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Nr. 16 • JUGEND * 1900

Frübling

-Frühling, Du bist wieder da!

^ Und mein Her) ist sonnentrunken!
welch ein Leuchten! Zern und nah
Blitzen tausend Blüthenfunken.

Leuchtend steht der junge Baum,
Leuchtend liegt die junge Haide,
Leuchtet bis zum fernsten Saum
Aus in ihrem Lenzgeschmeide.

Und die Wolken, weiß und zart,
Und des Himmels duftige Bläue —
Jedes Glück wird Gegenwart,

Jedes Hoffen blüht auf's neue.

Ging ich durch den Wintertag
Wie in einer tiefen Trauer,

Trag' ich jetzt durch Zeld und Haag
Meine heißen Herzensschauer.

.An den Duellen, die da wach
Durch die gold'nen Stunden rauschen,
Geh' ich meinen Träumen nach,

Ihrem leisen Lied zu lauschen.

An den Wassern, die befreit,

Strom zu Strom, in's Weite streben,
Ach, in all der Herrlichkeit,

Wo sind Zlügel, die mich heben?

Zwischen Blumen irrt mein Zuß,
Erste junge Zrühlingsdüfte,

Doch dem Hellen Vogelgruß
Neide ich die weiten Lüfte.

Ach, es ist ein Wogengehn,

Ach, es ist ein Wunsch und wollen,

Ist ein seltsames verstehn

Und ein nicht enträthseln sollen.

Gualvoll süße Seligkeit!

Zrühling, Deine Küsse brennen!

Laß, wonach die Seele schreit,

Laß Dein tiefstes Glück mich kennen!

Gustav Falke

Gedanken

E höher der Mensch auf der gesellschaft-
lichen Stufenleiter emporstcigt, desto
mehr erkennt er, daß das Problem des
Lebens ganz dasselbe ist für den Fürsten
wie für den Schuhflicker und daß alles
Gesellschaftliche ein bischen unwesentlicher
Zufall ist im Vergleiche zum „Menschlichen."
Darum z. B. behandelt der Parvenü seinen
Schuhputzer viel schlechter als der Aristo-
krat. Dieser fühlt sich dem Schuhputzer
naher als jener.

$

JE Geschichte von Odysseus und den
Sirenen enthält eine köstliche Lehre.
Niemand vermag den Sirenengesängen ver-
derblicher Lust zu widerstehen, der sich nicht
vorher freiwillig gebunden hat durch das
Gesetz. Dieses Gesetz gibt ihm die Frei-
heit von tödtlicher Umklammerung. Aber
hören und kennen soll er jene Gesänge
— nur Unmündigen mag man die Ohren
verstopfen. <vtto Lrnst

ER Begabte lernt weniger durch Er-
fahrung von Außen her, als von
Innen her durch Ueberlegung.

M Unverzeihlichsten in den Augen der
Leute sind nicht die Fehler, die wir
haben, sondern die wir nicht mit ihnen
theilen.

VtX\X\ Jemand für eine Thorheit, auf
der er mit Eigensinn besteht, keinen
Grund weiß, so sagt er, er handle aus
Grundsatz. Max v. Seidel

Nippes

Villa der Königin Marie von Hannover
in Gmunden

vieles hast Du verloren, König-
liche — — —, um Alles zu gewinnen,
Lebens-Zrieden und Rast!

Jm parke der Königin stehen Birken-
Gruppen auf unendlichen Wiesen und in
wunderbar reinlichen Ställen stehen, ge-
hegt und gepflegt, edle Wagenpferde.

Aus der Groß-Stadt kommt ein Künst-
ler, spielt Geige-

Nothbefrackte Lakaien bringen Lr-
frischungen.

von unendlichen wiesen strömt Luft
und Kühle in den getäfelten Saal-.

vieles hast Du verloren, Königliche,
um Alles zu gewinnen, Lebensfrieden
und Rast!

3u einem Bilde in der „Jugend" von
A. Münzer: „wafier-Nixchen."

Märchen-Wesen wäret Ihr Alle, Alle!

Süße Mysterien Euerer selbst!

Und die Jünglinge und die Dichter,
diese ewig jünglinghaften, bestärk-
ten Luch in Euren erhabenen Unverständ-
lichkeiten — — —.

Aber der „reife Mann", dieser ewig
greisenhafte, entzauberte Luch und
schuf Luch um zu brauchbaren Weibchen!

was im Leben oerkommt, er-
blüht, geschützt, in der Dichtung —

Wasser-Nirchen baden im See
und lachen der Männer!

Peter Altenberg

Robert Anning Bell (London)
Register
Peter Altenberg: Nippes
Max v. Seydel: Gedanken
Ernst Neumann-Neander: Zierleiste
Gustav Falke: Frühling
Robert Anning Bell: Frühling
Otto Ernst: Gedanken
 
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