das wirst ein
schlechtes Licht auf die Schießausbildung
Ln Ihrer Armee!

Vielleicht bekäme der Gründer der Habsburger
Dynastie sein Denkmal dennoch, wenn der Künst-
ler dessen Verhältnis zum böhmischen Löwen in
dieser Weise versinnbildlichen würde.

Der bundstags-Laififch

Alljährlich, sobald sich high life-isch
Die Menschheit in Bädern vergnügt,
Da zeigt sich in Fiume ein Haifisch,
Fünf Meter lang — das genügt.

Er zeigt sich auch wohl in Triest, je
Nachdem es sich fügt mit dem Jahr,
Und Fischer, die fangen die Bestie
Mit Mühe und Todesgefahr.

Es hat einen ganzen Matrosen
Im Magen — mitunter auch zwei —
Mit Gtiebeln und Jacke und Hosen
Im Magen der schreckliche Hai.

Dazu auch noch Scherben und Bretter
Und Steine, gar groß und recht schwer,
Und sorglich ermahnen die Blätter
Zur Vorsicht beim Baden im Meer.

Gesehen hat ihn noch Reiner
Den Haifisch am Adriastrand,

Dieweil ihn der pennyaliner
Aus Hunger und Stoffnoth erfand.

Pips

Ä

Eine englische Vokabel

Richter: „Wie kamen Sie dazu, sich diesen
Hundertmarkschein anzueignen?"

Angeklagter: „Sr lag in meiner Inte-
ressensphäre."

Richter: „Ah pardon, das ist etwas andres!
Sie können gehen."

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