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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 51 (18. Dezember 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0407
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Nr. 51

1893

Kaput XII

Ich floh hinaus aus den: düsteren Bau,
Hinaus in den lachenden Morgen,

Mir sollte der Gassen rauschender Lärm
Verjagen die schmerzlichen Sorgen. —

Wie schön Berlin doch geworden ist!
Einzelnes freilich ist's minder;
ijunt Beispiel ragt da himmelan
Ein plumper Kanonencylinder.

Es ist eine eherne Riesenwurst,
lind auf der höchsten Kuppe
Steht steif, wie ein weiblicher Grenadier,

Eine goldene Siegespuppe.

Auch eine curiose DenkmalÄllee
Bekam ich dann zu schauen,

Dort sind die Größen des Preußenvolks
In Marmor ausgehauen.

Atlhier auf je einer Marmorbank,

Mit je zwei Zeitgenossen,

Steht immer je ein Landesherr,

Dem Zollernstamm entsprossen.

Ich dachte bei mir, wie schön es war',

Wenn sie auch mich hier postirten,

Mich, in Gesellschaft Maßmanns vielleicht,

Zu Friedrich Wilhelm dem Vierten!

Hier ist ein friedlicher, grüner Platz,

Für den ich seit Langem schwärme —

Es steht auch schon mancher Kleinere da,

Als Statue oder als Herme.

Doch Scherz bei Seite! Erfreulich bleibt's,
Trotz manchen frechen Tadlers:

Es blüht die Marmorindustrie
Im Schutze des preußischen Adlers!

Kaput XIII

Des Abends ging ich ins Schauspielhaus,
Dort gab es eine Premiere:

Es grüßten mich mit lautem „Hürrah!"

Portier und Garderobiere.

Der Zettelverkäufer schrie „Hurrah",

Der Logendiener desgleichen,

„Hurrah!" so schrie sogar der Souffleur —

Das galt als Anfangszeichen!

So reichliches Blech bescheineu gewiß
Nicht oft die Rampenlichter —

(Ich meine, lveil Alles im Harnisch war,
deicht in Bezug auf den Dichter!)

Das waren keine Verse mehr,

Das war schon fast ein Laster!

Es klang, als rasselte Artillerie
Im Trab über schlechtes Pflaster!

„Hurrah!" so haben die Leute im Stück,
Den ganzen Abend gewettert —

Es krachte das Blech, der Bösewicht,

Der ward am Ende zerschmettert.

Am Boden sah man Dutzendweis
Empörer-Leichen kollern!

Und im Triumph gewann die Partie
Der Held des Stücks, ein Zollern!

Ein Beifall lohnte des Dichters Werk,

Der wohlverdient und enorm war,

Und „Hurrah!" schrie das Publikum,

Das meistens in Uniform war.

Mein Nachbar sprach mit Hochgefühl:

"Das Stück ist von einem Hauptmann;

Wir haben noch einen Hauptmann im Land,
Der etwas Talent hat, glaubt man.

Doch daß man dessen Stücke gibt
Im Schauspielhause, erlaubt man
Mit nichten, weil er nur Hauptmann heißt —
Und dieser ist wirklich Hauptmann!"

. JUGEND «

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John Bull mobilisirt die Heilsarmee, in der
Erwartung, dass bei ihrem Anblick die Buren
die Flucht ergreifen. (Petit Bleu)

Kaput XIV

Die Kunst kommt erst im zweiten Th eil,
So sprach ich, mit Groll im Busen,

Auf diesem Berliner Hemiparnaß
Mit seinen Demimusen!

Die Kunst kommt erst im zweiten Theil —
Im Ersten kommt die Glorie
Der angestammten Dynastie
Und preußischen Historie!

Und doch: es ist mir zu meiner Zeit
Viel schlimmer noch erschienen:

Ist Einer heut talentlos genug,

So kann er sich doch was verdienen!

Zu meiner Zeit gab's in der Kunst
Nur Heulen und Zähneklappern,

Da mußten die schlechtesten Dichter sogar
Am Hungertuche knabbern!

Ich hatte wohl etwas zu laut gedacht
Und die Gedanken begleitet,

Mit deutlicher Mimik — so thu' ich oft,

Wenn mir was Kummer bereitet. —

Da rührte mich eine leichte Hand
Und sagen hört' ich: „Mit nichten
Steht's heutzutage so jämmerlich
Mit deutschem Fühlen und Dichten!

Im officiellen Kunstreich, mag sein,

Daß hier zu Lande besetzt sind
Zu viele Chargen mit Militärs
Wodurch so Manche verletzt sind;

Mag sein, daß heute, wie's immer war,
Das Beste nicht populär wird
Und daß so mancher Flachkopf dafür
Mühlos zum Millionär wird;

Mag sein, daß es sich am Besten rentirt,
Für Krethi und Plethi zu schreiben,

Denn wie nun Krethi und Plethi mal sind,
So werden sie immer bleiben.'

Doch wenn ein göttliches Lied sich ringt
Aus tiefem Herzensgründe,

Dann lauschen ihm kundiger Ohren genug
Andächtig in weiter Runde!

Der Lieder werden es mehr und mehr
Der süßen — die lauschende Runde
Wird weiter und bunter mit jedem Tag,

Sie wächst mit jeder Stunde!

Laß Du für Krethi und Plethi nur
Talentlein sich plagen und Tröpfe,

Ein Dichter, den die Muse geküßt,

Ist nur für die feineren Köpfe!

Ein Dichter, dem der Gott genaht,

Die bleiche Stirn ihm zu krönen,

Läßt nimmer auf Markt und Gassen drauß
Die Seherstimme ertönen.

Und wenn ihm nur hier und dort ein Herz
Zum Heiligthum geweiht ist,

So sei es ihm Lohn und Zeichen genug,

Daß er gebenedeit ist!"

So sprach die Stimme gar hold und lieb,
Bis all mein Groll verraucht war;

Sie klang vom Mund einer hehren Frau,

Die ganz in Licht getaucht war!

Vom Scheitel blinkte ein Demantstern
In magischem Glanze nieder,

Ein weicher Mantel von güldenem Haar
Umwallte in Wellen die Glieder.

Sie sah mich an mit gütigem Blick
Und lächelte heimlicher Weise
Und deutete mit der weißen Hand
Bedeutungsvoll im Kreise.

Da theilten sich durch Zauber mir
Von tausend Häusern die Wände:

Ich sah, es rüsteten überall
Sich festliche Herzen und Hände!

Ich sah, wie sie mit Lorbeergewind
Eines Dichters Bildnis; umwanden,

Ich sah, wie sie von Herzens Grund
Ihn liebten und — ihn verstanden.

Ich hörte, wie die Gläser hell
Auf sein Gedächtniß erklangen,

Ich hörte, wie sie mit rothem Mund
Seine schönsten Lieder ihm sangen!

Das Alles wies nur die hohe Frau
Im Mantel von güldenen Haaren:

„Nun grüße Dich Gott, Geburtstagskind,

Du Kind von hundert Jahren!"

So sprach die Frau und küßte mich
Mit segnender Geberde
Auf Stirn und Augen und sodann
Entschwand sie von dieser Erde!

Ich aber spannte die Schwingen aus
Und flog in die leuchtende Ferne
Ihr nach über Häuser und Thürme hinan,

Ihr nach durch Wolken und Sterne.

Ich flog bis zu des Schöpfers Thron,

Von seligem Feuer trunken
Und an des Thrones Stufen bin
Ich tief ins Knie gesunken:

„Nun bin ich von Erdenheimweh gesund,
Herrgott, da hast Du mich wieder!

Nun will ich in alle Ewigkeit
Dich preisen für — meine Lieder!"

Oer Burenfreund

Frau Amalie Langmaier schlief. Plötzlich
wurde sie unruhig. An ihrer Seite stöhnte und
schnaufte es. Sie setzte sich auf. Da lag der Gatte
neben ihr, von wilden Träumen geplagt.
„D'rauf! D'rauf!" murmelte er. Dann wieder:
„Das verfluchte Ladysmith!" Und endlich ein
gellendes „Hurrah!"

Die Frau rüttelte ihn: „Du Mann — wach
auf!"

Er antwortete mit einem kleinen Boxerangriff,
„Der Feind ist da — hurrah, der Feind!"

Jetzt wurde ihr die Geschichte zu dumm. Sie
langte sich das Wasserglas vom Nachttische und
spritzte ihm einen ordentlichen Sprühregen in's
Gesicht. Da ward er munter: „Was is denn?
Warum weckst mich? Is Ladysmith g'nommen?'

„Was geht's denn Dich an? Schlaf und mach
kein' solchen Spektakel!"
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Philomene Hartl-Mitius: Der Burenfreund
[nicht signierter Beitrag]: Aus "Petit Bleu": John Bull mobilisiert die Heilsarmee
 
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