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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 32 (5. August 1899)
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Der CDünzfund

Julius Diez (München)

Elegie

vieles Gefährliche birgt sich oft unter schimmernder pülle;

Sieh Dir die Schlangenhaut an, thut sie dem Auge nicht wohl?
Lieblich zu schaun ist auch das Fell blutgieriger Tiger
Und unteren Ordensgestirn schlägt oft ein grausames Herz;

Giftig verderbliches Kraut umhüllt oft das lichtbraune Deckblatt,
welches die Bauchbinde ziert — strahlend in Purpur und Gold! —
Einst von befreundeter Hand ward mir — straft Götter den Frevel! —
So ein Importengewächs meuchlerisch insinuirt.

Arglos nahm ichs entgegen, der falschen Freundschaft vertrauend,

Kurz war der Wahn, doch lang' währte die reuige Dual.

Habt Ihr, Freunde, gehört von Kreusas Brautkleid die Sage
Und der verzehrenden Vual, die es der Trägerin schuf?

Habt Ihr im Plato gelesen, wie Sokrates nach dem Genüsse
Jenes Schierlingsgetränks lähmende Wirkung gespürt?

Hätt' mir die Vorsehung nicht den widerstandsfähigen Magen,

Mir nicht die Nerven von Stahl, — Dank Euch Ihr Götter! — verliehn,
Schlimmer als Agrippinen und Herkules wär' mirs ergangen
Und als dem weisesten Mann, welchen einst Hellas gebar,

Und wie der Stier am Altar, vom blinkenden Beile getroffen,
wär' ich auf solchen Tabak sterbend zu Boden gestürzt. —

Eben hatt' ich den Gaumen geletzt am leckeren Mahle,
wie es der Hausfrau allein, niemals der Köchin geräth,

Spargel, wie Butter fo weich, und die Keule vom jährigen Hammel,
würdig, des Götteraltars festliche Spende zu sein,

Zarten Salat und Radieschen und Früchte in Butter gesotten
Gab's und ein gutes Glas wein schlürft ich bedächtig dazu,

Auch einen Benediktiner, der frommen Mönchlein Erzeugniß,

Setzt' ich als denkender Mensch dann noch wohlweislich darauf.

Ach, ich dachte ja nicht, daß zur Henkersmahlzeit beinahe
würde mir machen das Mahl jener Eigarre Genuß,

Die ich nunmehr in Brand mir setzte, o Fimmel, nicht ahnend,
welches verderbliche Gift unter dem Gürtel sie barg.

Anfangs ging es noch leidlich, obwohl die züngelnde Flamme,

Die aus dem Ende sofort wie ein Sankt Elmsfeuer schlug,

Einem Manne, der nicht, wie ich, optimistisch geartet,

Ahnungsvollen verdacht hätte im Busen erregt.

Aber ich dachte: „Ls darf schon die edle Importe auch schwer sein,"
Und so rauchte ich fort, tapfer durch blindes vertraun;

Ja ich fühlte mich gar als vir justusque tenaxque
Quem nil mente quatit, so wie Horaz ihn besingt,
wenig vertrauenerweckend indeß erwies sich das Brenzeln,

Und aus dem kohlenden Blatt Hub sich mephitischer Dampf.

Sicherlich war nicht der Oualm aus des Acheron schwälender Welle
Gräulicher, schlimmer gewiß nicht der betäubende brauch,
welcher dem Hexenkessel entsteigt am Ersten des Maimonds,

Drinnen das Gräßlichste schmort, was die Natur nur gebiert.
Dennoch rauchte ich weiter: Ein Härlein, dachte ich, ist es,

Und das verbrennt ja wohl schnell, dann kommt der Göttergenuß.
Grausam trog mich der Wahn! Entsetzlich erwies sich die Wirkung,
Und ich erreichte den Hof auch nur mit Mühe und Noth:

Deutlich sah ich im Zustand des fiebernden Somnambulismus,
wie auf dem Tabaksgefild Eubas Geifer und Gift
Gräuliche Vipern verspritzten und Skorpionen die Eier
Legten in jegliches Blatt, draus die Importen man formt,

Sah die blutigen Gräuel der spanisch-cubanischen wirren,

Und wie mit dampfenden Blut war die Vuelta gedüngt.

Ist es ein Wunder, daß dann der dort gewonnene Tabak
wirkte auf Körper und Geist wie der Bazillus der Pest?

Nicht mehr weiß ich genau, wie lange der Zustand gewährt hat,

Nur das Eine steht fest, daß ich im Garten mich fand,

Leider immer noch rauchend in ganz bewußtlosem Zustand,
was ja erklärlich wohl noch, aber verzeihlich nicht war.

Kalt nur raucht' ich zuletzt noch, wie Männer bei schweren Gelagen
Und ich erlernte dabei, wie mit dem „Priemen" es ist.

G wer wäre im Stande, nun mein Erwachen zu schildern
Und was dem Auge sich bot, als ich dann um mich geblickt.
Schlimmer könnten nicht sein die Greuel der ärgsten Verwüstung,
wäre der tückische Föhn über den Garten geweh't
Oder mit sengendem Hauch der Scirocco d'rüber gefahren,

Hätte der grimmste Vulkan Feuer und Asche gesxie'n:

Schlaff, verwelkt und verdorrt, vom Todeshauche gemordet,

Lagen so Blüthe wie Blatt, Knospe, Dolde und Frucht,

Alle die holden Kinder des Frühlings grausam gemordet
Und aus der vögelein Nest waren die Jungen gestürzt;

Kurz was wimmelt' und lebte auf Stauden, Bäumen und Sträuchern
Alles Insektengeschwärm, jegliches Raupengeschmeiß,

Alles lag da, gefällt vom langhinstreckenden Tode,

Reckte zum Himmel empor alle sechs Füße zugleich,

Selbst der Mineur im Sammtpaletot, der biedere Maulwurf,

Dachte des Engerlings nicht, dachte nur jählings auf Flucht
Und bis zur dritten Tiefbausohle seines Revieres
- wühlt' er in tödtlicher Angst sich vor dem Tobak hinab.

So ward zuletzt Gott Lob! noch das alte Sprichwort bestätigt,

Nie ist ein Unglück so groß, 's ist doch ein Glück noch dabei.

Gustav v. d. Milde

G. E. Dodge f
Register
George Ernest Dodge: Landschaft
Gustav v. d. Milde: Die Liebes-Cigarre
Julius Diez: Der Münzfund
 
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