Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 39 (23. September 1899)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0211
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 39

. JUGEND- .


Arbeitslose

— Verfluchte Bummelei wird mir jetzt langweilig, werd es mal mit Arbeit versuchen.

— Da nimmst Du aber ja andern das Brod weg!

— Donnerwetter, daran Hab ich noch gar nicht gedacht! — Also ist das auch nischt!

Aus der Kindheit berühmter Männer

Ein kleiner Knabe bekam jeden Sonntag
von seinem Vater einen Silbergroschen
geschenkt, mit dem er die Woche hindurch aus-
kommen sollte, der aber gewöhnlich nur ein
paar Tage vorhielt. Da kam er auf einen
famosen Gedanken und dieser ließ ihm Tag
und Nacht keine Ruhe, bis er ihn ausgeführt.
Er ging zur Kgl. Preußischen Staats-Eisen-

bahn und legte den Groschen auf die Schienen,
damit die Staatseisenbahn darüber hinweg-
fahre und ihn groß und breit mache. Der
Kleine glaubte in seiner llnschuld, daß dann
wirklich ein Zweigroschenstück daraus werde und
seine Kasse also doppelt so lange währe.

Er wurde auch später ein großer Freund
der Doppelwährung. Sein Name war Wil-
helm v. Kardorff.

6,8

iä99

Ein kleiner Knabe hatte eine über alle
Maßen ländliche Gesichtsfarbe. Im Zorn
wurde er sogar kirschroth und selbst in Augen-
blicken der höchsten Angst und Nervosität der
Verdauungsorgane behauptete sein Antlitz im-
merhin noch eine muntere Erdbeerfarbe. Er war
überhaupt ein ländlicher und.wunderbarer Kna-
be, ist auch später, wenn auch nur ein schwacher
Parlamentarier, so doch niemals blaß geworden.
Er hieß Arnold Woldemar v. Frege.

Ein kleiner Knabe hatte einen kleinen
Schweinetrog gefunden und trieb sein Spiel
damit.

„Was willst Du denn mit dem Schweine-
trog?" fragte ihn ein freundlicher Herr.

„Dariiber spann' ich Zwirnsfäden, dann ist
es eine schöne Mandoline!" sagte der Kleine.

Und er that also und sang dazu immerfort
mit fröhlichem Muth den alten Vers:

„Mag' auch'die Kuh Muskate?

Sie frißt nur Haberstroh",
weil -er dies für eine höchst lobenswerthe Eigen-
schaft der Kuh hielt.

^r wurde auch später ein vorzüglicher Lit-
teraturkenner, der gern über Bilder urtheilte.
Er hieß Ernst Lieber.

Ein kleiner Knabe fand einen ganz alten
Rock und betrachtete ihn mit großer Freude.

„Ein brillanter StoffI" sprach er bei sich.

Er besah ihn noch einmal und sagte ent-
schlossen: „Damit ist was zu machen!"

Der Stoff war freilich sehr verschossen und
abgegriffen; aber der Kleine behandelte ihn
nrit Tinte und Feder und machte ein aus-
gezeichnetes Geschäft damit.

Der kleine Knabe hatte vier. Beine und
vier Arme, aber nur ein Herz und eine Seele
und wurde später ein großer Stückarbeiter. Er
hieß Blumenthal & Kadelburg.

CÜÖ

Aus dem lyrischen Tagebuch
des Leutnants von versewitz

VII. Heidelberg

Heidelberg — braucht einfach Na me nur.
Jalle uns aufzurühren
Iallier wegen (Calembourg!) —
Unsereins doppelt verspüren!

Scheußlich jchaust hier Melac's Corps,
Aber muß zujestehen:

Schöner je worden Schloß als zuvor,
Brand mit Je sch mack geschehen.

plan betrachtet, drauf Schloß noch janz:
Steifen Charakter jetragen.

Erst nach Ruin poetischen Ilanz —
Brandmalerei, sozusagen!

Freche Iesellen, Mordbrennerschwarm,
Sich nich vor Schönstem geniren —

Aber echt jallisch: nie ohne CH arm!
Chic selbst im Dcmolircn!

wundervoll hier so in Sommerluft
Nachts mit Ramraden soupiren:
Mondenschein, Nachtijall'n, Flicdcrduft —
Rein um Verstand zu verlieren!

Riesig fidel durchzechtc Nacht:

Mädels erst — Tanzbein jeschwungen,

Toast dann perkeo, Scheffel jebracht,
Schließlich „Trompeter" jesungen!

Morjens erwacht auf — Molkenkur...
Ausjebrannt Rehle wie Rrater!

Acußerst schwache Erinnerung nur,

Ropfweh un ekliger Rater...

Schleunigst verfügt zu Riescnfaß:

Tüchtig bejießen lassen...

Aufjelebt! Macht sich alles — was?

Muß nur Entschließung fassen!
Register
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
Emil Erck: Arbeitslose
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Kindheit berühmter Männer
 
Annotationen