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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 38 (16. September 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0190

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Nr. 38

• JUGEND

1899

A-oitea:_95T

, Es stammt das menschliche Geschlecht vom Affen nie und nimmermehr!"
So rufen sie und haben Recht: Vom Affen stammt der Mensch nicht her,
Du sagst: Es wuchs aus einem Holz der Affen, wie der Menschen Art -
Ist's besser nun für Deinen Stolz, daß aus dem Ahn ein Vetter ward?

In ein Museum wird
Alles einst einrangiert,

Kriegt dann im Baedeker
Wohl einen Stern,

Und die Engländer
Betrachten es gern.

Institutsdiener

wer tastet hier mit unberufner k^and
An der historischen Sammlung Instrumenten?
Sctb Ihr vielleicht ein Staatsexaminand,
Dann bitte ich, nach dorthin sich zu wenden!

Faust

verzeiht, ich war wohl früher hier zu L)aus.
Die Thür da führte auf den Gang hinaus,
Es wohnte Wagner dort.

Diener

Ja, unser Meister!

Faust

Der Herr Professor?

Diener

Wagner heißt er!

Faust

Ich muß ihn sehn!

Diener

Daß ihr ihn nicht geniert!

Der Herr Geheimerath mikroskopiert.

Faust

(schiebt den Diener bei Seite und tritt ein)
Sieh da! Noch immer unverdrossen!

Zwar grau der Bart, doch lebhaft das

verständniß,

Durchpflügt Ihr noch mit schweren

weisheitsrossen

Den steinereichen Acker der Erkenntniß!
Wagner

(dreht sich rnn und erkennt Faust)

Mein Herr, bevor wir weiter unterhandeln,
Belieb's Euch, Eure Sprache umzuwandeln,
Falls Ihr mit mir verkehren wollt:
Geheimrath bin inzwischen ich geworden,
Bedeckt mit würden, Titeln, giiRmeu Orden,
Indessen Dich der Teufel hat geholt.

Faust

Oho, Ihr irrt Euch! Lest des Dramas Schluß,
wie ich entrann der Hölle Finsternuß!

Wagner

Nun ja, man weiß, Ihr hattet Protektion,
Kamt unverdient mit blauem Aug' davon!
Der Handel war nicht eben fein.

Faust

Ihr gönntet mir wohl recht die Höllenpein?
Wagner

Gewiß! Denn was Du auch getrieben hast,
Stets warst ein Träumer Du, ein Erzphantast!
weil Du der Dinge Ursprung nicht erkennst,
Das Wesen allen Seins, wie Du es nenust,
verhöhntest Du im frechen Ueberheben
Exakter Forschung mühsam vorwärtsstreben!

Faust

Fürwahr, das that ich; das war unbedacht,
Denn sicher habt Ihr's herrlich weit gebracht.

Wagner

Das haben wir; die Arbeit war nicht leicht,
Doch darf ich sage::: Großes ist erreicht.
Organ'sche Stoffe, wohl ein ganzes Heer,

Die stellen wir schon längst synthetisch her;
Leicht messen wir des Aethers zarte Welle.
Den Lauf des Blutes, des Gedankens Schnelle.
Des Schlafes Tiefe, wie des Muskels Kraft;
wir kennen der Krystalle Eigenschaft,
Geheimer Kräfte räthselvolles walteil
Muß sich, tu unfern Dienst gezwängt, entfalten.
Uns trägt der Dampf in ungeahnte weite::,
wir walrdeln Luft und Gas zu Flüssigkeiten,
wir zieh':: wie Vögel durch des Fimmels Gründe,
wir tauchen in des Meeres grause Schlünde,
Leicht zu den Antipode:: fliegt die Rede,
vom Blitz getragen durch die Eisendrähte,
Und um die unvollkommene Reih' zu endegen,
Das Undurchsichtege selbst durchleuchtet Röntgen.

Faust

Ich stehe starr, geblendet von der Pracht,

Mit der der Weisheit Tempel sich entfaltet.
Ich seh die Forscher forschen Tag und Nacht
Mit glüh'ndem Eifer, welcher nie erkaltet.
Nun könnt Ihr mir aus Eures Wissens Schatz
Gewiß auf eine Frage Antwort geben.

O sagt mir nur in einem kurzen Satz
'ne Kleinigkeit: sagt, wie entsteht das Leben?

Wagner

In diesem Punkte sag' ich nicht zu viel,
wenn ich behaupte, man ist nah an: Ziel!

(Er nimult einen Glaskolben mit trüber Flüssig-
keit herunter)

Seht her! Hier sind die Stoffe wohl gemischt,
Und auch die Temp'ratur ist scharf erwogen;
Nun setz' ich Säure zu,- seht, wie es zischt —
Ein Augenblick, und alles ist vollzogen,

Und was noch eben unorganisch webte,

Es gleitet sanft hinüber ins Belebte.

Lin

Wiedersehen

Dr. Faustus redivivus

(wandelt durch die Straßen der Universität)

Da steht das Nest noch ziemlich unverrückt,
Darinnen ich die Buben einst beglückt
Mit Weisheitskram, an den ich selbst nicht

glaubte,

Und ihnen Worte in den Schädel schraubte.
Noch immer wollen die krummen Gassen
Verein das Sonnenlicht nicht lassen —

Thuen dafür die Mädchen :uit blauen
Acugelein aus den Fenstern schauen,
verschnörkelte Erker noch allerorten,

Aber die Leute sind anders worden.

Zwar brüllen noch an allen Enden

Aus rauchigen Kneipen die Herren Studenten;

Aber ach, wie sehen sie aus:

Die Locken, der Federhut, der Flaus,

Die sind zum Teufel! Statt dessen, o weh!
Durchzieht das Haupt eine „Lausallee";

Nach rechts und links hin starren gerade
' Die blonden Borsten, gehüllt in po:nade,

Und auch der Schnurrbart, von Gummi feucht,
Scheint mir zu sagen: „Es ist erreicht".

(Er öffnet ein rostiges Thürschloß und tritt in
sein Studierzimmer)

Da ist sie noch, die hehre Rumpelkammer,

Die alten Knochen, Tiegel, perga:nente;

Im Staub erblindet, welch ein Jammer,
verwirren sich die krausen Instrumente.
Fürwahr, fast treibt mich's zu den: Unterfangen,
Noch einmal der Natur zu Leib zu rücken,
Im Bund mit diesen wunderlichen Zangen
Die tiefste Wahrheit ihr herauszuzwicken.

(Er nimmt wehmütig ein verrostetes Instrument
herunter und dreht eine Schraube)

Thor der Instrumente und Tiegel

wie er zu schrauben :ucint,

O, der Naive!

Der da zu glauben scheint,

So primitive
Werkzeuge hätten
veutzutag irgend Werth.

Uns Raritäten

Ist nur der Trost bescheert:

All die polierten
Höchst komplizierten
Forschinstrumente
von: neuesten Datum
verfallen am Ende
Dem nämlichen Fatum!

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Register
Julius Diez: Ahn und Vetter
F. S. [Salzer]: Ein Wiedersehen
 
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