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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 49 (2. Dezember 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0372
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Nr. 49 (ßedaktionsscniuss 22. Nov. 1899;

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JUGEND -

1899

) Die wandelnde Glocke und die Verliner Kinder

Die Mutter sprach: die Otorke tönt.
Und so ist Dir's befohlen.

Und hast Du Dich nicht hingewöhnt —
Sie kommt und wird Dich holen.

Sic wackelt schnell, man glaubt es kaum;
Das . arme. Lind im Schrecken,

Cs laust, cs kommt als wie im Traumr
Die Glocke wird es decken.

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Der neue Btil

In einer Zeitschrift, die es eigentlich „gar
nicht gibt," malt ein Litteraturjüngling, den es
„noch viel weniger gibt" und dem wir nicht
gern die Ehre anthun, ihn zu nennen. mit dem
Besenstil „Momentbilder Münchener Künstler."
Er theilt Lob und Tadel in verschwenderischer
Fülle aus: Künstler wie Richard Strauß,

Ruederer, M. G. Conrad beschimpft er in un-
erhörtester Weise durch seine enthusiastische Ver-
ehrung, andere wie den Altmeister Paul Heyse
und, die Dame „Ernst Rosmer" ehrt er durch
eine Sammlung unfläthigster persönlicher Be-
schimpfungen.

Von den letzteren wollen wir aus Rein-
lichkeitsgründen lieber Nichts reproduzieren, aber
eine Probe des blühenden Stils, in dem der
Mann lobt, soll unfern Lesern nicht vorent-
halten werden. Er schreibt über Richard
Strauß u. A.:

„Der sardonische Beschw örer nerven-
peitschender Kakoph onien, — wenn die
poetische Idee nach dieser,Peitsche ge-
raderuft; der dion ysische Tänzer Ni etz-
sches und durch lachende Flöten und
kichernde Oboen sich von Welt- und
Menschenverachtung Befreiende. Nicht
mehr schwimmen im wirbelnden, gleitenden
Strom wollüstiger Chromatik lehrt uns sein
Feuergeist, fliegen sollen wir, fliegen, empor-
getragen auf den starken Fittichen seiner breit-
geschwungenen, sonnenwandernden Melodien."

Und weiter, wo von Strauß als Lieder-
komponisten die Rede ist:

„Abgeklärtheit; wundervolle innerliche Cha-•
rakteristik, gleichsam dem Naturlaut jedes Ge-

%

dichtes nachspürend; in der kurzen harmo-
nisch e n V e r ti k a l e der mitsingenden Klavier-
stimme eine größere Ausdruckskraft als viele
andere „Liedermeister" im pompösen Bogen
der melodischen Horizontale der „un-
tergelegten Begleitung": das sind die
markanten Profillinien des Lyrikers Strauß."

Die Freunde des genialen Tondichters sind
der Ansicht, Strauß müsse diesen seinen Be-
wunderer verklagen! Er hat allen Grund dazu.

Jugend

Statistik

Ein Vivat ruf' ich, donnernd, stolz und brausend.
Auf unser liebes deutsches Vaterland.

Hier treten jährlich viermalhundcrttausend
Glückliche paare in den Ehestand!

Die Zahl bestätigt, was man von den 2lhnen
Des Deutschen Volkes rühmte, absolut:

Vor allen Stämmen zeichnen die Germanen
Sich aus durch unerschrocknen wagemuch.

Zwar ist uns Serbien vor um 4 pro nulle.

Doch kommt die Ziffer hier nicht in Betracht:

Dort thut Verzweiflung und gebrochner Wille
was hier die Kampflust und die Rühnheit macht.

Dem Deutschen hat, soweit ich rückwärts sehe,
Gefahr und Rrieg das Leben stets gewürzt,

In Milans Landen stürzt sich in die Ehe
Der Mensch, wie Einer, der in's Schwert sich stürzt!

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t>om Rriegsschauplatz

Der Marsch der Engländer nach Pretoria
geht vortrefflich. Demnächst werden 3000 Mann
in die Hauptstadt der Buren ihren Einzug
hallen. Bereits sind 20 Eisenbahnzüge nach
Ladysmith abgegangen, um die Engländer mit
General White in Empfang zu nehmen. Dann
werden die Buren, wie die „Neue freie Presse"
schreibt, um einen billigen Frieden bitten müs-
sen, wenn sie nicht ganz vernichtet werden wollen.

Rlassisches Zeugniß

„Es gibt ein Ding, das Vielen in unserm
Lande unter dem Namen ,pech' bekannt
lfl." lZalstaff i. König Heinrich IV., I, 2, 4.)

Im jurist. Examen

Ep am.: was verstehen Sie unter ex-
cessus in modo ?

Lan d.: Hm, einen „Unfug in der Mode."

Der Abg. Beckh äußerte jüngst anläßlich
der Reichstags-Debatte über den Trunk-
suchts-Paragraphen:

„Die Trunksucht ist eine Eigenschaft, die
der Mensch an sich hat."

Man ist versucht, zu dieser Prämisse den
Schluß zu ziehen:

. „Abg. Beckh ist ein Mensch."

„Also - -"


John Bull in XXotlyttl (Zeitungsnachricht vom 13. November: „. . . so hat England bei seinen vielen Schwierigkeiten ein großes

Interesse daran, daß Rußland mit Japan wegen Korea zusammengerathe.")

Herausgeber: Dr. GEORG H1RTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in München

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der neue Stil
Dick: Statistik
Monogrammist Frosch: John Bull in Nöthen
Monogrammist Frosch: Die wandelnde Glocke und die Berliner Kinder
[nicht signierter Beitrag]: Klassisches Zeugniß
[nicht signierter Beitrag]: Vom Kriegsschauplatz
[nicht signierter Beitrag]: Der Abg. Beckh äußerte jüngst...
 
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