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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 31 (30. Juli 1900)
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Nr. 31

JUGEND

1900

Docbsommer

Jn golö’nen Wogen wallt die Saat,

Die Schwüle brütet an den Hängen.

Lin schönes Weib auf stillem Pfad,

Ls steht, wie sich die Aehren drängen.

Du junge Frau, was weilst Du lang?
Was schaust Du stnncnd vor Dich nieder?
was glänztDeinAug' so sehnsuchtsbang?
So thränenfeucht die dunklen Lider?

von Düften schwer, die Wiese glüht,

Nur Käfer summen durch die Stille,

Als ob die Lrde schaffensmüd'

Genösse ihrer eignen Fülle.

Der Himmel strahlt in dunklem Blau,
vom Lrntetraum die Welt umfangen.
Was denkst Du nur, Du junge Frau?
Ls lacht Dein Mund; es glüh'n die
Wangen-

Karl «loUf

Der Kadett

von Raoul Auernheimer

den Märchen heißt es: Er war ein armer
Page und sie war eine Prinzeisin. Das ist
eine höchst unangenehme Situation. Zumeist
endigt so eine Geschichte letal, und das Lied
meldet voir den Liebenden: Sie .mussten beide
sterben, sie hatten sich viel zu lieb . . . Aber »venu
er ein Kadett ist, und sie die Tochter eines
Obersten, dann steht die Sache noch viel hoff-
nungsloser. Denn so ein Page in den Märchen
entpuppt sich oft als ein heimlicher Prinz, oder
er zieht aus und erobert flink ein Königreich,
und wenn er dann an der Spitze einer siegreichen
Armee heimkehrt, so steht er dem königlichen
Vater der Geliebten ebenbürtig gegenüber, der
Alte hat nichts mehr zu reden, und die Prinzessin

macht, zilln Schluß noch eine sehr gute Partie.
Das alles kommt bei einem Kadetten nicht vor;
noch dazu, wenn der Kadett nur ein Reserve-
Kadett ist, was noch unendlich weniger als ein
Kadett, und wenn derOberst ein adeliger Oberst ist.
Ulld doch endigt diese Geschichte nicht letal —
durchaus nicht. Sie endet mit einem großen und
glücklichen Gelächter.

Die Tochter des Obersten war eine von den
gefährlichen Blondinen. Blondinen sind selten
gefährlich, aber wenn sie es sind, dann sind sic
lebensgefährlich. Sie war schlank und dabei voll,
und ihr schönes Haupt neigte sich ein wenig
unter einer schweren Last von Gold und Seide.
Unter der hellen Krone ihrer Stirnhaare wölbten
sich zivei dunkle Augenbrauen wie mit Tusch
gemalt, aber vollkommen waschecht. Die Lider
mit langen dunkeln Wimpern waren gewöhnlich
gesenkt und lagen vor ihren Augen ivie Jalou-
sieen vor den Fenstern eines Landhauses, lvenn
der Frühling noch nicht gekommen, und die Herr-
schaft noch in der Stadt wohnt. Aber wenn sie
zmveilcn die Jalousieen zurückschlug — sagen wir,
um zu lüften — so stand man geblendet von
der leuchtenden Pracht, die sich hinter diesen
Fenstern verbarg. Und erst nach einiger Zeit
bemerkte man, daß sie dunkelbraune, glanzende
Augen hatte mit enormen Pupillen.

Sttmmtl iche Offiziere des Regimentes huldigten
ihr; die verhciratheten bedauerten heimlich, daß
sie schon verheirathet waren, und die ledigen
nmchten ihr ohne Ausnahme den Hof. Im
Ganzen bemühten sich um sie 27 Subalterne,
0 .Hauptleute, 2 Majore und sogar der dicke
Oberstleutnant, der rund war wie ein Faß
und beim Gehen schnaubte >vie ein Walroß. Sie
aber ließ die Jalousieen geschlossen und wartete
in träumerischer Ruhe ans die Herrschaft, die
der Frühling bringen würde.

Und richtig, nn einem Frühlingstag zog die
Herrschaft ein. Es war ein Philosoph, der zur
Waffenübung einrückte und sich, eh' er seinen
Dienst antrat, privat beim Obersten vvrstellte.
Bei diesen ersten außerdienstlichen Vorstellungen
ivar der Oberst prinzipiell sehr liebenswürdig;
grob lvurde er erst am ersten Tage der Waffen-

übung; früher grob zu sein, hielt er für eine
unnütze Kraftvergeudung. So legte er denn
sein ledernes Gesicht in ein gewinnendes Lächeln
zusammen und stimmte seine blecherne Komman-
dantenstimme aus einen säuselnden Konversations-
ton, so daß man ihn höchstens bis in's vierte
Zimmer hörte. Und als sich gar im Laufe des
beginnenden Gesprächs herausstellte, daß der
Kadett beauftragt war, dem Obersten Grüße von
einem befreundeten Hauptmann zu überbringen,
da rief der Regimentskommandeur seine Frau
und Tochter und stellte ihnen den Kadetten vor.

Der Kadett erwies sich als ein gewandter und
lustiger Plauderer.

Während Mama lachte, ließ die Tochter ihren
großen ernsten Blick auf dem jungen Manne
ruhen. Er fühlte diesen Blick und sein Herz
schlug. Als er dann nach drei Minuten sich em-
pfahl, fühlte er eine warme weiche Hand, die sich
zutraulich einen Augenblick in die seine legte.
Er hatte das dunkle Gefühl, daß er diese Hand
küssen sollte. Aber zur rechten Zeit erinnerte er
sich, daß er nur ein armer Kadett auf Wasfen-
übung sei. Da verbeugte er sich ein wenig un-
militärisch, nach Philosophenart, und ergriff die
Flucht. Der Oberst hatte ein leichtes Stirnrun-
zeln und hätte am liebsten „herstellt!" komman-
dirt und ihn die Verbeugung wiederholen lassen.
Weil es noch nicht der erste Tag der Hebung
war, nahm er davon Umgang. Die Tochter
schaute ihm nach mit einem milden, gütigen
Lächeln.

Sic ging leise auf ihr Zimmer zurück mit
langsamen Schritten wie sie gekommen, das schöne
blonde Haupt ein wenig vorgeneigt. Sie nahm
mit schlanken Fingern die Stickerei ans, an der
sic gearbeitet, zog rothe Wolle in die Nadel ein
und dachte dabei: „Den möchte ich heirathen."

Das; der Kadett sich in einen ähnlichen Traun,
verlor, ist selbstverständlich. Das thnt jeder
junge Mann, der der Tochter des Obersten ein
einzigesmal gegenüber gestanden. Aber schon
an; nächsten Tage weckte ihn der Oberst mit
einem „Sie, Kadett!" aus seinem Traum, daß
ihm Horen und Sehen verging. Am zlveiten
Tag gab er ihm den wohlmeinenden Rath, sich

ein TUisbllcti ins Ommattöal

E. Anner (Baden)
Register
Karl Wollf: Hochsommer
E. Anner: Ein Ausblick in's Limmatthal
Raoul Auernheimer: Der Kadett
 
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