1900
JUGEND
Nr.'31
Das Regiment kam
herangezogcn. Vorander
Oberst auf seinem tan-
zenden Falben, mit seiner
breiten Brust aus Watte.
Der Kadett sprang auf
und salutirte in stram-
merEhrerbictung. Neben
ihm stand des Obersten
tapfere Tochter und wink-
te lachend mit dem Hellen
Sonnenschirm.
Der Oberst wollte in-
stinktiv den Grus; er-
widern, aber der Säbel
blieb in der Luft stecken.
Einen Augenblick stand
der Mund des Schlachten-
lenkers vor Erstaunen
weit offen. In der dritten
Sekunde riß er seinen
Falben zusammen, das;
die Funken aus dem
Vflaster flogen. Aber in
der vierten Sekunde hatte
cr sich schon überlegt, das;
der Ruf sei;,er Tochter
von seiner Haltung in
mesem Augenblick ab-
hängc. Da zwang er
lein ledernes Gesicht in
ein liebenswürdiges Lä-
cheln, setzte den unter-
bliebenen Gruß fort und
ries kollegial mit seiner
blechernen Stimme hin-
über: „Servus!"
J>; seinem Leben hatte
er einem Kadetten nicht
„Servus!" gesagt; noch
dazu einem Reservekadet-
ten! So war in diesem
Augenblicke schon die
Schlacht zu Gunsten des
jungen Mannes entschie-
den. Und nun folgte das
große Gelächter.
Denn schon hatte der
dicke Oberstleutnant, der
hinter dem Obersten ritt,
die Situation erfaßt und
schwang seinen Säbel
lachend znm Gruß.
Nun nimmt eine dis-
ziplinirtc Truppe jede
Miene und jede Beweg-
ung ihrer Vorgesetzten
ab. Wenn der Vorgesetzte
die Stirne runzelt, run-
zelt das Regiment die
Stirne. Wenn der Vor-
gesetzte lacht, lacht das
Regiment. Sowie also
der Major den Oberst-
leutnant lachen sah.
brach er gleichfalls in
ein schallendes Gelächter
aus und gab das Lachen
lveiter. Alle Offiziere,
alle Unteroffiziere, und
die ganze Mannschaft
lachte. Durch fünf Mi-
uuten zog ein beweg-
liches Band von lachen-
den Gesichtern, die alle
im Dreiviertelprofil her-
überblinzelten, an den
Beiden vorüber. Der Ka-
dett stand da, ans seinen
Säbel gestützt, ein Na-
poleon nach der Schlacht
bei Austerlitz, und salu-
tirtc wohlivollend. Und
neben !;»„ stand des
Hans Ttossmann
al> ich Dich im Land der Triinme stehn, Die Frucht vom Baum des Lebens, brich sic mir!
Maler und Poeten sich ergehn; Schön ist der Herbst, der siitzen Reife Zeit:
meine Seele rief hinauf zu Dir! Nun halte sich, wer ernten darf, bereit! A. Matthäi
JUGEND
Nr.'31
Das Regiment kam
herangezogcn. Vorander
Oberst auf seinem tan-
zenden Falben, mit seiner
breiten Brust aus Watte.
Der Kadett sprang auf
und salutirte in stram-
merEhrerbictung. Neben
ihm stand des Obersten
tapfere Tochter und wink-
te lachend mit dem Hellen
Sonnenschirm.
Der Oberst wollte in-
stinktiv den Grus; er-
widern, aber der Säbel
blieb in der Luft stecken.
Einen Augenblick stand
der Mund des Schlachten-
lenkers vor Erstaunen
weit offen. In der dritten
Sekunde riß er seinen
Falben zusammen, das;
die Funken aus dem
Vflaster flogen. Aber in
der vierten Sekunde hatte
cr sich schon überlegt, das;
der Ruf sei;,er Tochter
von seiner Haltung in
mesem Augenblick ab-
hängc. Da zwang er
lein ledernes Gesicht in
ein liebenswürdiges Lä-
cheln, setzte den unter-
bliebenen Gruß fort und
ries kollegial mit seiner
blechernen Stimme hin-
über: „Servus!"
J>; seinem Leben hatte
er einem Kadetten nicht
„Servus!" gesagt; noch
dazu einem Reservekadet-
ten! So war in diesem
Augenblicke schon die
Schlacht zu Gunsten des
jungen Mannes entschie-
den. Und nun folgte das
große Gelächter.
Denn schon hatte der
dicke Oberstleutnant, der
hinter dem Obersten ritt,
die Situation erfaßt und
schwang seinen Säbel
lachend znm Gruß.
Nun nimmt eine dis-
ziplinirtc Truppe jede
Miene und jede Beweg-
ung ihrer Vorgesetzten
ab. Wenn der Vorgesetzte
die Stirne runzelt, run-
zelt das Regiment die
Stirne. Wenn der Vor-
gesetzte lacht, lacht das
Regiment. Sowie also
der Major den Oberst-
leutnant lachen sah.
brach er gleichfalls in
ein schallendes Gelächter
aus und gab das Lachen
lveiter. Alle Offiziere,
alle Unteroffiziere, und
die ganze Mannschaft
lachte. Durch fünf Mi-
uuten zog ein beweg-
liches Band von lachen-
den Gesichtern, die alle
im Dreiviertelprofil her-
überblinzelten, an den
Beiden vorüber. Der Ka-
dett stand da, ans seinen
Säbel gestützt, ein Na-
poleon nach der Schlacht
bei Austerlitz, und salu-
tirtc wohlivollend. Und
neben !;»„ stand des
Hans Ttossmann
al> ich Dich im Land der Triinme stehn, Die Frucht vom Baum des Lebens, brich sic mir!
Maler und Poeten sich ergehn; Schön ist der Herbst, der siitzen Reife Zeit:
meine Seele rief hinauf zu Dir! Nun halte sich, wer ernten darf, bereit! A. Matthäi