DOI Heft:
Nr. 33 (12. August 1899)
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0113
Nr. 33 (Redaktionsschluss: 3. August 1899) • JUGEND •
1899
Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von versewitz
II. Bei Karl den großen
Letzthill bei Karl bett Jroßen mal —
Dingsda — Aachen — jewesen.
Münster besichtigt, Rathhanssaal,
Bädeker vorher jclcfcu . . ...
Malen ihn imlner mit langen Bart —
Einfach: Jeschichtskenntniß-Mangel:
Schnurrbart jetragen, preußische Art
Strammer Herr ä la wrangel . . ♦
Schon auf Schule jeschwärmt für ihn:
Wittekind eklig verhauen!
Flotte Töchter jehabt, bann Spleen
iDejen Unjlück mit Frauen . . .
Riesig jelehrtes Haus dabei!
Selber zwar nich jeschrieben,
Aber Dichter zur Schreiberei
Fortwährelld anjetrieben . . .
Ueberhaupt rührig janzell Tag —
wahrhaft doller Ieselle!
Schauert Einen, wenn Sarkophag
Sieht so all Ort un Stelle . . .
Neulich verdientes Dellkmal jekriegt —
Bischen verspätet jeschehen . . .
Braucht eben Zeit, bis Jroßes siegt:
Uns mal nich besser jehen!
£
III. Der Kölner Männerjesangverein
Kölner Männerjesangverein —
Fraglos Erster von Lhöreir —
Singt Piano unglaublich fein:
Mailchmal jar nich zu hörell!
Kassel jüngst wieder Preis jekriegt —
Sicher in Zeitung jelefcu ? —
Kette vom Deutschen Kaiser ersiegt,
Kaiser zujegen jewesell —
Alle Vereine Lieder scharmailt,
wunderbar vorjetragell;
Aber alle — Köllier Verballd
Stimmbandlällge jeschlagen!
Sieger nach Köln zurückjekehrt:
Janze Bevölkerung auf Beinell,
Menschenansammlung — nie erhört:
Hunderte von Vereinen!
Ianze Stadt Festschmuck! Riesenempfang
Jungfrauen, befrackte Reiter,
Spitzell, Behördell, willkommjesallg,
Labetrullk — un so weiter!
Hauptfestzauber im „Iürzenich" —
Saal in Bejeist'rung jeschwommen!
Jubel rein unjeheuerlich:
Sieger in Saal jekommell!
Rührende Rede Vereinspräsident,
Worte draus aufjefangen:
„welthistorischer Jeschichtsmomellt,
Kaisern: Kette behailgell —"
Janze Feier im jroßen Stil,
Andrer Stadt nie zu erreichen!
Mir imxonirt sehr! von Eivil
Kaum erwartet dergleichen!
Heißt ja, daß Kaiser Poesie
will durch Wettbewerb hebell-
Jlückt auch: — So poetisch wie nie
Mich jefühlt iloch im Leben!
Auf die Anfrage eines Kieler Blattes, wann
der Altonaer Bahnhof eröffnet worden sei,
verweigerte die dortige k. Eisenbahn-Direh
tion die Auskunft, weil die Frage „zur Be-
friedigung irgend eines Verkehrsbe-
dürfnisses ersichtlich nicht gestellt" sei.
Wenn demnächst der Teufel die deutsche „Fis-
kali tat" doch noch holen sollte, dann könnte
er ja auch gleich deren Vetter, den „deutschen
Bureaukratismus" mitnehmen!
In Hamburg hat ein „Offhier-Lawn-
Tennis-Turinr" (Turnir ist gut!) mit hohen
und allerhöchsten Preisen stattgcfnnden. Da
man durch diese ritterliche und, wie schon ihr
Name sagt, echt germanische Leibesübung die
Schlagfertigkeit des Heeres um ein Be-
deutendes zu steigern hofft, sollen nächstens
eigene Lawn-Tcnnis-Abtheiluugen in
der Armee eingerichtet werden. Diese erhalten
weiße Flauelluniform mit dem englischen Wap-
pen an der Mütze und goldene „rackem“ aus
den Achselklappen.
In Klausen bei Bozen hat einer den Andern
folgenden schweren Verbrechens vor dem Be-
zirksgericht angeklagt:
„dl. bl. hat zwei Schweine ausgewogen,
das Fleisch inlutherischeZeitungcn
eingemacht und dann das dadurch un-
genießbar gewordene Fleisch verkauft."
Der fromme Klausner hat so Unrecht nicht. Zum
Einwickeln von Schweinernem, Käse u. s. w.
würden sich ultramontane Tiroler Blätter,
allen voran der ehrenfeste „Burggräfler" weit
besser eignen, als lutherische Zeitungen.
TVii-.o*
Im „Deutschen Adelsblatt" muntert „einer derer von' zur
unbedingten Nachfolge der preußischen Regierung auf und schließt mit
der Apostrophe: „Gehorsam ist auch der Mameluk." —
Der bürgerliche Schiller schrieb zwar:
„Muth zeiget auch der Mameluk —
Gehorsam ist des Christen Schmuck" —
aber aus Gründen scheint „der Muth" fehlen zu sollen.
Rußland entwickeltsichmitMacht. Es soll über kurz. oder
lang durch eine Kalenderreform um 13 Tage vorwärts gebracht
werden. Dann ist es höchstens mehr um hundert Jahre in der Kultur zurück
(VrrXlifet 6ttm Lll.Xx 1fraI%ert
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
1899
Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von versewitz
II. Bei Karl den großen
Letzthill bei Karl bett Jroßen mal —
Dingsda — Aachen — jewesen.
Münster besichtigt, Rathhanssaal,
Bädeker vorher jclcfcu . . ...
Malen ihn imlner mit langen Bart —
Einfach: Jeschichtskenntniß-Mangel:
Schnurrbart jetragen, preußische Art
Strammer Herr ä la wrangel . . ♦
Schon auf Schule jeschwärmt für ihn:
Wittekind eklig verhauen!
Flotte Töchter jehabt, bann Spleen
iDejen Unjlück mit Frauen . . .
Riesig jelehrtes Haus dabei!
Selber zwar nich jeschrieben,
Aber Dichter zur Schreiberei
Fortwährelld anjetrieben . . .
Ueberhaupt rührig janzell Tag —
wahrhaft doller Ieselle!
Schauert Einen, wenn Sarkophag
Sieht so all Ort un Stelle . . .
Neulich verdientes Dellkmal jekriegt —
Bischen verspätet jeschehen . . .
Braucht eben Zeit, bis Jroßes siegt:
Uns mal nich besser jehen!
£
III. Der Kölner Männerjesangverein
Kölner Männerjesangverein —
Fraglos Erster von Lhöreir —
Singt Piano unglaublich fein:
Mailchmal jar nich zu hörell!
Kassel jüngst wieder Preis jekriegt —
Sicher in Zeitung jelefcu ? —
Kette vom Deutschen Kaiser ersiegt,
Kaiser zujegen jewesell —
Alle Vereine Lieder scharmailt,
wunderbar vorjetragell;
Aber alle — Köllier Verballd
Stimmbandlällge jeschlagen!
Sieger nach Köln zurückjekehrt:
Janze Bevölkerung auf Beinell,
Menschenansammlung — nie erhört:
Hunderte von Vereinen!
Ianze Stadt Festschmuck! Riesenempfang
Jungfrauen, befrackte Reiter,
Spitzell, Behördell, willkommjesallg,
Labetrullk — un so weiter!
Hauptfestzauber im „Iürzenich" —
Saal in Bejeist'rung jeschwommen!
Jubel rein unjeheuerlich:
Sieger in Saal jekommell!
Rührende Rede Vereinspräsident,
Worte draus aufjefangen:
„welthistorischer Jeschichtsmomellt,
Kaisern: Kette behailgell —"
Janze Feier im jroßen Stil,
Andrer Stadt nie zu erreichen!
Mir imxonirt sehr! von Eivil
Kaum erwartet dergleichen!
Heißt ja, daß Kaiser Poesie
will durch Wettbewerb hebell-
Jlückt auch: — So poetisch wie nie
Mich jefühlt iloch im Leben!
Auf die Anfrage eines Kieler Blattes, wann
der Altonaer Bahnhof eröffnet worden sei,
verweigerte die dortige k. Eisenbahn-Direh
tion die Auskunft, weil die Frage „zur Be-
friedigung irgend eines Verkehrsbe-
dürfnisses ersichtlich nicht gestellt" sei.
Wenn demnächst der Teufel die deutsche „Fis-
kali tat" doch noch holen sollte, dann könnte
er ja auch gleich deren Vetter, den „deutschen
Bureaukratismus" mitnehmen!
In Hamburg hat ein „Offhier-Lawn-
Tennis-Turinr" (Turnir ist gut!) mit hohen
und allerhöchsten Preisen stattgcfnnden. Da
man durch diese ritterliche und, wie schon ihr
Name sagt, echt germanische Leibesübung die
Schlagfertigkeit des Heeres um ein Be-
deutendes zu steigern hofft, sollen nächstens
eigene Lawn-Tcnnis-Abtheiluugen in
der Armee eingerichtet werden. Diese erhalten
weiße Flauelluniform mit dem englischen Wap-
pen an der Mütze und goldene „rackem“ aus
den Achselklappen.
In Klausen bei Bozen hat einer den Andern
folgenden schweren Verbrechens vor dem Be-
zirksgericht angeklagt:
„dl. bl. hat zwei Schweine ausgewogen,
das Fleisch inlutherischeZeitungcn
eingemacht und dann das dadurch un-
genießbar gewordene Fleisch verkauft."
Der fromme Klausner hat so Unrecht nicht. Zum
Einwickeln von Schweinernem, Käse u. s. w.
würden sich ultramontane Tiroler Blätter,
allen voran der ehrenfeste „Burggräfler" weit
besser eignen, als lutherische Zeitungen.
TVii-.o*
Im „Deutschen Adelsblatt" muntert „einer derer von' zur
unbedingten Nachfolge der preußischen Regierung auf und schließt mit
der Apostrophe: „Gehorsam ist auch der Mameluk." —
Der bürgerliche Schiller schrieb zwar:
„Muth zeiget auch der Mameluk —
Gehorsam ist des Christen Schmuck" —
aber aus Gründen scheint „der Muth" fehlen zu sollen.
Rußland entwickeltsichmitMacht. Es soll über kurz. oder
lang durch eine Kalenderreform um 13 Tage vorwärts gebracht
werden. Dann ist es höchstens mehr um hundert Jahre in der Kultur zurück
(VrrXlifet 6ttm Lll.Xx 1fraI%ert
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
[nicht signierter Beitrag]: In Hamburg hat ein...
[nicht signierter Beitrag]: Auf die Anfrage eines Kieler Blattes...
[nicht signierter Beitrag]: Rußland entwickelt sich...
[nicht signierter Beitrag]: In Klausen bei Bozen...
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: II. Bei Karl dem
[nicht signierter Beitrag]: Im "Deutschen Adelsblatt"...
Monogrammist Wespe: Gallifet beim Abholzen
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: III. Der Kölner
[nicht signierter Beitrag]: Auf die Anfrage eines Kieler Blattes...
[nicht signierter Beitrag]: Rußland entwickelt sich...
[nicht signierter Beitrag]: In Klausen bei Bozen...
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: II. Bei Karl dem
[nicht signierter Beitrag]: Im "Deutschen Adelsblatt"...
Monogrammist Wespe: Gallifet beim Abholzen
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: III. Der Kölner