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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 48 (25. November 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0351
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Nr. 48

An England

(Rüttelreime)

O, hochgepriesnes Engeland,

Veralteter Gepränge Land,

Dünkst Dich der irdfchen Engel Land:

Du bist der rüden Bengel Land,

Der öden Ladenschwengel Land,

Der dürren Menfchenstengel Land,

Der Sprachen-Stamm-Gemenge Land,

Der schlecht gekochten Gange Land,

Der unmelodischen Rlänge Land,
Verdummender Gesänge Land,

Das puritanisch strenge Land.

Sociales Lliquen-Rängeland,

Post-, Rechts-, und Heeres-Mängelland,
Europas ewiges Drängelland,

Hey-, Lügen-, wühl- und Nuängelland,
politisches Mord- und Sengeland
Bist Du, gepriesnes Engeland. Ergo

ä

Lin Dunkelmänner-Brief

Wenn die bayrischen Kammerklerikalen er-
fahren, daß beim Oktoberfest ein lutherischer
Rindviehzüchter den ersten Preis für sein Pro-
dukt bekommen hat und ein katholischer den
zweiten, so klagt in der Kammer Herr Daller
oder Herr Schädler über die mangelhafte Pa-
rität und über die Zurücksetzung der Katho-
liken in Bayern. Das war bis jetzt berechtigte
Eigenthümlichkeit unseres Centrums. Aber
nun zeigt sich's, daß sie „drüben" nicht besser
sind: „Im „Neuen Sächsischen Kirchenblatt"
veröffentlicht Archidiakonus Dr. Neubert aus
Dresden eine Epistel, worin er dem „Befrem-
den, ja dem wachsenden Unmuth" darüber
Ausdruck gibt, daß die kgl. Galerie-Kommission
beim Ankauf von Gemälden neuerer Meister
mit Vorliebe unter den Figuren-, beziehungs-
weise Genrebildern ihr Augenmerk auf solche
Gemälde richtet, welche Vorgänge aus dem
römisch-katholischen Klosterleben, bezieh-
ungsweise aus dem Gebiete der Marien- und
Heiligen-Verehrung schildern." — Das muß
anders werden und nur Eines kann uns retten:
confessionelle Museen! Protestantische,
katholische, jüdische, methodistische, griechisch-
katholische, calvinistische und anglikanische Ge-
mäldegalerien ! Man denke sich nur den
eminenten Einfluß solcher Sammlungen auf
die religiöse Gesinnungstüchtigkeit des Volkes:

Der vorsichtige John Bull

„Jonathan, halt einstweilen die Thür' schön offen!"

. JUGEND .

Hier Dr. Luther in allen Lebenslagen, Portraits
von Stöcker, Hutten, Dr. Neubert, Pastor Nau-
mann und Melanchthon; Landschaften mit
der Wartburg, Wittenberg u. s. w. Dort:
Bilder aus dem Heiligen- und Klosterleben,
Scenen aus Lourdes, Trier, Aachen, Echternach,
Porträts von Leo Taxil, Miß Vaughan, dem
Fürsten von Löwenstein, Alexander VI., Dr.
Sigl, Landschaften aus dem „Kirchenstaat",
Oberbayern, Meppen u. s. w. Und dann im
jüdischen Museum: Salome's Tanz, die keusche
Susanna (von Böcklin), Ansichten von Frank-
furt a. M, Wien, Polna, Jerusalem, Porträts
von Paul Singer, Nathan dem Weisen, Meyer-
beer, Dreyfus, Neinach, Arton, Cornelius Herz,
Shylock u. s. w. Daß natürlich an die. con-
fessionellen Museen auch nur Maler von den
betreffenden Confessionen ihre Bilder verkaufen
dürfen, versteht sich von selbst! —

Wenn man aber den Scherz bei Seite
lassen will — und die Sache ist wirklich mehr
zum Weinen, als zum Lachen! — so kann
man einfach konstatiren, daß der Dresdener
Dunkelmann unsere schwärzesten Schwarzen in
der — Finsterniß noch um eine gewaltige
Nasenlänge geschlagen hat!

Wie sagt doch Georg Herwegh so schön
von solchen Herrn:

„Ob sie katholisch geschoren, ob

protestantisch gescheitelt,

Gleichviel: immer geräth man den

Gesellen in's Haar!"

Bob

Der moderne Caesar

Der Sohn Hermann ist faul gewesen. (Er
bekommt von seinem Klassenlehrer einen Straf-
zettel mit nach Haus, den der Vater beschein-
igen soll. Der gute Vater wichst Hermänn-
chen durch und bescheinigt: Veni, vidi, vixi.

Seine Rrankheit

A.: Fürst Hohenlohe ist in der letzten Zeit
sehr angegriffen.

6.: wovon?

A.: Von — den Agrariern.

£

NaMDten vom KriegWaüxlaße

(Ueber London)

— In einem erbitterten Gefecht bei Sekt-
fontein wurden 768 Buren getödtet, 2057
verwundet und 3234 gefangen genommen.
Auf englischer Seite wird ein Säbeltroddel
vermißt.

— In einer großen Schlacht bei Waterkop
wurden drei Engländer verwundet. Der Kriegs-
minister Windhound theilte dies dem Parla-
mente in größter Entrüstung über die „verfluchte
Frechheit" der Buren mit. Es wird geglaubt*),
daß die Verluste der Buren sehr beträchtlich
sind. Unser tief religiöses Volk war immer
stark im Glaubell.

— Tie Buren zerstörten zwei Brücken und
drei Eisenbahndämme, nahmen 2000 Engländer
gefangen, ein Munitionsdepot weg und mehrere
befestigte Ortschaften ein, richteten aber
keinen Schaden an.

*) Stereotype Wendung.

784

Erntehoffnungen

Zentruinsabg. Dr. Schädler (am 8. Novbr. i. bayr.
Landtag): „Man hat gestern gesagt, dem Centrnrn
hängen die Trauben zu hoch. Ebenso kann aber
auch sein, daß es warten will, bis die Aepfcl
ihm von selbst in den S.chooß fallen "
Register
Monogrammist Frosch: Der vorsichtige John Bull
Bob: Ein Dunkelmänner-Brief
Ergo: An England
[nicht signierter Beitrag]: Der moderne Caesar
[nicht signierter Beitrag]: Nachrichten vom Kriegsschauplatze
Monogrammist Frosch: Erntehoffnungen
[nicht signierter Beitrag]: Seine Krankheit
 
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