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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (09. Juli 1900)
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Nr. 28

. JUGEND .

1900

Empfindung. Alles was hart und erdenschwer
in mir lastet, wird wie mit unsichtbaren
Strahlen in leuchtende Klarheit ausgelöst

Es ist die Seligkeit des glücklichen Be-
glückenden, die mein Sein durchfluthet, meine
ganze Seele ist nur noch Liebe — Liebe zu
dem kleinen, saugenden, schlummernden Ding.
Und sie erfüllt mich mit wunderbarer Macht.
Der Gedanke der Liebe, den mein Gehirn ge-
boren, das ganze große mächtige Liebesempfin-
den, es setzt sich um in die Wärme, die meiner
Brust entströmt, es bewegt die Atome und
Moleküle der leise rinnenden Lebensquelle,
und das Kind nimmt sie auf, unbewußt,
ahnungslos.

Es weiß nicht, was es ist, was seine Mus-
keln kräftigt, was sein junges Dasein mit Leben
und Wohlbehagen erfüllt — ich aber weiß es:

„Liebe bildete Dich; werde Dir Liebe zu
Theil," sagt Goethe in den römischen Epigram-
men. Du, mein Kind, saugst sie ein, mit der
Nahrung am Mutterherzen, mit den unbewußt
wogenden Gedanken desselben — Du trinkst
Blut von meinem Blut und Geist von meinem
Geist, du trinkst das Herzblut aufopfernder
Muttersorge — die Triebkraft zu allem Guten
und Idealen. — Liebe, vom ewigen Urquell
aller Liebe genommen — Seele von der
Weltseele. —

Da sagen die Menschen: der Beruf der Mut-
ter sei ein thicrischer, — ich sage: er ist ein
göttlicher. — —

Das Kind ist satt — mechanisch bewegt
sich der kleine Mund noch, wie in süßer Er-
innerung des Genossenen, ein Tröpfchen Milch
hängt an seinem Mundwinkel, seine Bäckchen
sind geröthet von fröhlichem Wohlsein.

Leise lege ich ihn in sein Bettchen zurück,
mir ist so still, so feierlich zu Muthe, als sei
ich in der Kirche gewesen und es war auch ein
Gottesdienst diese halbe Stunde der Einkehr in
mich selbst mit meinem Kind an der Brust.

O sei gesegnet, Opfer der Liebe, so oft und
wo immer du dich wiederholst auf dieser Welt,
und gesegnet sei jede Mutter, die als Priesterin
dieses Opfer vollzieht. —

Termine Dicmer geb. v. fiillern

Jtn Phonocjraphen-Hrchiv

In der letzten Sitzung der Wiener Aka-
demie der Wissenschaften wurde der Be-
schluß gefaßt, ein Archiv von Grammophon-
platten — aus Hartgummi oder einem dauer-
hafteren Material — anzulegen, wodurch denk-
würdige Leistungen auf dem Gebiete der Musik,
Schauspielkunst oder Rhetorik der Rachwelt er-
halten werden sollen.

wenn einst die Neuzeit und was d'rum
Und dran schon längst zrnn Mittelalter,

(wo nicht schon gar zum Alterthum —)
Geschlagen ward, — und einst beim Schalter
Im „Phonographischen Archiv"

Mein Ur-ur-ur-ur-ur-ur-Tnkel
Tntröe gezahlt hat laut Tarif,

Und all die Griffe dreht und Henkel:
wie wird er hören da erstaunt,

Die seit Aeonen friedlich schlafen —,

Das lacht und weint und lärmt uub raunt,
© Wunderwerk des Phonographen!

Er liest entzückt im Katalog:

So sang vor abertausend Jahren
Miß Melba, die niagnetisch zog,

Auch wenn die Preise achtfach waren.

So liebte Kainz (als Romeo
In seiner Jugend heißem Lenze);

Die Sorma so, die Lehmairn so, —

Nun flicht die Nachwelt ihnen Kränze! —
Da fliegt ein „Rindvieh" ihm an's Dhr —
Aha, — die österreich'sche Walze
Des Parlaments, — welch wüster Thor, —
Tin Gröhlcn, Grunzen und Geschnalze!

Von Schauern fühlt er sich gepackt:

Der Mann da, fluchend gottselendig,
ward sicher längst ein Petrcfact,

Dies „Rindvieh" aber blieb lebendig! —

Sehr gerne hätt' er noch am Ziel
Von Liebknecht einen Speach gezogen,

Doch leider sprach der einst soviel
Hinein, daß sich die Platten bogen. . .

So thürmt sich luftig Schloß um Schloß, —
Da fühl ich's mächtig in mir zucken:

wie nützlich, — thät' ich meinem Sproß-
Tin bischen mit Moral noch spuken!

Ukit Dir, mein saub'rcr Friederich,

Red' ich nun durch die Gummiplatte!

Dein Lebenswandel paßt mir nich',

Nimm aus dem ©hr des Leichtsinns Watte!
Du säufst ja nächtlich bis um vier
Im Kreise lockerer Tumpane,

Bei Mädeln suchst Du Dein Plaisier —!

Ich wälz' im Grab uiich, ich, Dein Ahne!
Vermeinst Du, daß die ©uintessenz
Des Daseins Weib, Wein oder Skat ist. . .?!
Kreuch' aus dem Pfuhl mit Vehemenz, —

© geh in Dich, eh es zu spat ist...!
Erschrick nicht Jung', — es war ein Scherz,
Glaub' nicht, daß ich Dir so jo predig',

So bitt're Weisheit, — faß ein Herz
Und fürcht' Dich nicht, — ich bleib ja ledig!

Aß. eitelberg

Untrügliches Zeichen

Kürzlich sprach ich mit einem intelligenten
und literaturverständigen Buchhändler über das
Berständniß unseres großen Publikums für gute
Bücher. Ich schlug dieses Berständniß nicht
sehr hoch an.

„O da irren Sie!" sagte der Mann.

„Wie?"

„Unterschätzen Sie das Publikum nicht!"

„Wirklich — — ? Sie sind andrer Ansicht ?"

„Allerdings. Die meisten Leute haben ein
sicheres Gefühl dafür, ob sie ein gutes Buch
in der Hand haben oder nicht."

„Sie scherzen —"

„Was ich Ihnen sage. Ich hab's ja tau-
sendmal erprobt und den Leuten ein gutes
Buch hingegeben. Ich kann Ihnen sagen, sie
haben eine feine Nase dafür. 90 Prozent merken
sofort mit instinktiver Sicherheit heraus, daß sie
etwas Gediegenes in der Hand haben."

„Woraus schließen Sie das?"

„Sie legen's eben weg und kaufen was
anderes." Jan de Orient

Max Feldbauer (München)

Gedanken eines Pferdes

»Ja, wenn Eie schon an der ersten Hürde 'runterpurzeln, was thun Eie denn dann erst an der Eteinrnaner?"
Register
Jan de Grient: Untrügliches Zeichen
Max Feldbauer: Gedanken eines Pferdes
Max Eitelberg: Im Phonographen-Archiv
 
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