189g
JUGEND
Nr. 52
»
Schiller wurde nach seiner eigenen An-
gabe durch die Lektüre des plutarch zu
seinen Geschichrsstudien angeregt.
In einem Briefe an Körner äußerte er
den sehnlichen Wunsch, auch einmal Großes
zu .vollbringen, um dann in Zukunft von
einem neuen plutarch ebenso verherrlicht
zu werden, wie einstens die Männer des
Alterthums.
Ein gemüthvoller späterer Schriftsteller
las mit klopfendem Herzen diesen rührenden
Erguß des hochstrebenden Dichters, wallte
edel auf und rief: „Dem Manne kann ge-
holfen werden!"
Schiller dachte in seinem Zimmer eben
darüber nach, was er jetzt wohl dichten
könnte.
So oft die Hausglocke ertönte, fuhr er
zusammen, denn es wurde ihm dann ge-
wöhnlich eine Rechnung präsentirt.
Als es wieder einmal läutete, erschien
der Geldbriefträger mit einem Honorar
von Lotta.
So ward er darauf aufmerksam, wie
die Glocke dem Menschen Freude und Leid
verkünde, und sofort verherrlichte er die-
selbe in seinem Liede.
Anfänglich standen sich Goethe und
Schiller kalt gegenüber. Erst als sie sich
zu einer gemeinsamen Flasche setzten, wurden
sie wärmer. Goethe redete viel von der
Güte des Weines, und Schiller von der
Güte der Natur, welche solche Gaben spende.
Da erkannten sie, daß sie sich gegenseitig
trefflich ergänzten, und sie beschlossen, ihren
berühmten Freundschaftsbund sofort zu
schließen. Oftmals weilten sie nun bei-
sammen, und während der große Realist
trank, pries der nicht minder große Idealist
mit begeisterten Worten das Göttergeschenk.
Schiller äußerte einst Goethe gegen-
über, daß er seine großen dramatischen Er-
folge einer Schmiere verdanke, welche seit
längerer Zeit in der Nähe thätig sei.
„wieso?" fragte der berühmte Theater-
leiter betreten.
„Nun", lächelte der große Dramatiker,
„der dasige Liebhaber liefert mir die faulen
Aepfel, welche ich zu meiner geistigen An-
regung stets im Schreibtische liegen haben
muß."
Ein munterer Junker liebte es, die
Herren und Damen des Weimarer Hofes
aufsitzen zu lassen.
Einmal wagte er sich an den ernsten
Schiller und fragte ihn, ob er schon Heines
Harzreise gelesen habe.
„Mich führen Sie nicht auf den Leim!"
sagte der Dichter gelassen. „Ich weiß recht
wohl, daß Heine erst vier Jahre alt ist."
Schiller, welcher bekanntlich die Schau-
bühne als Erziehungsstätte des Volkes be-
trachtete, äußerte einstens zu Goethe, er
habe immer gewünscht, nach ISS Jahren
wieder auf die Welt zu kommen, um die
Wirkungen ihres gemeinschaftlichen Wirkens
beobachten zu können.
„Heute Nacht," fügte er seufzend hinzu,
„ist mir dieser Wunsch im Traum in Er-
füllung gegangen. Aber mein Gott, wie
sah es auf dem Theater aus, als ich
wiederkam!"
Schiller war durchaus nicht so un-
praktisch im gewöhnlichen Leben, wieviele
annehmen.
Er verbrauchte beim Dichten sehr viel
schwarzen Raffee. Da seine besorgte Gattin
davon aber Schädigung seiner Gesundheit
befürchtete, nahm sie ihm eines Abends die
Tasse weg.
„So, nun dichte Du!" sagte Schiller
und schob ihr das angefangene Manu-
script hinüber.
weil sie das aber nicht konnte und der
Haushalt vom Dichten bestritten werden
877
mußte, so bekam der Dichter durch diesen
feinen Schachzug seinen Raffee wieder.
Ein eingebildeter Schriftsteller, welcher
bei den Schjller'schen Iugenddramen be-
deutende Anleihen gemacht hatte, äußerte
diesem gegenüber hochmüthig:
„was Sie sind, bin ich auch!"
„So ziemlich!" lächelte Schiller. „Ich
bin der Dichter der Räuber und Sie sind
ein räuberischer Dichter."
Als Schrller seinen plan zum wallen-
stein entworfen hatte und eben zur Aus-
führung schreiten wollte, verzweifelte er
wegen der Ueberfülle des Stoffes an der
Möglichkeit, diesen in einem Drama zu be-
wältigen.
In seiner schmerzlichen Erregung zerriß
er das Manuskript in drei Theile.
„Heureka!" jubelte er dann. „Ich mach'
eine Trilogie daraus!"
Kchikker aks Prophet
(mir nachstehender Zeichnung von Walther püttner)
Gdker Freund! Mo öffnet sich dem Frieden,
Mo der Freiheit sich ein Zufluchtsort?
Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden,
(Und das neue öffnet sich mit Mord.
Keine Handeksflotten streckt der (Krite
Gierig mie Pokppenarme aus,
(Und das Keich der freien Amphitrite
Miss er schkießen, mie sein eignes Haus.
?u des Südpoks nie erbkickten Sternen
Dringt sein rastkos ungehemmter Lauf,-
Alle Jnfekn spürt er, alle fernen
Rüsten — nur das Paradies nicht auf.
«Ach, umsonst auf allen Landerkarten
Spähst du nach dem sekigen Gebiet,
Mo der Freiheit ewig grüner Garten,
Mo der Menschheit schöne Jugend bküht.
Gndkos kiegt die Mekt vor deinen (KkicKen,
(Und die Schiffahrt seköst ermißt sie Kaum,-
Doch auf ihrem unermeßnen Kücken
Ist für zehen Gkückkiche nicht Kaum.
In des Herzens heikig stille Kaume
Mußt du fliehen aus des Lebens Drang!
Freiheit ist nur in dem Keich der Traume»
(Und das Schöne bküht nur im Gesang.
(Aus Schillers zu Beginn des
Jahres 1800 erschienenen Gedichte
„Der Antritt des neuen Jahrhunderts".)
JUGEND
Nr. 52
»
Schiller wurde nach seiner eigenen An-
gabe durch die Lektüre des plutarch zu
seinen Geschichrsstudien angeregt.
In einem Briefe an Körner äußerte er
den sehnlichen Wunsch, auch einmal Großes
zu .vollbringen, um dann in Zukunft von
einem neuen plutarch ebenso verherrlicht
zu werden, wie einstens die Männer des
Alterthums.
Ein gemüthvoller späterer Schriftsteller
las mit klopfendem Herzen diesen rührenden
Erguß des hochstrebenden Dichters, wallte
edel auf und rief: „Dem Manne kann ge-
holfen werden!"
Schiller dachte in seinem Zimmer eben
darüber nach, was er jetzt wohl dichten
könnte.
So oft die Hausglocke ertönte, fuhr er
zusammen, denn es wurde ihm dann ge-
wöhnlich eine Rechnung präsentirt.
Als es wieder einmal läutete, erschien
der Geldbriefträger mit einem Honorar
von Lotta.
So ward er darauf aufmerksam, wie
die Glocke dem Menschen Freude und Leid
verkünde, und sofort verherrlichte er die-
selbe in seinem Liede.
Anfänglich standen sich Goethe und
Schiller kalt gegenüber. Erst als sie sich
zu einer gemeinsamen Flasche setzten, wurden
sie wärmer. Goethe redete viel von der
Güte des Weines, und Schiller von der
Güte der Natur, welche solche Gaben spende.
Da erkannten sie, daß sie sich gegenseitig
trefflich ergänzten, und sie beschlossen, ihren
berühmten Freundschaftsbund sofort zu
schließen. Oftmals weilten sie nun bei-
sammen, und während der große Realist
trank, pries der nicht minder große Idealist
mit begeisterten Worten das Göttergeschenk.
Schiller äußerte einst Goethe gegen-
über, daß er seine großen dramatischen Er-
folge einer Schmiere verdanke, welche seit
längerer Zeit in der Nähe thätig sei.
„wieso?" fragte der berühmte Theater-
leiter betreten.
„Nun", lächelte der große Dramatiker,
„der dasige Liebhaber liefert mir die faulen
Aepfel, welche ich zu meiner geistigen An-
regung stets im Schreibtische liegen haben
muß."
Ein munterer Junker liebte es, die
Herren und Damen des Weimarer Hofes
aufsitzen zu lassen.
Einmal wagte er sich an den ernsten
Schiller und fragte ihn, ob er schon Heines
Harzreise gelesen habe.
„Mich führen Sie nicht auf den Leim!"
sagte der Dichter gelassen. „Ich weiß recht
wohl, daß Heine erst vier Jahre alt ist."
Schiller, welcher bekanntlich die Schau-
bühne als Erziehungsstätte des Volkes be-
trachtete, äußerte einstens zu Goethe, er
habe immer gewünscht, nach ISS Jahren
wieder auf die Welt zu kommen, um die
Wirkungen ihres gemeinschaftlichen Wirkens
beobachten zu können.
„Heute Nacht," fügte er seufzend hinzu,
„ist mir dieser Wunsch im Traum in Er-
füllung gegangen. Aber mein Gott, wie
sah es auf dem Theater aus, als ich
wiederkam!"
Schiller war durchaus nicht so un-
praktisch im gewöhnlichen Leben, wieviele
annehmen.
Er verbrauchte beim Dichten sehr viel
schwarzen Raffee. Da seine besorgte Gattin
davon aber Schädigung seiner Gesundheit
befürchtete, nahm sie ihm eines Abends die
Tasse weg.
„So, nun dichte Du!" sagte Schiller
und schob ihr das angefangene Manu-
script hinüber.
weil sie das aber nicht konnte und der
Haushalt vom Dichten bestritten werden
877
mußte, so bekam der Dichter durch diesen
feinen Schachzug seinen Raffee wieder.
Ein eingebildeter Schriftsteller, welcher
bei den Schjller'schen Iugenddramen be-
deutende Anleihen gemacht hatte, äußerte
diesem gegenüber hochmüthig:
„was Sie sind, bin ich auch!"
„So ziemlich!" lächelte Schiller. „Ich
bin der Dichter der Räuber und Sie sind
ein räuberischer Dichter."
Als Schrller seinen plan zum wallen-
stein entworfen hatte und eben zur Aus-
führung schreiten wollte, verzweifelte er
wegen der Ueberfülle des Stoffes an der
Möglichkeit, diesen in einem Drama zu be-
wältigen.
In seiner schmerzlichen Erregung zerriß
er das Manuskript in drei Theile.
„Heureka!" jubelte er dann. „Ich mach'
eine Trilogie daraus!"
Kchikker aks Prophet
(mir nachstehender Zeichnung von Walther püttner)
Gdker Freund! Mo öffnet sich dem Frieden,
Mo der Freiheit sich ein Zufluchtsort?
Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden,
(Und das neue öffnet sich mit Mord.
Keine Handeksflotten streckt der (Krite
Gierig mie Pokppenarme aus,
(Und das Keich der freien Amphitrite
Miss er schkießen, mie sein eignes Haus.
?u des Südpoks nie erbkickten Sternen
Dringt sein rastkos ungehemmter Lauf,-
Alle Jnfekn spürt er, alle fernen
Rüsten — nur das Paradies nicht auf.
«Ach, umsonst auf allen Landerkarten
Spähst du nach dem sekigen Gebiet,
Mo der Freiheit ewig grüner Garten,
Mo der Menschheit schöne Jugend bküht.
Gndkos kiegt die Mekt vor deinen (KkicKen,
(Und die Schiffahrt seköst ermißt sie Kaum,-
Doch auf ihrem unermeßnen Kücken
Ist für zehen Gkückkiche nicht Kaum.
In des Herzens heikig stille Kaume
Mußt du fliehen aus des Lebens Drang!
Freiheit ist nur in dem Keich der Traume»
(Und das Schöne bküht nur im Gesang.
(Aus Schillers zu Beginn des
Jahres 1800 erschienenen Gedichte
„Der Antritt des neuen Jahrhunderts".)