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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 31 (29. Juli 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0082
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1899

JUGEND

Nr. 31

Verehrte Redaktion l

Ihre „Jugend" will doch gewiß nicht blos
zur Lrluftirung der Gesunden und Behäbigen da
sein. Ich thue sicher nichts Ungebührliches, wenn
ich unternehme, durch das Mittel der Poesie und
Kunst dem kranken Kinde zur Linderung und
Heilung seiner Schmerzen zu helfen. Zn den
slavisch hart bedrängten deutschen Städten Oester-
reichs geht man jetzt daran, deutsche Kinder-
spitäler zu errichten. Mein Gedicht hat also
auch einen nationalen Hintergrund. Die Slaven
vermehren sich bekanntlich kaninchenhaft» die
Deutschen nicht — für diese spielt das Kind
also als ein viel höherer Werth in der Rafsen-
und Herrschaftsfrage mit.

Lin krankes Kind!

(Aufruf zu Gunsten des deutschen Kinderspitals
in Prag)

Ein krankes Rind-

O helft geschwind!

Der Heilkunst schnellstes Wunder ruft herbei!

Ein krankes Rind-

Sieh, dort am Straßenrand,

Es kreuzen sich der Wege drei
Und alles Volk rennt blöd vorbei,
wem ist das kranke Rind bekannt?!

'S ist Deins und meins!

Denn hätt'st Du keins,

Der Liebe und des Mitleids tief Geheimniß
Erhebet Dich zur Elternwürde
Und leget Dir an's kinderlose Herz
Die schmerzlich süße Mutterbürde.

Ein krankes Rind-

Im Wonnemonat Mai

Von Thränenlast geknickte Lebensblüthe!

Ein schwarzer Morgentraum

Von Tod und Trübsal,

wo rings der Lenz uns Luft und Lieder beut!

Ein Heldenleben in der Rnospe,

Vielleicht dereinst an Deines Volkes Himmel
Ein lichter Stern:

Von der Vernichtung Hauch umschauert!

Ein krankes Rind,

Ob mein, ob Dein,

Laßt's nicht allein!

O helft geschwind,

Daß Gott euch treu und gnädig sei,

Der Heilkunst schönstes Wunder ruft herbei!

Michael Georg Lonrad

Sicherem Vernehmen nach sollen künftig
auf Antrag Chamberlains alle Deutschen,
Franzosen, Russen, Buren u. s. w. nach sieben-
jährigem Aufenthalt in England dort Stimm-
recht erhalten, ohne ihre Nationalität auf-
geben zu müssen.

In einem Neste bei Eichstätt hat der k
tholische Pfarrer ein Pfarrkind, d
nicht zur Osterbeichte ging, zwang sw ei
durch den Bürgermeister sich vo
führen lassen. In einem Centrumsblö
chen erklärt nun ein „protestantischer Beamte
daß der Pfarrer vollkommen innerhalb feit
Kompetenz gehandelt habe. Auf wen ka
Bayern stolzer sein, auf den Pfarrer, l
Bürgermeister oder den Beamten? Am Besi
übergäbe man wohl alle Dreie der Schwes
Carola vom Potsdamer Waisenhaus zu eit
Massagebehandlung, welche ihre Urtheilsfäh
keit „ein Bissel auffrischte".

Der russische Doppeladler

in seiner zwiefachen Eigenschaft als „Weisse
Friedenstaube“ und als „Finsterer Kriegsaar“

Onkel Sam mit der neuen Brille

Der amerikanische Dberst Smart hat, wie
ein Telegramm aus Washington meldet, ent-
deckt, daß durch den Gebrauch von Brillen,
Feldstechern oder Fernrohren mit vio-
letten Gläsern tzas Feuer und die sonstigen
Einwirkungen von Schüssen mit rauchlosem Pul-
ver auf die Atmosphäre sich auf die größten
Distanzen wahrnehmen lasten. Das amerika-
nische Kriegsdepartement hat den Beschluß ge-
faßt, die Entdeckung bei den Truppen auf den Phi-
lippinen zur praktischen Einführung zu bringen.

Den Philippinern will in aller Stille
Der Snkel Sam jetzt an den Kragen gehn.

„Nch kauf mir eine veilchenblaneLrille"—
Spricht er—„dann kann mir Niemand widerstehn!"

G wäre doch schon früher eingefallen
Dir, guter Gnkel, was Du fetzt verfügst!

Du wärst gewiß nicht so hereingefallen,
wenn längst bereits Du jene Brille trügst!

Der Anblick, den bisher die Philippinen
Dir boten, war zmyeist bedenklich grau.

Netzt sind, sobald dep Brille Du bedienen
Dich wirst, die Philippinen veilchenblau.

vergiß nur nicht, die Brille rein zu wischen,
weil sonst, bevor Du den Gesuchten fandst.

Der Filipino unverzagt inzwischen
Auch weiterhin Dir aus der Nase tanzt!

ioki


Der Abgeordnete Osann erfreut sich eines
großen Scharfblicks in finanzpolitischen An-
gelegenheiten. Die zweite hessische Kammer
hatte auf seinen Antrag eine „Junggesellen-
steuer" beschlossen, die aber von der ersten
Kammer abgelehnt wurde.

Als man nun Herrn Osann nahelegte, er
möge jetzt wenigstens eine „Jünglings-
steuer" befürworten, sagte er:

„Das dürfte denn doch gar zu wenig ein-
tragen !" _

Die Abonnenten des heil. Joseph

In einigen Nummern des Jahres (897
theilte der Redakteur des „Pelikan" seinen
gläubigen Lesern mit, daß er mit dem heil.
Joseph verschiedene lukrative Verträge abge-
schlossen habe. Gegenüber der Verpflichtung,
eine jährlich wachsende Anzahl von Büchern

;oz

zu Ehren des Heiligen zu vertheilen, habe dieser
die Abonnentenzahl von Jahr zu Jahr erhöht,
so daß das Blatt schließlich dem heil. Joseph
90000 zahlende Abonnenten verdankte.

Vor heil. Joseph scheint aber seinen Pakt
nicht ganz ehrlich gehalten zu haben, denn in
einer der letzten Nummern des „Pelikan"
(jetzt „Emanuel") findet sich folgender warme
Appell:

„Nicht vergessen!! (898. Jene säumigen
Abonnenten, die den Pelikan (893 noch nicht
bezahlt haben, bitten wir, die Bezahlung
nicht auf das folgende Jahrhundert zu ver-
schieben."

Der Bismarck-Thurm

am Starnberger See

3u Bismarck's Todestage

Lin Wartthurm schaut von hohem Hügel
Auf unsrer Alpen blauen Kranz,

Und drüber spannt die eh'rnen Flügel
Lin Kaiseraar im Sonnenglanz!

Mir will der stolze Bau erscheinen
wie ein Symbol von Kraft und Trutz.

Und sinnig Bildwerk dient den Steinen
Beziehungsreich zu Schmuck und putz.

Da fteh'n in schweren Bogenhallen
viel Wappenbilder an der wand
Und sagen von den Völkern allen,

Die er zu einem Volk verband.

Und oben ist in herber Schöne
Germania in den Stein geschnitzt,

Die ihre schildbewehrten Söhne
Mit ihres Mantels Falten schützt.

Kein Farbenspiel, kein Goldgeschmeide,
Schier finster dräut der hohe Bau,

Lin Wächter in granitnem Kleide,

Hinaus auf Bayerns grüne Au.

Von seinen demantharten Wänden
prallt machtlos ab der Zeiten Sturm,

Und nimmer wird von Bubenhänden
Geschändet Bismarcks Lhrenthurm!

Und keine Bubenhände stehlen
Dem Lande seines Geistes Hort,

Und keine Bubenworte schmälen
Von seinem Kranz ein Blättlein fort!

was er gethan, was er geschaffen,

D'ran rennen, wie an solchem Stein,

Die Fortschritts- und die Rückschrittspfaffen
Vergeblich sich die Schädel ein.

Und mag mit allen Höllenmächten
Die Finsterniß sein werk bedroh'n,

Und mag in dunklen wetternächten
Der Blitz den theuren Bau umloh'n —

Lin neuer Tag wird sich erheben
Und treten aus des Morgens Thor
Und Glanz um seine Mauern weben.

Viel herrlicher als je zuvor!

Dann ragt in Helle Aetherbläue
Der Denkstein mit dem Kaiseraar,

Lin Sinnbild froher Heldentreue,

Lin Warner für der Feinde Schaar.

Lermann
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[nicht signierter Beitrag]: Der Abgeordnete Osann...
[nicht signierter Beitrag]: Sicherem Vernehmen nach...
[nicht signierter Beitrag]: In einem Neste bei Eichstätt...
[nicht signierter Beitrag]: Aus "Life": Der russische Doppeladler
Loki: Onkel Sam mit der neuen Brille
Michael Georg Conrad: Ein krankes Kind
Hermann, Herrmann [Ostini]: Der Bismarck-Thurm am Starnberger See
[nicht signierter Beitrag]: Die Abonnenten des heiligen Joseph
Michael Georg Conrad: Verehrte Redaktion!
 
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