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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 43 (21. Oktober 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0265
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Nr. 43

JUGEND

1892

Die Aomitee-Sihung

Von Zedor v. Zobeltitz

Personen:

Graf wehren-wehrenhold; lang, hager, graue Fa-
voris, Monocle.

Geheim. Rominerzienrath Silbener; dick, bartlos,
kleine Aeugelchen, breites Lächeln.

Prof. Dr. Rattenius; Vitelliuskopf, aufgeworfene
Lippen, borstiges weißes Haar.

Dr. Assinor; jung, geschmeidig, bildhübsch, sehr elegant.
Frhr. v. Schultze-Schultzenhagen; gigerlhaft, leb-
hafte Ordensrosette.

Felix Anton Goldschmidt: Burgundernase, vergnügte
Augen, flotter Schnurrbart.

Ort:

Hintcrzimmer im Restaurant Dressel in Berlin.

Graf wehren: Also, meine Herrn
morjen, lieber Professor.. . also, meine Herrn,
ich eröffne hiermit unsre dritte Sitzung über
die geplanten Volksheilstätten an der Ost-
see ... Daß wir dabei gleichzeitig zu Mittag
essen, wird unser'n Verhandlungen, denk' ich,
keinen Abbruch thun. . . Bester Jeheimrath,
tragen Sie uns doch 'mal das Menü vor!

Silbener: Kraftbrühe mit Geflügelbröd-
chen. . . aha, ein deutsches Menü —

Frhr. v. Schulye: Hahahaha — unser
oller Rudolf wird patriotisch —

Silbener: Steinbutt mit Colbert-Tunke—
Prof. Aattenius: Ich protestire! Ich habe
draußen Forellen gesehen —

Graf wehren: Eduard, streichen Sie den
Steinbutt und setzen Sie Forelle dafür!

vr. Assinor: Blau natürlich.

Aber hören Sie 'mal, Ede, ich bitt'
mir aus: tadellos! Ich bitt' mir
aus, daß man nicht wieder den Essig
durchschmeckt —

Silbener: Rinderfilet mit Ge-
müsen— AuflanfvonHaselhühnern—
Goldschmidt: Ta warn' ich.
Manscherei, meine Herr'n!

Silbener: Ist richtig. Lassen
wir den Auflauf fallen und setzen wir
Haselhuhn an Stelle des Bratens —

Graf wehren: Was jibt's

denn vor'n Braten?

Silbener: Kapaun —

Goldschmidt: Der ew'ge Kapaun... man
hat keine Freude mehr am Menschlichen!

Graf wehren: Also einverstanden, Je-
heimster —

Silbener: Hummer mit Kräutersauce —

vr. Assinor: Nee... das kann Keiner ver-
langen —

Goldschmidt: Schmurgeltunke —

Prof. Aattenius: Der Ede soll erst 'mal
fragen, ob nicht Languste da ist... Sagen Sie
'mal, Herr Graf, bauen wir denn das Sana-
torium —

Silbener: 'N Moment Professor, — ich
bin gleich fertig ... Braten — bleibt Hasel-
huhn. Eingelegte Früchte, Salat —

Dr. Assinor: Frisches Kompott, Geheim-
rath — frisches Kompott, Geheimrath —

Silbener: Ist gemacht! ... Spargel mit
Rahmsauce —

Prof. Aattenius: Nh jeh!

Goldschmidt: Diese Saucen, diese Saucen!

Silbener: Eis —

Graf wehren: Verzicht' ich — das hält
mein Magen nicht aus.

Frhr. von Schulye: Als ich das letzte
Mal bei Allerhöchst in Koburg zu Dienst be-
fohlen worden — haha — da hatte — da
gab es —

vr. Assinor: Ede, Euer Eis ist gewöhnlich
gefror'nes Wasser —

Goldschmidt: Nehmen wir schon lieber
irgend 'ne leichte Speise —

Prof.Aattenius: Oder bleiben wir beim
Eis, dann bitte eine Omelette 8urpri8e —

Silbener: Bravo! Da kann man immer
d'ran nippen! Schluß: Käsestangen, Nachtisch —

vr. Assinor: Sei'n Sie so gut! Käse-
stangen — brrr — warum nicht Haifischflossen?!
Graf wehren: Butter und Käse — cela —
Frhr. von Schulye: Oder Welsch Rare-
bits. Allerhöchst haben immer —

Silbener: Sagen wir Beides! Ede — mw
die Beine in die Hand!

Prof. Aattenius: Na und die Weine?
Graf wehren: Können wir von Fall zu
Fall erörtern — von Gang zu Gang. Be-
ginnen wir endlich! Jeheimer, bitte das Pro-
tokoll der letzten Sitzung!

Silbener: Anwesend waren: vom Vor-
stand —

vr. Assinor : Pardon, Herr Graf, aber ich
meine, wir bestellen wenigstens immer den
Wein zum Fisch. Er wird gekühlt werden
müssen.

Graf wehren: Bon. Rhein oder Mosel?
Goldschmidt: Erlauben Sie 'mal, das ist
mein Gebiet! Weiß ich, roth Silbener. Pro-
ponire: Mosel zur Forelle, Rhein zur Lan-
guste? Ede, es gibt doch Languste? Ja. es
gibt Languste —

Fuhr, von Schulye: War' ooch noch
döller. Am Koburg'schen Hofe haben wir -
Dr. Assinor: Goldschmidt, suchen Sie uns
'mal was Süffiges 'raus —

Prof. Aattenius: Bin mehr für 'n feineren .
Tropfen —

»Silbener: I nu' ja. Können uns aus
das Gedeihen der Volksheilstätten schon 'mal
was Gutes leisten!

Goldschmidt: Aber ^radatim, Messieurs.
Silbener, ich kenn' Sie. Sie kommen nachher
mit dem schweren Geschütz. Ede, eine scchs-
undsiebziger Zeltinger Auslese! Aber nicht
in Eis.

Silbener: Anwesend waren: vom Vor-
stand fünf Herren, nämlich wir; vom Aus-
führungskomitee: Battrath Klössel —

vr. Assinor: Wo steckt denn der Klössel?
Prof. Aattenius: Herrschaften, die Forelle
sieht delikat aus.

Graf wehren: Weil sie eben erst aus
dem Wasser gekommen ist. Sobald sie ab-
steht, ist's aus.

Goldschmidt: Daß es immer noch Leute
gibt, die die Forelle gebacken essen —

vr. Assinor: Gibt's nicht mehr. Höchstens
im Sudan. Geback'ne Forelle —
mein Magen krümmt sich!

Prof. Aattenius: Sagen Sie
das nicht, Dottore. In England
hat man eine Fischfarce aus Kar-
pfenfleisch mit Trüffeln und Cham-
pignons, die auch eine gebackene Fo-
relle recht schmackhaft macht. Aber
die Forelle muß vorher xit Weißwein
gekocht worden sein.

vr. Assinor: Nein, Professor.
Verzeihen Sie, aber ich sage Nein.
Der einzige Wein, in dem man
allenfalls die Forelle kochen kann, ist
Tokayer, und zwar guter Tokayer.

Jul. Diez

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Register
Fedor v. Zobeltitz: Die Komitee-Sitzung
Paul Horst-Schulze: Zeichnung ohne Titel
Julius Diez: Narr
 
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