1899
JUGEND
Nr. 51
Michels Ausgleiche
Ist nicht der ew'ge Streit ein Graus?
Mein Rath ist wohlgemeint:
Gleich', Michel, Dich mit allen aus,
So hast Du keinen Feind.
Der Ungar kommt zuerst daran,
Ihm gibst Du wenig nur,
Er nimmt Dir, der charmante Mann,
Nur Börse ab und Uhr.
Der Lzeche macht DLr's auch nicht schwer,
D'rum, Michel, sei so gut,
Gib Ring und Busennadel her
Und gib ihm Rock und Hur.
Und bleiben dann Dir immer doch
Noch ein paar and're fremd,
So hast Du ja die Hose noch
Und hast auch noch das Hemd.
Gib, Michel, sie, — in kurzer Frist
wirst Du die Feinde los,
Und wenn Du ausgeglichen bist,
Bist Du nur nackt und bloß.
Proteus
W)
Fügsame Dichter
Die Uebertritts-Bewegung, die sich mit dein
Wahlspruch: „Los von Rom" in Oesterreich
geltend inacht, hat zwei neue Opfer gefordert.
Der vielberühmte Pfarrer Poppe und der
Kaplan Gregor von Schigorski, welche bis
heute in Max palbe's Drama „Jugend"
ein so ehrenvolles Dasein geführt haben, sind
aus der katholischen Religionsgemeinschaft aus-
getreten und iir zwei evangelische Geistliche
verwandelt worden, weil der fügsame Dichter
nur durch das Jugeständniß dieses Religions-
wechsels in Wien die Eensur-Genehmigung für
seine Dichtung erlangen konnte. Kurz vorher
war ihm Georg Pirschfeld mit einem
Prel und.
Zuid-Afrikaansch Klapphoorn
Zwei Knaben sangen sich was vor,
Und zwar auf dem Kanonenrohr.
schönen Beispiel von Nachgiebigkeit vorange-
gangen. Um den Erfolg von „Agnes Jordan"
am pofburgtheater in Wien nicht zu gefährden,
hatte der Dichter sein Werk aus dem jüdischen
Milieu, in welchem die pandlung sich abspielt,
gesinnungstüchtig herausgerückt und auf Wunsch
der Direktion die handelnden Personen des
Schauspiels bis zur Unkenntlichkeit entjüdelt.
wir erwarten mit Zuversicht nach diesen Vor-
gängen, früher oder später mit Zeitungsmel-
dungen wie die folgenden, angenehm überrascht
zu werden:
* William Shakespeare hat soeben
auf Wunsch des „Stadt-Theaters" in Posen,
um die Empfindlichkeit der mosaischen Ein-
wohner dieser Stadt zu schonen, sich damit
einverstanden erklärt, daß in seiner Komödie
„Der Kaufmann von Venedig" Shylok, der
gnadenlose jüdische Wucherer in einen anti-
semitischen Bankdirektor verwandelt, und da-
gegen aus Antonio ein edelherziger jüdischer
Eommerzienrath gemacht wird. Durch diesen
Austausch der Glaubensbekenntnisse zwischen
den beiden Pauptpersonen hofft die Direktion,
das Stück für die ganze Provinz Posen erfolg-
reif zu machen.
•77- Gotthold Ephraim Lessing ist
von der Direktion des „Stadt-Theaters" iit
Köln, im pinblick auf die katholische Bevöl-
kerung der Rheinlande, die in ihren berechtigten
Empfindungen geschont werden muß, ersucht
worden, in seinem dramatischen Gedicht „Na-
than der weise" den zeletischen Patriarchen in
einen strenggläubigen Ober-Rabbiner zu ver-
wandeln, und dagegen aus dem weisen Juden,
der alle Sympathien der pörer gewinnt, einen
christlichen Privat-Gelehrten zu machen, der
seine theologischen Prüfungen bestanden hat
und in einem geistlichen Seminar ausgebildet
worden ist. Der Dichter hat sich bereitwillig
mit dieser Umgestaltung seines Stückes für die
ganze Rheinprovinz einverstanden erklärt und
die nöthigen textlichen Aenderungen vertrauens-
vollst dem Theaterkritiker der klerikalen „Köln-
ischen Volkszeitung" anheimgegegeben.
# Max palbe ist abermals mit seiner
„Jugend" auf unerwartete Schwierigkeiten ge-
stoßen. In einer unserer größeren Industrie-
städte, in welcher evangelische und katholische
Bürger in ziemlich gleichem Zahlenverhältniß
vertreten sind, hat inan, um keine von beiden
Einwohnergruppen zu verletzen, sich weder
mit der ersten, noch mit der zweiten Fassung
der „Jugend" einverstanden erklären können.
Der Dichter hat nunmehr die pandlung in
eine türkische Provinzstadt verlegt, aus den
Geistlichen zwei Muftis gemacht, und diesämmt-
lichen handelnden Personen des Stückes, das
nunmehr den Titel führt „Die türkischeJugend",
zum Islam übertreten lassen.
O Edmond Rostand endlich hatte sich
bisher begnügt, unter das personenverzeichniß
seines Lustspieles „Die Romantischen" die Be-
merkung zu setzen „Kostüme nach Belieben,
sofern sie nur kleidsam sind"... Nach den
letzten Vorgängen ist der Dichter noch einen
Schritt weiter gegangen, und hat diesem ver-
merk jetzt die erweiterte Fassung gegeben:
„Kleidung und Glaubensbekenntniß der han-
delnden Personen nach Astordnung der Regie."
Abu Seid
Hitze warf kürzlich im Reichstag den So-
zialdemokraten vor, sie wollten die Mutter
abschaffen. Es gibt Bösewichter, die sogar
von einer Vaterschaft nichts wissen wollen.
Als man dem Münchner Hofbräuhaus-
Direktor mittheilte, daß die bayerischen Kammer-
demagogen so brutal gegen ihn geschimpft und
sein Bier schlecht gemacht hätten, sollen die
naheliegenden Worte dem Gehege seiner Zähne
entflohen sein:
„Ich sag's ja immer: an unfern Ultra-
montanen ist Hopfen und Malz ver-
loren!"
Druckfehler
(Meldung aus dem englischen Paupt-
quartier): „Soeben auf meinem Maul die
ganze vertheidigungslinie beritten. Die Buren
können gegen unsere befestigte Lüge nicht auf-
komm en."
Da w.ard der (Eine heiser
And sang bald immer leiser . . .
PREIS-AUSSCHREIBEH
für Deutsche Künstler,
Die Unterzeichnete Actiengesellschaft setzt für
zur Verwendung für
Etikette-Entwürfe
kleine Cigarettenpackungen
folgende Preise aus:
1. Preis Tausend Mark
2. Preis Fünfhundert Mark
3. Preis Dreihundert Mark
4. Preis Zweihundert Mark
5. Preis Hundert Mark
Termin für die Einlieferung 25. Januar 19Ü0.
Termin für die Preiszutlieilung 15. Februar 1900.
Nähere Bedingungen werden den Interessenten auf Wunsch
mitgetlieilt durch die
COMPAGNIE LAFERME
TABAK- UND CIGARETTEN-FABRIKEN
DRESDEN.
Zur gefl. Beachtung!
Die nächstfolgenden, von der „Jugend.“ veröffentlichten Sonder-Nummern:
Kr* 52 (Datum 23. Dezember), erscheint zu Weihnachten als
•feV Schiller - Dummer ^
mit einer Huldigung für Schillert „Thied von der C-floclte“, das im
Jahre 1799, also gerade vor 100 Jahren , dem deutschen Volke als eine der
köstlichsten Weihnachtsgaben beschert wurde.
1 des Jahrganges 1900 erscheint in verstärktem Umfang als
fest-Nummer zur 'Jahrhundertwende. ^
Die faschings - Dummer der „Jugend" erscheint im
Februar 1900 und zwar im Gewände Till Eulenspiegels, Hans Saohs’scher Schwank-
end anderer altdeutscher Hanswurst- und Schelmengestalten. Allem Verbohrten,
Dämlichen, Banausischen, Lächerlichen, Unverschämten der Neuzeit soll mit
den frischgeschliffenen Pritschen der ,,guten alten Zeit“ ein Ordentliches ver-
setzt werden.
Die Freunde der ,,Jugend“ sind zur Mitarbeit an dieser Nummer höf-
lichste eirigeladen. Spätester Termin für künstlerische Beiträge: 1. Januar, für
litterarische: 8. Januar.
Diese Sonder-Nummern der ,,Jugend“ werden wieder in der Art der bisher
erschienenen Sonder-Nummern der ,,Jugend“ ganz besonders reichhaltig aus-
gestattet, ohne dass eine Preiserhöhung eintritt.
Bestellungen nehmen schon jetzt alle Buchhandlungen, Zeitungsverkäufer,
sowie der Unterzeichnete Verlag entgegen.
6. I)irtb's Verlag, München.
8u
JUGEND
Nr. 51
Michels Ausgleiche
Ist nicht der ew'ge Streit ein Graus?
Mein Rath ist wohlgemeint:
Gleich', Michel, Dich mit allen aus,
So hast Du keinen Feind.
Der Ungar kommt zuerst daran,
Ihm gibst Du wenig nur,
Er nimmt Dir, der charmante Mann,
Nur Börse ab und Uhr.
Der Lzeche macht DLr's auch nicht schwer,
D'rum, Michel, sei so gut,
Gib Ring und Busennadel her
Und gib ihm Rock und Hur.
Und bleiben dann Dir immer doch
Noch ein paar and're fremd,
So hast Du ja die Hose noch
Und hast auch noch das Hemd.
Gib, Michel, sie, — in kurzer Frist
wirst Du die Feinde los,
Und wenn Du ausgeglichen bist,
Bist Du nur nackt und bloß.
Proteus
W)
Fügsame Dichter
Die Uebertritts-Bewegung, die sich mit dein
Wahlspruch: „Los von Rom" in Oesterreich
geltend inacht, hat zwei neue Opfer gefordert.
Der vielberühmte Pfarrer Poppe und der
Kaplan Gregor von Schigorski, welche bis
heute in Max palbe's Drama „Jugend"
ein so ehrenvolles Dasein geführt haben, sind
aus der katholischen Religionsgemeinschaft aus-
getreten und iir zwei evangelische Geistliche
verwandelt worden, weil der fügsame Dichter
nur durch das Jugeständniß dieses Religions-
wechsels in Wien die Eensur-Genehmigung für
seine Dichtung erlangen konnte. Kurz vorher
war ihm Georg Pirschfeld mit einem
Prel und.
Zuid-Afrikaansch Klapphoorn
Zwei Knaben sangen sich was vor,
Und zwar auf dem Kanonenrohr.
schönen Beispiel von Nachgiebigkeit vorange-
gangen. Um den Erfolg von „Agnes Jordan"
am pofburgtheater in Wien nicht zu gefährden,
hatte der Dichter sein Werk aus dem jüdischen
Milieu, in welchem die pandlung sich abspielt,
gesinnungstüchtig herausgerückt und auf Wunsch
der Direktion die handelnden Personen des
Schauspiels bis zur Unkenntlichkeit entjüdelt.
wir erwarten mit Zuversicht nach diesen Vor-
gängen, früher oder später mit Zeitungsmel-
dungen wie die folgenden, angenehm überrascht
zu werden:
* William Shakespeare hat soeben
auf Wunsch des „Stadt-Theaters" in Posen,
um die Empfindlichkeit der mosaischen Ein-
wohner dieser Stadt zu schonen, sich damit
einverstanden erklärt, daß in seiner Komödie
„Der Kaufmann von Venedig" Shylok, der
gnadenlose jüdische Wucherer in einen anti-
semitischen Bankdirektor verwandelt, und da-
gegen aus Antonio ein edelherziger jüdischer
Eommerzienrath gemacht wird. Durch diesen
Austausch der Glaubensbekenntnisse zwischen
den beiden Pauptpersonen hofft die Direktion,
das Stück für die ganze Provinz Posen erfolg-
reif zu machen.
•77- Gotthold Ephraim Lessing ist
von der Direktion des „Stadt-Theaters" iit
Köln, im pinblick auf die katholische Bevöl-
kerung der Rheinlande, die in ihren berechtigten
Empfindungen geschont werden muß, ersucht
worden, in seinem dramatischen Gedicht „Na-
than der weise" den zeletischen Patriarchen in
einen strenggläubigen Ober-Rabbiner zu ver-
wandeln, und dagegen aus dem weisen Juden,
der alle Sympathien der pörer gewinnt, einen
christlichen Privat-Gelehrten zu machen, der
seine theologischen Prüfungen bestanden hat
und in einem geistlichen Seminar ausgebildet
worden ist. Der Dichter hat sich bereitwillig
mit dieser Umgestaltung seines Stückes für die
ganze Rheinprovinz einverstanden erklärt und
die nöthigen textlichen Aenderungen vertrauens-
vollst dem Theaterkritiker der klerikalen „Köln-
ischen Volkszeitung" anheimgegegeben.
# Max palbe ist abermals mit seiner
„Jugend" auf unerwartete Schwierigkeiten ge-
stoßen. In einer unserer größeren Industrie-
städte, in welcher evangelische und katholische
Bürger in ziemlich gleichem Zahlenverhältniß
vertreten sind, hat inan, um keine von beiden
Einwohnergruppen zu verletzen, sich weder
mit der ersten, noch mit der zweiten Fassung
der „Jugend" einverstanden erklären können.
Der Dichter hat nunmehr die pandlung in
eine türkische Provinzstadt verlegt, aus den
Geistlichen zwei Muftis gemacht, und diesämmt-
lichen handelnden Personen des Stückes, das
nunmehr den Titel führt „Die türkischeJugend",
zum Islam übertreten lassen.
O Edmond Rostand endlich hatte sich
bisher begnügt, unter das personenverzeichniß
seines Lustspieles „Die Romantischen" die Be-
merkung zu setzen „Kostüme nach Belieben,
sofern sie nur kleidsam sind"... Nach den
letzten Vorgängen ist der Dichter noch einen
Schritt weiter gegangen, und hat diesem ver-
merk jetzt die erweiterte Fassung gegeben:
„Kleidung und Glaubensbekenntniß der han-
delnden Personen nach Astordnung der Regie."
Abu Seid
Hitze warf kürzlich im Reichstag den So-
zialdemokraten vor, sie wollten die Mutter
abschaffen. Es gibt Bösewichter, die sogar
von einer Vaterschaft nichts wissen wollen.
Als man dem Münchner Hofbräuhaus-
Direktor mittheilte, daß die bayerischen Kammer-
demagogen so brutal gegen ihn geschimpft und
sein Bier schlecht gemacht hätten, sollen die
naheliegenden Worte dem Gehege seiner Zähne
entflohen sein:
„Ich sag's ja immer: an unfern Ultra-
montanen ist Hopfen und Malz ver-
loren!"
Druckfehler
(Meldung aus dem englischen Paupt-
quartier): „Soeben auf meinem Maul die
ganze vertheidigungslinie beritten. Die Buren
können gegen unsere befestigte Lüge nicht auf-
komm en."
Da w.ard der (Eine heiser
And sang bald immer leiser . . .
PREIS-AUSSCHREIBEH
für Deutsche Künstler,
Die Unterzeichnete Actiengesellschaft setzt für
zur Verwendung für
Etikette-Entwürfe
kleine Cigarettenpackungen
folgende Preise aus:
1. Preis Tausend Mark
2. Preis Fünfhundert Mark
3. Preis Dreihundert Mark
4. Preis Zweihundert Mark
5. Preis Hundert Mark
Termin für die Einlieferung 25. Januar 19Ü0.
Termin für die Preiszutlieilung 15. Februar 1900.
Nähere Bedingungen werden den Interessenten auf Wunsch
mitgetlieilt durch die
COMPAGNIE LAFERME
TABAK- UND CIGARETTEN-FABRIKEN
DRESDEN.
Zur gefl. Beachtung!
Die nächstfolgenden, von der „Jugend.“ veröffentlichten Sonder-Nummern:
Kr* 52 (Datum 23. Dezember), erscheint zu Weihnachten als
•feV Schiller - Dummer ^
mit einer Huldigung für Schillert „Thied von der C-floclte“, das im
Jahre 1799, also gerade vor 100 Jahren , dem deutschen Volke als eine der
köstlichsten Weihnachtsgaben beschert wurde.
1 des Jahrganges 1900 erscheint in verstärktem Umfang als
fest-Nummer zur 'Jahrhundertwende. ^
Die faschings - Dummer der „Jugend" erscheint im
Februar 1900 und zwar im Gewände Till Eulenspiegels, Hans Saohs’scher Schwank-
end anderer altdeutscher Hanswurst- und Schelmengestalten. Allem Verbohrten,
Dämlichen, Banausischen, Lächerlichen, Unverschämten der Neuzeit soll mit
den frischgeschliffenen Pritschen der ,,guten alten Zeit“ ein Ordentliches ver-
setzt werden.
Die Freunde der ,,Jugend“ sind zur Mitarbeit an dieser Nummer höf-
lichste eirigeladen. Spätester Termin für künstlerische Beiträge: 1. Januar, für
litterarische: 8. Januar.
Diese Sonder-Nummern der ,,Jugend“ werden wieder in der Art der bisher
erschienenen Sonder-Nummern der ,,Jugend“ ganz besonders reichhaltig aus-
gestattet, ohne dass eine Preiserhöhung eintritt.
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sowie der Unterzeichnete Verlag entgegen.
6. I)irtb's Verlag, München.
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