Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 49

1899

. JUGEND .

Unfertig, meinst Du ? Bitte, am vierten Tage
wäre alles schon vorhanden gewesen, was das
Leben schön macht und nichts, was Elend be-
deutet. Nimm das erste Buch Moses und con-
trolire mich. Es war am vierten Tage vor-
handen das Licht und das Himmelszelt, es
war vorhanden das klare, rauschende Gewässer,
es war vorhanden das wunderbare Mineral-
reich mit allem Gold und Edelgesteine, dann
die Welt der Gewächse in höchster Pracht. Aber
es war um diese Zeit noch nichts gewesen,
was Liebe und junger hat — nichts, was sich
leidenschaftlich nahen und. dann gegenseitig
auffressen muß.

Und die Thierwelt, die wunderbare? wie
wurde der Schöpfer einen ordentlichen Menschen
zu Wege gebracht haben, wenn er nicht vor-
her Probewesen gemacht hätte?

Bleib irttr; ferne mit der Thierwelt, der
unseligen. Der Fisch im Wasser schnappt nach
der Mücke inr Sonnenlicht. Der Habicht ver-
zehrt den Singvogel, der Löwe zerreißt die
Gazelle. Ich beschwöre Dich, Freund, erlasse
mir die Aufzählung des unendlichen Mordes,
dessen Gräßlichkeit wir nur darum nicht em-
pfinden, weil wir selber mitthun.

Nun aber mit Verlaub, wie denkst Du
Dir das mit Deiner Eva? wird sich die Dame
auf die Länge nicht langweilen, ohne Hündlein,
Schlänglein und Vöglein?

Meine Eva? Davon ist ja gar keine Rede,
wer spricht denn da von einer Eva am vierter:
Tage?

wenn sie Dir aber während des Schlafes
meuchlings beigebracht wird!

Nein, man muß nicht immer gleich das
Schlimmste denken. Gott ist barmherzig und ich
pflege vor dem Einschlafen zu beten: Bewahre
mich vor allem Uebel.

Ich muß Dich nicht gut
verstanden haben, Freund. Es
ist mir, als vermeintest Du auf
die Eva verzichten zu wollen.

Na, und warum denn nicht?

Denke, bevor Du sprichst. Und
fühle, bevor Du denkst.

Ich fühle es, daß die Mensch-
heit in einem einzigen Manne
beisammen ist, die ganze Mensch-
heit. Ich wäre am vierten Tage
ein einheitliches harmonisches
Wesen gewesen, hätte gelebt,
ohne zu hassen, hätte genossen,
ohne zu lieben, wäre Gott ge-
wesen, ohne Thier zu werden.

Mann und Weib! Dieser erste
Dualismus was das erste sozi-
ale Unglück. Es war der erste
Zwiespalt, nach welchem die
Menschheit sich in zwei Theile
spaltete, die sich gegenseitig un-
aufhörlich vernichten, wenn nicht
durch Haß, so durch Liebe.

Aber das ist das Tödten der
Liebe, nach jedem Schwertstreiche
wächst das Haupt wieder nach.

Ja ja, das ist sehr tiefsin-
nig gesprochen — großartig. Es
handelt sich aber mehr um die
Langeweile, wie denkst Du,
daß Du Dir im Paradiese als
einsamer Spatz die Zeit ver-
trieben haben würdest?

Die Zeit vertrieben? wie-
so? Die eilt ja von selber da-
von — viel zu schnell.

Keine Banalitäten. Du weißt
schon. Du denkst Dich am vier-
ten Tage doch hoffentlich als
einen Kerl mit seinen fünf
Sinnen?

In der Kunstausstellung

Maler: Ja, Ihr Laien, merkt Euch das:
„Ohne Gunst ist Kunst umfunst."

Laie: Das finde ich nicht: Kunst ist nie
umfunst; es kostet im-
mer Eintrittsgeld.


/

. »• r-'

Ein

weißer Rabe

Herr (im porzellan-
geschäft): Ich möchte
gern eine Tasse mit der
Aufschrift:

„Meiner lieben
Schwiegermama!"
Verkäuferin:
Thut mir leid, das
haben wir nicht —
ist auch noch nie
verlangt worden!

Aus

der Schule

Aber gewiß! Und mit diesen hätte ich mich
köstlich unterhalten. Für die Augen das Sonnen-
leuchten, das Farbenspiel. Für die Ohren das
Ouellenrieseln, das Meerbrausen. Für die Nase
den Rosenduft. Für den Tastsinn die weichenLüfte,
die linden Wässer, die zarten Moose. Für den
Gaumen die Früchte der Bäume und Sträucher.

Bist Du fertig?

Und für das Herz die Freude in Gott.

Ah so. Und meinst Du, daß Du von Gott ge-
wußt haben würdest? Ich glaube, erst das Weib
ist es, das den Mann Gott erkennen lernt.

Spottvogel!

Allen Ernstes, Freund. Ohne Weib kommst
Du weder zu Gott, noch zum Teufel.

Gut. wäre mir das Weib schon so unent-
behrlich gewesen, so hätte ich es aufwecken
können — und ausblasen nach Belieben. Hatte
ich nicht willen und Phantasie? blatte ich nicht
im Innern ein Auge, die Gestalt zu sehen, ein
Ohr, die schmeichelnde Stimme zu hören, ein
Herz, um sie daran zu drücken?

Freund, das wird bedenklich.

warte nur! Kannst Du ein Weib, wenn es
Dir zuwider geworden ist, mir nichts, Dir nichts
davonweisen? Ich hätte nur die Thore meiner
Phantasie verschlossen und es existirte nicht n:ehr.

O Einfalt! Hast Du es einmal gesehen,
das Weib, dann existirt es unauslöschlich.
Glaube mir, in der Phantasie sind die Weiber
noch weit gefährlicher, als in der Wirklichkeit.

Meinst Du? Na, dann streiche ich die Eva
ganz, wenn der Schöpfer nach meiner Rippe
greift, so werde ich höflich protestiren: Lassen wir
das, ich danke. Es genügt mir, was schon da ist.

Also die Bäume, die Steine, das Wasser,
die Luft, die Himmelskörper! O armer Mensch,
das ist auf die Länge nicht auszuhalten. Du
hast ein Herz für sie, aber sie haben keins für
Dich. Du bist entzückt von ihnen, sie bleiben
starr und kalt gegen Dich. Du bist ihnen nichts.
Du bist allein, wie eine graue Larve erscheint
Dir endlich die Welt, Du suchst ein Ebenbild
von Dir, in dem Du dich selbst lieben könntest,
Du ahnest, daß die schönste aller Schönheit das
Bild des Menschen ist.

Ah wohlan, so werde ich an das Ufer des
Sees, gehen und im klaren Spiegel mein Eben-
bild anschauen.

Ganz sicherlich, Freund, das wirst Du thun.
Du wirst in Dich selber verliebt sein. Und das
Menschenbild in der Tiefe wird Dich grüßen,
wird Dir winken- Komm! Komm! wird seine
Arme ausbreiten: Komm! o, so komm doch

zu mir!-Und wenn dann der Schöpfer

einmal spaziren geht, um sich an seiner er-
schaffenen Welt zu ergötzen, wird er am sandigen
Ufer einen ausgeworfenen Körper finden, die
starre, lehmkalte Gestalt seines verlorenen
Lieblings.

* * *

Also meinst Du, daß die Eva nicht ent-
behrlich wäre?

Absolut nicht.

*, T> X

Raven Hill (London)

Lehrer: „was
waren David und
Goliath?"

M o r i tz ch e n:
„Konkurrenten."

Lehrer: „wie-
so?"

M o r i tz ch e n:
„Der David hat
so lang geschleu-
dert, bis der Go-

liatb kaput war,"

„ein dicker Bub und kugelrund“
Index
[nicht signierter Beitrag]: Ein weißer Rabe
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Schule
Leonard Raven-Hill: Ein dicker Bub
[nicht signierter Beitrag]: In der Kunstausstellung
 
Annotationen