Nr. 47
Die deutsche Gintzeitsmarke!
Line deutsche LinheitsmarKe.
welche man auf Briefe klebt,
Wird zur Zeit durch eine starke
Strömung dringend angestrebt!
Und begeistert von den Mustern,
Die ich diesbezüglich sah,
Mit dem Bildniß des illustern
Heldenweib's Germania,
Spend' ich fraglicher Bewegung
Meinen Beifall unbedingt,
Denn gerecht ist die Erwägung,
welcher dieser Wunsch entspringt.
Schreibt der Mensch mal in Gedanken —
Rur ein Beispiel führ' ich an! —
Linen Brief in Dberfranken,
Sitzend auf der Lisenbahn,
Klebt dann noch in Bayerns Gauen
Line Bayernmarke d'rauf,
Gibt ihn aber erst in Plauen,
Wenn der Zug dort anhält, auf:
Dann behandelt unerbittlich
Ihn die Post als unfrankirt —
Ist das logisch? Ist das sittlich,
Daß man so behandelt wird?
Dder: wenn ein Mensch aus Danzig
Gder Königsbergs Distrikt
Etwa eine Mark und zwanzig
Unter Brief nach München schickt,
Thut er Silber nicht und Wickel,
Sondern Marken in den Brief —
Aber der verrückte Zwickel,
Der's bekommt, sagt ganz naiv:
„Marken von der Reichsregierung
Rehm' ich nicht an Zahlung an,
Weil ich loco zur Zrankirung
Diese nicht verwenden kann!" --
Alle solche Uebelstände
Treten schleunigst außer Kraft,
JUGEND
John Bull packt die Brieftauben ein, die in
Transvaal für den englischen Kriegsnachrichten-
dienst verwendet werden sollen.
(Petit Bleu)
Wenn man zur Zahrhundertwende
Line LinheitsmarKe schafft.
Freilich denk' ich nur mit Grauen
An das Unkenwehgeschrei
Unsrer allzu weiß und blauen
Ultrademagogerei!
Dieser käm' es in der That recht,
wenn sie sagen könnte, daß
wiederum ein Reservatrecht
Iener preußenerlaß fraß.
Huh! wie brüllten ste durch's Zensier
Von des Landtags hohem Haus,
Malten schreckliche Gespenster
Für die lieben Wähler aus!
Und daß die es hören thäten,
Dieses wäre ja der Zweck —
Denn 12 Mark im Tag Diäten
Sind doch wahrlich — nicht von Blei!
Rein, bevor ihr auf die Mühle
Dieser Kunden waffer schickt,
Lasset lieber die Gefühle
Deutscher Einheit unterdrückt!
Lieber soll man künftig pappen,
wenn man nur drei Meilen fährt,
Auch ein and'res Landeswappen^
Wiederum auf's Briefcouvert!
Einmal kommt ja doch dem Lande
Iener Tag nach langer Rächt,
Wo die dunkle Schwefelbande
Der Verdummung Pleite macht.
Dann zu neuen Markenmustern
Ist wohl auch die Stunde da,
Mit dem Bildniß des illustern
Heldenweib's Germania!
Biedermeier mit vi
1899
wir haben keine Qtteratuv mehr!
In irgend einer Versammlung mecklenburg-
ischer Konfession hat ein Pastor v. Broecker der
modernen Dichtung einen Vortrag versetzt, nach
dem sie sich nicht wieder erheben dürfte. Der
Mann sprach über „Die neuere schöne Litteratur
Deutschlands im Lichte des Christenthums" und
dekretirte u. a. das Folgende:
Seit der Mitte des Jahrhunderts sei die poe-
tische Produktion herabgesunken, indem hervor-
ragende Geister ihre Betätigung auf andere
Gebiete verlegten. Wir ständen in einer Zeit
des poetischen Verfalls, in der kaum irgend-
wie bedeutende Dichter zu finden seien. Das
jüngste Deutschland suche dafür das Interesse
des Publikums mit irgend welchen neuen,
u n p o e 1i s ch e n Mitteln zu erwecken. Es spreche
nur die Anschauungen einer kleinen Minder-
heit aus. Zu unterscheiden seien die Unter-
haltungslitteratur und die eigentliche Litteratur.
Zur eigentlichen Litteratur gehörten u. a. Heyse,
Seidel, D§hn und Ebers, unter den neuesten
vielleicht Gerh. Hauptmann („Hannele" und
„Versunkene Glocke") und Sudermann in
„Frau Sorge." Frommel, Fries, Oertel
u. a. seien auf dem richtigen Wege, um vielleicht
eine Wiedergeburt der Litteratur anzubahnen.
Diese bedürfe der Ideale und die könne nur
das Christenthum dem Volke vermitteln.
Besser werden könne es nur, wenn unser Volk
seinen Gott wiederfinde und Gott uns wieder
echte Dichternaturen schenke.
Diese wachslichtvollen Ausführungen ver-
dienen volles Lob. Wie wahr alles, wie ein-
dringend, wie geistreich! In der Zeit des Ortho-
doxismus und des Pietismus alle diese Sterne
erster Größe, diese Riesendichter wie Opitz,
Fleming, Gryphius, Paul Gerhardt, Grimmels-
hausen, Hoffmannswaldau, Lohenstein, Brockes,
Haller, Hagedorn, Bodmer, Breitinger, Rabener,
Geliert re. k. , die Kleineren gar nicht gerechnet
— und dann in der Periode der Aufklärung
und des kirchlichen Jndisferentismus dieser jähe,
dieser tiefe Sturz zu einem Wieland hinab, einem
Lessing, einem Schiller, ja selbst bis zu einem
Goethe hinunter! Mit erschreckender Klarheit
sehen wir an Goethe, wie das moderne Heiden-
Die „umgeschmolzenen" Dioskuren
Björnson und Ibsen sind unzufrieden mit den Kolossalstatuen, die ihnen unlängst vor dem Nationaltheater errichtet wurden. Ersterer betrachtet
sein Bildnis; nur mit zorniger Erregung, letzterer das seine überhaupt nicht In maßgebenden Kreisen beabsichtigt man deshalb, die beiden
mißlungenen Bronzemonumente in zwei — Löwen umzugießen. (Zeitungsnachricht aus Christiania.)
Die deutsche Gintzeitsmarke!
Line deutsche LinheitsmarKe.
welche man auf Briefe klebt,
Wird zur Zeit durch eine starke
Strömung dringend angestrebt!
Und begeistert von den Mustern,
Die ich diesbezüglich sah,
Mit dem Bildniß des illustern
Heldenweib's Germania,
Spend' ich fraglicher Bewegung
Meinen Beifall unbedingt,
Denn gerecht ist die Erwägung,
welcher dieser Wunsch entspringt.
Schreibt der Mensch mal in Gedanken —
Rur ein Beispiel führ' ich an! —
Linen Brief in Dberfranken,
Sitzend auf der Lisenbahn,
Klebt dann noch in Bayerns Gauen
Line Bayernmarke d'rauf,
Gibt ihn aber erst in Plauen,
Wenn der Zug dort anhält, auf:
Dann behandelt unerbittlich
Ihn die Post als unfrankirt —
Ist das logisch? Ist das sittlich,
Daß man so behandelt wird?
Dder: wenn ein Mensch aus Danzig
Gder Königsbergs Distrikt
Etwa eine Mark und zwanzig
Unter Brief nach München schickt,
Thut er Silber nicht und Wickel,
Sondern Marken in den Brief —
Aber der verrückte Zwickel,
Der's bekommt, sagt ganz naiv:
„Marken von der Reichsregierung
Rehm' ich nicht an Zahlung an,
Weil ich loco zur Zrankirung
Diese nicht verwenden kann!" --
Alle solche Uebelstände
Treten schleunigst außer Kraft,
JUGEND
John Bull packt die Brieftauben ein, die in
Transvaal für den englischen Kriegsnachrichten-
dienst verwendet werden sollen.
(Petit Bleu)
Wenn man zur Zahrhundertwende
Line LinheitsmarKe schafft.
Freilich denk' ich nur mit Grauen
An das Unkenwehgeschrei
Unsrer allzu weiß und blauen
Ultrademagogerei!
Dieser käm' es in der That recht,
wenn sie sagen könnte, daß
wiederum ein Reservatrecht
Iener preußenerlaß fraß.
Huh! wie brüllten ste durch's Zensier
Von des Landtags hohem Haus,
Malten schreckliche Gespenster
Für die lieben Wähler aus!
Und daß die es hören thäten,
Dieses wäre ja der Zweck —
Denn 12 Mark im Tag Diäten
Sind doch wahrlich — nicht von Blei!
Rein, bevor ihr auf die Mühle
Dieser Kunden waffer schickt,
Lasset lieber die Gefühle
Deutscher Einheit unterdrückt!
Lieber soll man künftig pappen,
wenn man nur drei Meilen fährt,
Auch ein and'res Landeswappen^
Wiederum auf's Briefcouvert!
Einmal kommt ja doch dem Lande
Iener Tag nach langer Rächt,
Wo die dunkle Schwefelbande
Der Verdummung Pleite macht.
Dann zu neuen Markenmustern
Ist wohl auch die Stunde da,
Mit dem Bildniß des illustern
Heldenweib's Germania!
Biedermeier mit vi
1899
wir haben keine Qtteratuv mehr!
In irgend einer Versammlung mecklenburg-
ischer Konfession hat ein Pastor v. Broecker der
modernen Dichtung einen Vortrag versetzt, nach
dem sie sich nicht wieder erheben dürfte. Der
Mann sprach über „Die neuere schöne Litteratur
Deutschlands im Lichte des Christenthums" und
dekretirte u. a. das Folgende:
Seit der Mitte des Jahrhunderts sei die poe-
tische Produktion herabgesunken, indem hervor-
ragende Geister ihre Betätigung auf andere
Gebiete verlegten. Wir ständen in einer Zeit
des poetischen Verfalls, in der kaum irgend-
wie bedeutende Dichter zu finden seien. Das
jüngste Deutschland suche dafür das Interesse
des Publikums mit irgend welchen neuen,
u n p o e 1i s ch e n Mitteln zu erwecken. Es spreche
nur die Anschauungen einer kleinen Minder-
heit aus. Zu unterscheiden seien die Unter-
haltungslitteratur und die eigentliche Litteratur.
Zur eigentlichen Litteratur gehörten u. a. Heyse,
Seidel, D§hn und Ebers, unter den neuesten
vielleicht Gerh. Hauptmann („Hannele" und
„Versunkene Glocke") und Sudermann in
„Frau Sorge." Frommel, Fries, Oertel
u. a. seien auf dem richtigen Wege, um vielleicht
eine Wiedergeburt der Litteratur anzubahnen.
Diese bedürfe der Ideale und die könne nur
das Christenthum dem Volke vermitteln.
Besser werden könne es nur, wenn unser Volk
seinen Gott wiederfinde und Gott uns wieder
echte Dichternaturen schenke.
Diese wachslichtvollen Ausführungen ver-
dienen volles Lob. Wie wahr alles, wie ein-
dringend, wie geistreich! In der Zeit des Ortho-
doxismus und des Pietismus alle diese Sterne
erster Größe, diese Riesendichter wie Opitz,
Fleming, Gryphius, Paul Gerhardt, Grimmels-
hausen, Hoffmannswaldau, Lohenstein, Brockes,
Haller, Hagedorn, Bodmer, Breitinger, Rabener,
Geliert re. k. , die Kleineren gar nicht gerechnet
— und dann in der Periode der Aufklärung
und des kirchlichen Jndisferentismus dieser jähe,
dieser tiefe Sturz zu einem Wieland hinab, einem
Lessing, einem Schiller, ja selbst bis zu einem
Goethe hinunter! Mit erschreckender Klarheit
sehen wir an Goethe, wie das moderne Heiden-
Die „umgeschmolzenen" Dioskuren
Björnson und Ibsen sind unzufrieden mit den Kolossalstatuen, die ihnen unlängst vor dem Nationaltheater errichtet wurden. Ersterer betrachtet
sein Bildnis; nur mit zorniger Erregung, letzterer das seine überhaupt nicht In maßgebenden Kreisen beabsichtigt man deshalb, die beiden
mißlungenen Bronzemonumente in zwei — Löwen umzugießen. (Zeitungsnachricht aus Christiania.)