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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (09. Juli 1900)
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Nr. 28

. JUGEND -

1900

Das Vegräöiüß des Humoristen

f lso diesmal war er wirklich tobt, mausctodt,
wie man so zu sagen pflegt. Er war schon
zweimal tobt gewesen, aber immer wieder lebendig
geworden. Das erste Mal hatte er angeblich
irgendwo im Lande beim Baden den Tod in
den Wellen gefunden, das zweite Mal war er
vom Zweirad gefallen und ,hatte das Genick ge-
brochen, Kaum erschienen jedoch die Nachrufe in
den Zeitungen und schon freuten sich die Kol-
legen, das; sie den unangenehmen Konkurrenten
los waren, da lebte er plötzlich wieder ans und
verkündete in scherzhaften Zuschriften an die Zeit-
ungen, statt besonderer Meldung, seine glückliche
Wiederauferstehung nebst tiefgefühlter Danksag-
ung für die innige Theilnahme und die ivarincn
Worte der Kollegen am Sarge. Das gab eine
herrliche Reklame, Jedes Mal hatte er danach
die doppelte Anzahl Witze verkauft. Doch wie
schon bemerkt, jetzt >var er wirklich kollegial ge-
wesen und lag nun yufgebahrt in einem ein-
fachen Sarge im Borderzimmcr seiner beschei-
denen Wohnung, Zu seinen Haupte» standen
ein armseliger Gnmmibaum und drei künstliche
giftgrüne Palmen. Er hatte den üblichen Frack
an -mit einer riesigen weißen Chrysanthemum
im Knopfloch und sah kerngesund aus, denn der
Begräbniß-Direktor hatte ihn nach amcrikanischer
Sttte geschminkt und dabei waren die Backen
etwas zu rosig gcrathen. Das wirkte tragikomisch.
Aber noch seltsamer war der vergnügte Ausdruck
des Gesichtes, „Als ob ihm g'rade noch zuletzt
ein neuer Negerwitz eingefallen wäre!" sagte
Callahan, einer der anwesenden Kollegen. Neger-
Witze waren nämlich des Verstorbenen Spezia
lität gewesen. Es hatten sich fünf Kollegen ein-
gefunden - vier Humoristen und ein Karika-
turenzeichner. Die Verwandtschaft >var durch
einen Onkel und eine Tante, brave Bäckersleute,
vertreten, „Wenn's nur nicht doch wieder eine
Fopperei von ihm ist!" meinte der buckelige
Smith, der als wüthendcr Monarchenhasser be-
kannt war und aus reinem Hohn unter dem
Pseudonym „His Majesty“ schrieb, und besah
ihn prüfend, „Ich traue ihm nicht. Die „Morgen-
Pauke" hat mich beauftragt, einen Nachruf für
heute früh zu schreiben. Aber ich tvarte lieber
bis zur Abend-AuSgabe. Ich bin schon mal mit
einein Nachruf auf ihn hereingefallen. Wo nur
der Jimmy bleibt!"

Jimmy tvar ebenfalls ein Humorist, der das
Monopol für snmmtliche Witze über die Deutschen
und Alles, was deutsch war, besaß. Er machte
alle Witze über Limburger, über Lagerbier, über
Frankfurter und über Sauerkraut und hatte cs
im deutsch-englischen Kaudertvälsch zur Virtuo-
sität gebracht, denn er stammte selbst von dcut-
fchen Eltern, llcberdies sollte er die Trauerrede
halten. Endlich ging die Thür auf, aber cs war
nicht der heißersehnte Jimmy, sondern die dicke
Frau Krause von nebenan, bei welcher der Ver-
storbene zu Abend zu essen pflegte. Sie hatte
auch den Gummibanm nebst den drei Palmen
gestiftet, damit es etivas feierlicher aussehe. In
der Linken hielt sie ein riesiges Taschentuch, das
entsetzlich nach einem billigen Parfüm roch und
mit dem sie sich ab und zu die Augen wischte.
Zuletzt erschien auch Jimmy, ganz außer Athem
und in einem viel zri großen uralten Frack, Er
mußte ununterbrochen die Brust Herausstrecken,
um den Frack nur halbwegs anszufüllen und
auf den Schultern zu behalten. Das gab ihm
etwas lächerlich Aufgeblasenes, „Wie ein Trut-
hahn!" flüsterte He-s Majestät Smith
dem Kollegen Callahan zu, Calla-
han, der alle Witze iiber seine
eigenen Landsleute, die

Xmi

3cb wollt’, fcb wäre nicht Liner.
Ich wollt’» ich wäre Zwei,

And Feder von den Leiden
•(Könnte sein Loos entscheiden,

Vom Mlillen des Andern krei,

•And doch in Leiden mein Ibene,
Alt Leiden mein kreisendes Llut,
And was der Line genösse,

And was ihm der Tag erschlösse,
IKänt’ auch dem Andern zu gut.

Der Line, der müsste reisen
An alle Fernen hinaus;

Der Andere würd’ indessen
Des Schaffens IRefcbe durehmessen
Am stillen Deimathhaus.

And ginge der Lrste von hinnen,

Vom Zweiten zu Grabe geführt,

Der könnt' ihm den Stab nicht brechen,
Dieweil er all seine Schwächen
An eigener Seele gespürt.

Der Line schlüge sieh wacker
Als unerschrockener Deld
Durch’s widerspenstige Lehen;
Der Andere dürfte schweben
An einer geträumten Melt.

And sässe dieser am Derde
Lei seinem Lhesehatz,

So würde Aencr den Gattern
Des Dochzeitskäügs entflattern
Als keeklieh einsamer Spatz.

And tränke der Line die Freuden
/UMt langem, durstigem Zug,

So wären die kleinen Schlücke
Vom täglichen häuslichen Glücke
Dem Derzeit des Anderit genug.

Lr spräch’: Ach ksnnt' ihn wie Deiner»
Ahn, der zu frühe verblich;

Lr war im Lehen hienieden
Durch Iklüfte von mir geschieden
And dennoch mein zweites Ach.

Luctwlg fulcln

Gedanken

Der Lügner Haßt die Menschen, die
ihm nicht glauben, und verachtet diejenigen,
die ihm glaube»,

*

Rcccpte und Bücher und Röchinncn darf
man sich nur von ganz verläßlichen Men-
schen empfehlen lassen.

wer das Rüthsel seines eigene» Lebens
ergründen will, wird entdecken, daß er
etwas länger als ein Leben lang dazu
braucht,

*

wenn wir
rathcn t
der Taft allein
das Richtige.

dem Verstände folgen, ge-

sjt

auf

wcgc

stets

rath

uns


4'

A. Balmer (München)
Register
Ludwig Anton Salomon Fulda: Zwei
v. W.: Gedanken
Henry F. Urban: Das Begräbniß des Humoristen
A. Balmer: Zierleiste
 
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