Nr. 51 (Redaktionsschluss: 5. Dez. 1899)
JUGEND -
1899
Letztes Aufgebot
M'i
i
John Bult-Falstaff:
und nun besteht meine ganze Truppe ans Kerlen, die so zerlumpt sind
wie Lazarus auf gemalten Tapeten, und die in ihrem Leben nicht Soldaten
gewesen sind, sondern abgedankte, nichtsnutzige Bediente, jüngere Löhne von
jüngeren Brüdern, weggelaufene Kellner und verlotterte Hausknechte."
(Shakespeare, „Heinrich IV." 1. Theil, Akt 4 Sc. 2.)
Miener Parlament
&
Pech!
Der Superintendent Fischer aus Nen-
warp hielt am 14. November in Potsdam vor
einem aus den „besten Kreisen" zusammengesetzten
Publikum einen erbaulichen Vortrag über „Das
Verhältnis; zwischen Christenthum und
Poesie." Cr behauptete, nach dem Berichte des
Potsdamer Intelligenz-Blattes u. a.: „Goethe
ist in seiner durch und durch klassischen Iphigenie
der über jede Bewunderung hinausragende Wurf
nur gelungen, weil seine Heldin keine Griechin,
sondern durch und durch eine christliche
Deutsche ist, die da sagt: ,nicht mit zu hassen,
mit zu lieben bin ich da^."
Wie schade, das; die Iphigenie, trotz ihres
„christlichen" Schöpfers das schöne Wort nicht
spricht, sondern, daß es etwa 450 Jahre vor
Christi Geburt von einem gewissen „heidnischen"
Sophokles der ebenso „heidnischen" Antigone in
den Mund gelegt wurde!
Aus dem österr. Abgeordnetenhause
berichtet das Tschechenblatt „Politik":
„wahrend der (kroatischen) Rede Ri-
ankinis erhob sichAbg.Brzeznowsky
und rief: ,Kinder, jetzt geb' ich Luch
ein Räthsel auf!‘“
Rings auf demReich liegt grauer Sorgenschleier,
Dem Rcichsrath lacht die Welt im Rosenflor,
Denn hier gesellt in froher Hochzeitsfeier
Sich zur Gehirnerweichung der Humor.
Mit Räthseln unterhält vergnügte Lacher
Ein wohlgelaunter Herr aus Prag. Er ist
Theils Volksvertreter und theils Handschuh-
macher
Und ein geborner Lircushumorist.
„wer ist", so fragt der edle Tscheche heiter,
„Am Dürftigsten bekleidet hier Ln Wien?" —
Sanft lacht Herr Fuchs, des Hauses frommer
Leiter,
Die Volksvertreter rathen her und hin.
welch harte Nuß! — 's war Reiner,
der sie knackte.
Falsch rieth so Mancher. Einer rief: „Ich wett':
was der da meint — das ganz besonders
Nackte —
Das ist gewiß ein Madel vom Ballet!"
Da rief der Räthsel-Spender: „Aber Rinder:
Die Gaslaternen sind's, denn diese sind
Bekleidet nur mit Strümpfchen und
Lylinder
Und trotzen so dem Wetter und dem wind!"
Da schütteln sich die Tschechen rings vor Lachen,
Der Präsident sieht fröhlich lächelnd zu,
Die Bäuche wackeln, daß sie fast zerkrachen —
Hahahaha! Hihihihi! Huhu!
Ich aber glaube: noch bedeutend nackter
Als Gaslatcrnen zeigt der Uebermuth
Der Tschechen sich. Tagtäglich abgeschmackter
Spreizt er sich — ohne
Strumpf und ohne Hut.
Loki
Re
Nana
«v
1
■AB**»'
(6»i
-
%
„F6condit6“ oder „Zola im Kindsbett"
V
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH: verantwortlicher Redakteur: F. von.OSTINIj.G, HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.
Druck von' KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
JUGEND -
1899
Letztes Aufgebot
M'i
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John Bult-Falstaff:
und nun besteht meine ganze Truppe ans Kerlen, die so zerlumpt sind
wie Lazarus auf gemalten Tapeten, und die in ihrem Leben nicht Soldaten
gewesen sind, sondern abgedankte, nichtsnutzige Bediente, jüngere Löhne von
jüngeren Brüdern, weggelaufene Kellner und verlotterte Hausknechte."
(Shakespeare, „Heinrich IV." 1. Theil, Akt 4 Sc. 2.)
Miener Parlament
&
Pech!
Der Superintendent Fischer aus Nen-
warp hielt am 14. November in Potsdam vor
einem aus den „besten Kreisen" zusammengesetzten
Publikum einen erbaulichen Vortrag über „Das
Verhältnis; zwischen Christenthum und
Poesie." Cr behauptete, nach dem Berichte des
Potsdamer Intelligenz-Blattes u. a.: „Goethe
ist in seiner durch und durch klassischen Iphigenie
der über jede Bewunderung hinausragende Wurf
nur gelungen, weil seine Heldin keine Griechin,
sondern durch und durch eine christliche
Deutsche ist, die da sagt: ,nicht mit zu hassen,
mit zu lieben bin ich da^."
Wie schade, das; die Iphigenie, trotz ihres
„christlichen" Schöpfers das schöne Wort nicht
spricht, sondern, daß es etwa 450 Jahre vor
Christi Geburt von einem gewissen „heidnischen"
Sophokles der ebenso „heidnischen" Antigone in
den Mund gelegt wurde!
Aus dem österr. Abgeordnetenhause
berichtet das Tschechenblatt „Politik":
„wahrend der (kroatischen) Rede Ri-
ankinis erhob sichAbg.Brzeznowsky
und rief: ,Kinder, jetzt geb' ich Luch
ein Räthsel auf!‘“
Rings auf demReich liegt grauer Sorgenschleier,
Dem Rcichsrath lacht die Welt im Rosenflor,
Denn hier gesellt in froher Hochzeitsfeier
Sich zur Gehirnerweichung der Humor.
Mit Räthseln unterhält vergnügte Lacher
Ein wohlgelaunter Herr aus Prag. Er ist
Theils Volksvertreter und theils Handschuh-
macher
Und ein geborner Lircushumorist.
„wer ist", so fragt der edle Tscheche heiter,
„Am Dürftigsten bekleidet hier Ln Wien?" —
Sanft lacht Herr Fuchs, des Hauses frommer
Leiter,
Die Volksvertreter rathen her und hin.
welch harte Nuß! — 's war Reiner,
der sie knackte.
Falsch rieth so Mancher. Einer rief: „Ich wett':
was der da meint — das ganz besonders
Nackte —
Das ist gewiß ein Madel vom Ballet!"
Da rief der Räthsel-Spender: „Aber Rinder:
Die Gaslaternen sind's, denn diese sind
Bekleidet nur mit Strümpfchen und
Lylinder
Und trotzen so dem Wetter und dem wind!"
Da schütteln sich die Tschechen rings vor Lachen,
Der Präsident sieht fröhlich lächelnd zu,
Die Bäuche wackeln, daß sie fast zerkrachen —
Hahahaha! Hihihihi! Huhu!
Ich aber glaube: noch bedeutend nackter
Als Gaslatcrnen zeigt der Uebermuth
Der Tschechen sich. Tagtäglich abgeschmackter
Spreizt er sich — ohne
Strumpf und ohne Hut.
Loki
Re
Nana
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„F6condit6“ oder „Zola im Kindsbett"
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Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH: verantwortlicher Redakteur: F. von.OSTINIj.G, HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.
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