1900
JUGEND
i
Nr. 30
Die Generalin
von Alexander von Gleichen-Rußwurm
Als Ernst den Speisesaal betrat, konnte er Niemand
erkennen.
Nur langsam lösten sich die weingerötheten Gesichter
aus der dichten Rauchwolke, die wie ein blaugrauer Schleier
über dem Raum lag.
Vorst trat zu ihm und begrüßte den Freund. Alle freuten
sich, den jungen Kameraden wiederzusehen, der sofort vom
Bahnhof aus in's Kasino gegangen war.
„vom Urlaub zurück— na, das ist schön," knurrte sogar
der Kommandeur und streckte Ernst die ljand freundschaft-
lich entgegen, während Excellenz ihm weinselig zunickte.
Der General fühlte sich im Dragoner-Kasino am wohlften
und saß mit weitaufgeknöpftem Ucberrock zwischen seinen
getreuen Zechgenossen, erzählte Jugendstreiche oder hörte mit
seligem Lächeln den gepfefferten Geschichten des (Obersten zu.
Die breite, fette bjand des alten verrn sah aus, als
ob sie das Glas liebkosen wollte, und der schwarzgefärbte
Schnurrbart, der am Tag stolz in die ljöhe gedreht war, hing
jetzt müd und schläfrig auf die runden, stark gerötheten
lvangen.
„Da sitzt der alte Esel und hat zu kjaus die schönste,
junge Frau," flüsterte lforst im weitergehen.
„Schön, meinetwegen, aber eine langweilige Pute," er-
widerte Ernst. Er hatte die Generalin früher oft in Schloß
Maienberg gesehen und den hochaufgeschossenen Backfisch als
Gymnasiast mit der hoffnungslosen Glut eines ^jährigen
geliebt, war aber, weil sich das Mädchen bereits als Dame
fühlte, gänzlich übersehen worden. Jetzt begriff er die
kjeirath ebensowenig wie andere Freunde, die nicht wußten,
daß die junge Frau durch dies (Opfer ihren Brüdern Maien-
berg gerettet hatte.
„Eine dumme Pute!" sagte er noch einmal zu ljorst,
der durch die Rauchwolken den General wie hypnotischst
anstarrte. Der dicke, immer verliebte Leutnant schwärmte
Tag und Nacht von der schönen Frau, so daß die Kameraden
über den „ewigen Troubadour" nach verzenslust lachten.
„Dieser Engel, eine dumme Pute!" seufzte er mit einem
Augenaufschlag, der in seiner rührenden Bläue etwas grotesk
Komisches hatte.
lfinzugetretene Kameraden brachen in ein tolles Ge-
lächter aus und der schöne Selbnitz, der von jedem weib-
lichen Wesen glaubte, es sei sterblich in ihn verliebt, meinte
lächelnd: „Die schöne Frau wird sich zu trösten wissen. Alte
verren, wie Warnecke sind zn ljaus so leicht als im Dienst
zn ersetzen."
„Die Frau ist kalt wie eine kjundeschnauze," rief fjorft
angetrunken und ergrimmt: „Für die seid Ihr alle mit ein-
ander vekuba!"
„Selbnitz, das würd' ich mir nicht gefallen lassen. Du
hast neulich erst behauptet, daß Dir Keine . . . ."
„Weiber!" sagte der schöne Mann eingebildet und drehte
seinen Schnurrbart. „Line ist wie die Andere. Ich habe bei
(Österlich mit der Generalin getanzt. Sie ist auch nicht von
Pappendeckel."
„Probier's!" rief einer und lforst schrie: „Ich wette,
daß Du elend abblitzst."
Selbnitz zuckte die Achseln und pfiff einen Gassenhauer.
„Tolles Glück hat der Kerl. Die stolze Kornmann ist
ihm nur so an den ljals geflogen,"
„pah! Ballet, ^ab sie schnell abgeschüttelt." Er setzte
sich gedankenvoll rittlings auf einen Stuhl.
„Du hast keine Schneid, Selbnitz," rief kjorst immer
röther und aufgeregter.
Selbnitz sprang auf. „Wenn ich wollte!"
„Wetten, daß nicht."
„wetten!"
«Ich setze meinen Fuchs."
„Ich Lractaglio."
„Die alte braune Stute?"
„Wiegt eine schöne Frau auf. Wer sie reiten kann, ge-
winnt noch manches Rennen."
„Eingeschlagen?"
„Eingeschlagen."
„Ich schlage durch," rief ein ganz junger Leutnant, der
noch nicht den geringsten Anflug von Bart hatte. „Der Ge-
winner gibt doch ein Frühstück? Wie lang soll's dauern?"
Hach der Trauung ?aul r'
Da war n wir also einstweilen Mann und Frau!
JUGEND
i
Nr. 30
Die Generalin
von Alexander von Gleichen-Rußwurm
Als Ernst den Speisesaal betrat, konnte er Niemand
erkennen.
Nur langsam lösten sich die weingerötheten Gesichter
aus der dichten Rauchwolke, die wie ein blaugrauer Schleier
über dem Raum lag.
Vorst trat zu ihm und begrüßte den Freund. Alle freuten
sich, den jungen Kameraden wiederzusehen, der sofort vom
Bahnhof aus in's Kasino gegangen war.
„vom Urlaub zurück— na, das ist schön," knurrte sogar
der Kommandeur und streckte Ernst die ljand freundschaft-
lich entgegen, während Excellenz ihm weinselig zunickte.
Der General fühlte sich im Dragoner-Kasino am wohlften
und saß mit weitaufgeknöpftem Ucberrock zwischen seinen
getreuen Zechgenossen, erzählte Jugendstreiche oder hörte mit
seligem Lächeln den gepfefferten Geschichten des (Obersten zu.
Die breite, fette bjand des alten verrn sah aus, als
ob sie das Glas liebkosen wollte, und der schwarzgefärbte
Schnurrbart, der am Tag stolz in die ljöhe gedreht war, hing
jetzt müd und schläfrig auf die runden, stark gerötheten
lvangen.
„Da sitzt der alte Esel und hat zu kjaus die schönste,
junge Frau," flüsterte lforst im weitergehen.
„Schön, meinetwegen, aber eine langweilige Pute," er-
widerte Ernst. Er hatte die Generalin früher oft in Schloß
Maienberg gesehen und den hochaufgeschossenen Backfisch als
Gymnasiast mit der hoffnungslosen Glut eines ^jährigen
geliebt, war aber, weil sich das Mädchen bereits als Dame
fühlte, gänzlich übersehen worden. Jetzt begriff er die
kjeirath ebensowenig wie andere Freunde, die nicht wußten,
daß die junge Frau durch dies (Opfer ihren Brüdern Maien-
berg gerettet hatte.
„Eine dumme Pute!" sagte er noch einmal zu ljorst,
der durch die Rauchwolken den General wie hypnotischst
anstarrte. Der dicke, immer verliebte Leutnant schwärmte
Tag und Nacht von der schönen Frau, so daß die Kameraden
über den „ewigen Troubadour" nach verzenslust lachten.
„Dieser Engel, eine dumme Pute!" seufzte er mit einem
Augenaufschlag, der in seiner rührenden Bläue etwas grotesk
Komisches hatte.
lfinzugetretene Kameraden brachen in ein tolles Ge-
lächter aus und der schöne Selbnitz, der von jedem weib-
lichen Wesen glaubte, es sei sterblich in ihn verliebt, meinte
lächelnd: „Die schöne Frau wird sich zu trösten wissen. Alte
verren, wie Warnecke sind zn ljaus so leicht als im Dienst
zn ersetzen."
„Die Frau ist kalt wie eine kjundeschnauze," rief fjorft
angetrunken und ergrimmt: „Für die seid Ihr alle mit ein-
ander vekuba!"
„Selbnitz, das würd' ich mir nicht gefallen lassen. Du
hast neulich erst behauptet, daß Dir Keine . . . ."
„Weiber!" sagte der schöne Mann eingebildet und drehte
seinen Schnurrbart. „Line ist wie die Andere. Ich habe bei
(Österlich mit der Generalin getanzt. Sie ist auch nicht von
Pappendeckel."
„Probier's!" rief einer und lforst schrie: „Ich wette,
daß Du elend abblitzst."
Selbnitz zuckte die Achseln und pfiff einen Gassenhauer.
„Tolles Glück hat der Kerl. Die stolze Kornmann ist
ihm nur so an den ljals geflogen,"
„pah! Ballet, ^ab sie schnell abgeschüttelt." Er setzte
sich gedankenvoll rittlings auf einen Stuhl.
„Du hast keine Schneid, Selbnitz," rief kjorst immer
röther und aufgeregter.
Selbnitz sprang auf. „Wenn ich wollte!"
„Wetten, daß nicht."
„wetten!"
«Ich setze meinen Fuchs."
„Ich Lractaglio."
„Die alte braune Stute?"
„Wiegt eine schöne Frau auf. Wer sie reiten kann, ge-
winnt noch manches Rennen."
„Eingeschlagen?"
„Eingeschlagen."
„Ich schlage durch," rief ein ganz junger Leutnant, der
noch nicht den geringsten Anflug von Bart hatte. „Der Ge-
winner gibt doch ein Frühstück? Wie lang soll's dauern?"
Hach der Trauung ?aul r'
Da war n wir also einstweilen Mann und Frau!