1800
. JUGEND -
Nr. 29
beschaffen fei. Auch an Sie, hochverehrtes
Fräulein, richten wir, als an eine der
berufensten Priesterinnen echter Kunst, die
ergebene Bitte, uns Ihre Meinung über
diese ernste und hochwichtige Frage zum
Zwecke der Veröffentlichung in unserem
Blatte geneigtest übermitteln zu wollen."
(Sie wirft den Brief auf den Schreibtisch zurück
und schaut ihre Zofe erwartungsvoll an): No,
was soll man da sagen?
Jeanette (unterdrückt ein Lächeln und zuckt
die Achseln): Ja — meine Meinung will
doch die Extrapost nicht wissen!
Zaza: Ah deswegen! Meine Mein-
ung. . . ich Hab' überhaupt keine Mein-
ung von der Moral! Es handelt sich
doch blos darum, daß man tvas hin-
schreibt, sonst schaut's so dumm aus. —
Aber weißt, Schanett, mit dem Schreiben
thu' ich mir immer noch hart. Ich bin
blos in der Volksschul g'wesen und nach-
her Hab' ich gar nix mehr g'lernt, —
aber Du hast eine Bildung, Du hast mir
doch erzählt, Du kvnnt'st heut Gouvernant
sein, wenn Du net z'weng die Verhält-
nisse . . .
Jeanette: Ja schon — schreiben könnt
ich schon, aber ich muß doch Ihre Ansicht
wissen, — >vas denken sich denn gnä'
Fräulein ungefähr?
Zafa: Denken — Denken! Red' net
so dumm daher, Schanett! Gar nix denk'
i mir! Bei solchen Gelegenheiten kommt's
überhaupt nur drauf an, daß ma so a
Sprüchl recht fesch hinsetzt! Wo Hab'
ieh denn des g'lesen — von der Wolter
oder der Sandrock oder der Odilon —
ich weiß net gleich . .. „Die Seele des
Künstlers ist >vie das Meer, mit Ebbe
und Fluth. Man weiß nicht, woher es
kommt, ob von was Außerirdischem —
vielleicht, daß der Mond dran schuld ist. ."
weißt, so was macht' ich hinschreiben an
die Extrapost!
Jeanette: No also, schreiben's doch
das: „Die Seele des Künstlers ist wie
das Meer." — Warum auch net?
Ziya (zweifelnd): So? Meinst? Wei-
ter nix? — Ja, da kann ma sich doch
eigentlich nix dabei denken.
Jeanette (fein): Ja, lassen doch gnä'
Fräulein das Denken die anderen Leut'
besorgen.
Za;a: Ah geh' zu! Ma will doch
drauf ang'seh'n wer'n, daß man an Geift
besitzt! — Also geh', sag' mir g'schwind
was!
Jeanette: Ja, was haben's denn für
eine Ansicht über die Moral des Künstlers?
Iüfa (wirft sich auf einen niedrigen Polster-
sessel und schlägt ärgerlich die Beine überein-
ander): Ach geh', sekir' mich net! Wenn
ich eine Moral g'habt hält', wär ich heut'
»et die berühmte Künstlerin — wie soll
ich denn dazu kommen, bitte? Du weißt,
mei Vater war Hilfspostbote, und meine
Mutter hat sich nachher als Toilettsrau
redlich ernährt. Wenn ich mich hält' auf
die Moral einlassen wollen, nachher hätt'
nie ein Mensch mein Talent entdeckt.
Kann sein, daß die Moral kein Hindernis;
is für Leut', die schon ein Talent haben
— unsereins braucht a Glück, und mein
Glück is g'wesen, daß mich die Moral
nie nix kümmert hat!
Jeanette (seelenruhig): Also schreiben's
doch das.
Za)a: Meinst? — Ah geh' zu! Ich
werd' mich hüten, wo mich doch die Extra-
post für eine berufene Priesterin der echten
Kunst erklärt!
Jeanette (zieht nachdenklich den Saum ihrer
Schürze zwischen Daumen und Zeigefinger durch.
Dann lächelt sie verschmitzt, sagt aber nichts).
Zara (sie beobachtend, springt auf, ergreift
sie beim Ohrlapperl und ruft aufgeregt): Grad
is d'r was eing'fallen — geh, sag's
g'schwind! Aber weißt, wann's d' mich
etiva frozeln willst . . .! No sag's doch,
Schanett! — Schanetterl, ich schenk' Dir
was!
Jeanette (abwehrend): Ach gnä' Fräu-
lein, es ist mir ja nicht darum... ich
Hab' nur gedacht, man könnt' am End'
ans dem, was Sie eben g'sagt haben,
was z'sammstellen.
Za;a: Also zum Beispiel?
Jeanette: Also zum Beispiel: Das
Glück ist die Moral der Talentlosen.
Ziya: Is wahr?
Jeanette: Das weiß ich nicht, — aber
gnä' Fräulein haben's doch selber g'sagt.
Zasa: So, das Hab' ich g'sagt? —
Du, das klingt fein! — Aber von die
Talentlosen will doch eigentlich die Extra-
post nix Wissen!
Jeanette: Also schreiben S'doch: Glück
ist die beste Moral — ausgenommen für
die Talentlosen! Oder: Die Talentlosen
brauchen zu ihrem Glück eine Moral —
die Andern zum Glück nicht!
Za;a (fährt sich durch die Haare): Weißt',
jetzt bin ich schon ganz dumm.
Jeanette (aufleuchtend): Alsdann schreiben
S': „Die Moral ist einfach ein Unglück!
Zaza Laska." Das macht Effekt!
Zaza (sehr nachdenklich): Aber ist es
nicht gemein für eine echte Priesterin?
Jeanette: Jedenfalls ist es fesch hin-
g'fetzt.
Zaza: Alsdann is 's recht. Fesch is
besser, wie g'scheit! Und Du bist eine
Perle von einem Mädchen — ich sag's
dem Grafen, er muß Dir einen Zehn-
guldener schenken! (Sie setzt sich an den
Schreibtisch und malt mit zwei Centimeter hohen,
steilen Buchstaben auf das seegrüne Papier:
„Die Moral ist einfach ein Unglück!
Zaza Laska."
Tnttzlied
Man kennt mich nickt,
Man nennt niick nickt,
Sprickt man von deutschen
Dicklern —
Verpönt bin ick,
Verköknt bin ick
Von gar gestrengen kicktern!
Sie hetzen mick,
Sie petzen mick
Und reissen mick kerunter —
Jcb wehr’ mick nickt,
(jfch scher' mick nicht
dnd schreib' drauf los, ganz
munter!
Gustav Racketburg
Der vollständige Ibsen
Line nordische Phantasie
Ls traten all die Gestalten,
Die (Meister Ibsen ersann,
Zu Ehren des großen Alten
Line „Nordische Heerfahrt" an.
Ls lud sie die „Zrau vom (Meere"
Zum „Zeste aus Sothaug,"
Dort warf ein gewisser Helmer
Auf die schöne „Nora" sein Aug.
Er bestellte beim „Baumeister Sotn eß"
Ein zierliches „Puppen he im,"
Doch trug die „Komödie der Liebe"
Schon in sich den Todeskeim.
Denn kaum erschien „Klein Eyolf,"
Ging „Nora" von Mann und Kind;
Sie suchte das „Wunderbare"
Und fand es bei „Peer Gynt."
Dort war ste mit „Hilde Mangel"
Und mit „Irene" bekannt,
Sie gingen zum „Tingeltangel,"
Und setzten die Herzen in „Brandt".
Selbst „Kaiser und Galiläer"
Die waren von ihnen entzückt,
Ein Jüngling gar, „Dswald Alving,"
Der wurde vollständig verrückt,
Hielt sich für'nen„KronPrätendenten,"
Ward „Volksfeind" über Nacht,
Und wurde zuletzt in's Irrenhaus
von „Nosme rsholm" gebracht.
Dort war auch „John Gabriel Bork-
man n,"
Der viel an der Börse verspielt,
Und „Gregers Werle," der Alle
Zür „Wilde Enten" hielt.
Die „Nattenmamsclt" war natürlich
Schon lange an jenem Grt,
Doch die „Stütze der Gesellschaft"
War „Hedöa Gabler" dort.
Die starb eines Tages in Schönheit,
Die Haare weinumlaubt,
Da kam der Geist des Dichters
Prophetisch über ihr Haupt.
Sie sprach mit satanischem Lachen:
„Jetzt wird es hier spuken im Haus,
Denn .Wenn wir Todten erwachen"
So werden .Gespenster' daraus."
Kory Towska
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Nr. 29
beschaffen fei. Auch an Sie, hochverehrtes
Fräulein, richten wir, als an eine der
berufensten Priesterinnen echter Kunst, die
ergebene Bitte, uns Ihre Meinung über
diese ernste und hochwichtige Frage zum
Zwecke der Veröffentlichung in unserem
Blatte geneigtest übermitteln zu wollen."
(Sie wirft den Brief auf den Schreibtisch zurück
und schaut ihre Zofe erwartungsvoll an): No,
was soll man da sagen?
Jeanette (unterdrückt ein Lächeln und zuckt
die Achseln): Ja — meine Meinung will
doch die Extrapost nicht wissen!
Zaza: Ah deswegen! Meine Mein-
ung. . . ich Hab' überhaupt keine Mein-
ung von der Moral! Es handelt sich
doch blos darum, daß man tvas hin-
schreibt, sonst schaut's so dumm aus. —
Aber weißt, Schanett, mit dem Schreiben
thu' ich mir immer noch hart. Ich bin
blos in der Volksschul g'wesen und nach-
her Hab' ich gar nix mehr g'lernt, —
aber Du hast eine Bildung, Du hast mir
doch erzählt, Du kvnnt'st heut Gouvernant
sein, wenn Du net z'weng die Verhält-
nisse . . .
Jeanette: Ja schon — schreiben könnt
ich schon, aber ich muß doch Ihre Ansicht
wissen, — >vas denken sich denn gnä'
Fräulein ungefähr?
Zafa: Denken — Denken! Red' net
so dumm daher, Schanett! Gar nix denk'
i mir! Bei solchen Gelegenheiten kommt's
überhaupt nur drauf an, daß ma so a
Sprüchl recht fesch hinsetzt! Wo Hab'
ieh denn des g'lesen — von der Wolter
oder der Sandrock oder der Odilon —
ich weiß net gleich . .. „Die Seele des
Künstlers ist >vie das Meer, mit Ebbe
und Fluth. Man weiß nicht, woher es
kommt, ob von was Außerirdischem —
vielleicht, daß der Mond dran schuld ist. ."
weißt, so was macht' ich hinschreiben an
die Extrapost!
Jeanette: No also, schreiben's doch
das: „Die Seele des Künstlers ist wie
das Meer." — Warum auch net?
Ziya (zweifelnd): So? Meinst? Wei-
ter nix? — Ja, da kann ma sich doch
eigentlich nix dabei denken.
Jeanette (fein): Ja, lassen doch gnä'
Fräulein das Denken die anderen Leut'
besorgen.
Za;a: Ah geh' zu! Ma will doch
drauf ang'seh'n wer'n, daß man an Geift
besitzt! — Also geh', sag' mir g'schwind
was!
Jeanette: Ja, was haben's denn für
eine Ansicht über die Moral des Künstlers?
Iüfa (wirft sich auf einen niedrigen Polster-
sessel und schlägt ärgerlich die Beine überein-
ander): Ach geh', sekir' mich net! Wenn
ich eine Moral g'habt hält', wär ich heut'
»et die berühmte Künstlerin — wie soll
ich denn dazu kommen, bitte? Du weißt,
mei Vater war Hilfspostbote, und meine
Mutter hat sich nachher als Toilettsrau
redlich ernährt. Wenn ich mich hält' auf
die Moral einlassen wollen, nachher hätt'
nie ein Mensch mein Talent entdeckt.
Kann sein, daß die Moral kein Hindernis;
is für Leut', die schon ein Talent haben
— unsereins braucht a Glück, und mein
Glück is g'wesen, daß mich die Moral
nie nix kümmert hat!
Jeanette (seelenruhig): Also schreiben's
doch das.
Za)a: Meinst? — Ah geh' zu! Ich
werd' mich hüten, wo mich doch die Extra-
post für eine berufene Priesterin der echten
Kunst erklärt!
Jeanette (zieht nachdenklich den Saum ihrer
Schürze zwischen Daumen und Zeigefinger durch.
Dann lächelt sie verschmitzt, sagt aber nichts).
Zara (sie beobachtend, springt auf, ergreift
sie beim Ohrlapperl und ruft aufgeregt): Grad
is d'r was eing'fallen — geh, sag's
g'schwind! Aber weißt, wann's d' mich
etiva frozeln willst . . .! No sag's doch,
Schanett! — Schanetterl, ich schenk' Dir
was!
Jeanette (abwehrend): Ach gnä' Fräu-
lein, es ist mir ja nicht darum... ich
Hab' nur gedacht, man könnt' am End'
ans dem, was Sie eben g'sagt haben,
was z'sammstellen.
Za;a: Also zum Beispiel?
Jeanette: Also zum Beispiel: Das
Glück ist die Moral der Talentlosen.
Ziya: Is wahr?
Jeanette: Das weiß ich nicht, — aber
gnä' Fräulein haben's doch selber g'sagt.
Zasa: So, das Hab' ich g'sagt? —
Du, das klingt fein! — Aber von die
Talentlosen will doch eigentlich die Extra-
post nix Wissen!
Jeanette: Also schreiben S'doch: Glück
ist die beste Moral — ausgenommen für
die Talentlosen! Oder: Die Talentlosen
brauchen zu ihrem Glück eine Moral —
die Andern zum Glück nicht!
Za;a (fährt sich durch die Haare): Weißt',
jetzt bin ich schon ganz dumm.
Jeanette (aufleuchtend): Alsdann schreiben
S': „Die Moral ist einfach ein Unglück!
Zaza Laska." Das macht Effekt!
Zaza (sehr nachdenklich): Aber ist es
nicht gemein für eine echte Priesterin?
Jeanette: Jedenfalls ist es fesch hin-
g'fetzt.
Zaza: Alsdann is 's recht. Fesch is
besser, wie g'scheit! Und Du bist eine
Perle von einem Mädchen — ich sag's
dem Grafen, er muß Dir einen Zehn-
guldener schenken! (Sie setzt sich an den
Schreibtisch und malt mit zwei Centimeter hohen,
steilen Buchstaben auf das seegrüne Papier:
„Die Moral ist einfach ein Unglück!
Zaza Laska."
Tnttzlied
Man kennt mich nickt,
Man nennt niick nickt,
Sprickt man von deutschen
Dicklern —
Verpönt bin ick,
Verköknt bin ick
Von gar gestrengen kicktern!
Sie hetzen mick,
Sie petzen mick
Und reissen mick kerunter —
Jcb wehr’ mick nickt,
(jfch scher' mick nicht
dnd schreib' drauf los, ganz
munter!
Gustav Racketburg
Der vollständige Ibsen
Line nordische Phantasie
Ls traten all die Gestalten,
Die (Meister Ibsen ersann,
Zu Ehren des großen Alten
Line „Nordische Heerfahrt" an.
Ls lud sie die „Zrau vom (Meere"
Zum „Zeste aus Sothaug,"
Dort warf ein gewisser Helmer
Auf die schöne „Nora" sein Aug.
Er bestellte beim „Baumeister Sotn eß"
Ein zierliches „Puppen he im,"
Doch trug die „Komödie der Liebe"
Schon in sich den Todeskeim.
Denn kaum erschien „Klein Eyolf,"
Ging „Nora" von Mann und Kind;
Sie suchte das „Wunderbare"
Und fand es bei „Peer Gynt."
Dort war ste mit „Hilde Mangel"
Und mit „Irene" bekannt,
Sie gingen zum „Tingeltangel,"
Und setzten die Herzen in „Brandt".
Selbst „Kaiser und Galiläer"
Die waren von ihnen entzückt,
Ein Jüngling gar, „Dswald Alving,"
Der wurde vollständig verrückt,
Hielt sich für'nen„KronPrätendenten,"
Ward „Volksfeind" über Nacht,
Und wurde zuletzt in's Irrenhaus
von „Nosme rsholm" gebracht.
Dort war auch „John Gabriel Bork-
man n,"
Der viel an der Börse verspielt,
Und „Gregers Werle," der Alle
Zür „Wilde Enten" hielt.
Die „Nattenmamsclt" war natürlich
Schon lange an jenem Grt,
Doch die „Stütze der Gesellschaft"
War „Hedöa Gabler" dort.
Die starb eines Tages in Schönheit,
Die Haare weinumlaubt,
Da kam der Geist des Dichters
Prophetisch über ihr Haupt.
Sie sprach mit satanischem Lachen:
„Jetzt wird es hier spuken im Haus,
Denn .Wenn wir Todten erwachen"
So werden .Gespenster' daraus."
Kory Towska
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