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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 51 (18. Dezember 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0403
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Nr. 51

JUGEND

1899

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Zu

Audwig Hnzengruber's

zehnjährigem Todestage

(10. XII. 1SSS.)

Dein Loos war eines von den bitter herben.

Dir küßte nie das Glück die bleichen Wangen.
Durch lloth und Sorgen ging Dein Morgenbangen.
Und als es endlich tagte — ging's an's Sterben.

So bist Du still den letzten weg gegangen.

Arm schiedest Du — nichts konntest Du erwerben.
Und doch sind Tausende heut Deine Erben.

Die dankbar Deines Schafiens Frucht empfangen.

Und war Dein Leben Dir durch Uoth verdorben.
Und hast Du's bis zum Tod zu nichts gebracht —
Beut strahlt Dein Bild umpriesen und umworben.

Laut rühmend nennt man Deines Werkes Pracht.
3u srüh, meint heut das Volk, seist Du gestorben —
vielleicht ist nur das Volk zu spät erwacht.

tKarl Rosner




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Arpad Schmidhammer (München)
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Gedanken

von Max v. Seyclel München)

Es har sicher seinen eigenen Reiz, in
allen Gebieten des menschlichen Wissens
herumzureisen und etwas Bescheid zu wissen.
Aber irgendwo muß man auch daheim sein.

*

wenn ich einem bedeutenden Menschen
Stolz vorwerfen höre, möchte ich immer
entgegen fragen, ob es denn ein Feuer
gibt, das nicht glüht.

*

Die Ansicht, die Jemand über eine Sache
hat, nennt man eure Meinung; die Ansicht,
welche die Menge hierüber hat, eine Wahr-
heit.

Ein Uebclstand, der finanzielle wurzeln ge
schlagen hat, ist am schwersten auszurottcn.

*

Es gibt Leute, die in der Gelehrsam-
keit liegen, wie der Schwamm im Wasser,
wenn du sie ausdrüekst, kommt gerade
dasselbe Wasser zum Vorschein, das sie
eingcsogen haben.

„Langeweile! du bist Mutter der Musen
gegrüßt," sagt Goethe in den venctianischen
Epigrammen. Das stimmt allerdings,
wenn — Goethe der Vater ist.

*

wer einen begangenen Fehler um jeden
Preis verbergen will, dem begegnet es leicht,
daß er statt eines Tintenkleckses ein Loch
macht.

*

Die Selbständigkeitsregungen eines ka-
tholischen Gelehrten sind wie die Anwand-
lungen eines Eunuchen. So wenig letzterer
ein Rind, so wenig bringt ersterer einen
freien Gedanken fertig.

*

Da schreibt dieser L. in den Dag hinein,
unsere Zeit sei nicht fähig, eine Tragödie
zu ertragen, weil ihr die Empfänglichkeit,
das Verständnis dafür fehle, welch' ein
Grund! Es soll nur der Genius erschei-
nen, der die Tragödie schafft. Ob cs das
Rindvieh versteht oder nicht, ist ja ganz
gleichgiltig.

Ein echter Arzt, der es nicht geworden
sondern dazu geboren ist, kommt wie ein
Sonnenstrahl in's Krankenzimmer.

*

wenn ein neuer Stoff auftaucht, be-
deckt er sich rasch mit literarischer Vegetation
ähnlich einer Roralleninsel in der Südsee.

*

Ein Fürst soll Vieles wie ein gebildeter
Mann, das Eine und Andere mag er als
Fachmann verstehen; nirgends aber darf
er Dilettant sein. Denn der Gelegenheit,
lächerlich zu erscheinen, darf er sich nicht
aussetzen, geschweige sie aufsuchen. Nero
hat den letzten möglichen Schimmer der
Tragik von seinem Tode abgestreift durch
die Worte: Quälte artifex pereo!
Register
Karl Rosner: Zu Anzengruber's zehnjährigem Todestage
Arpad Schmidhammer: Zu Ludwig Anzensgruber's zehnjährigem Todestage
Max v. Seydel: Gedanken
 
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