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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 31 (30. Juli 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0089
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Nr. 31

JUGEND

1900

M Lirtl iHlrrrrdt zur: ^ee

Max Slevogt (München)

Deutschland zur See

So lang er fand daran Genüge»,

Hoch in der Luft herumzufliegen
Und sich gedankenvoll zu wiegen —■

So lange war

Dem Britenvolk der deutsche Aar
Ein Mustervogel ganz und gar.

Heil, schöner Vogel, dreimal Heil!

So riefen Bulwer und Carlyle.

Der Ruf fand lauten Widerhall.

Seitdem ist dieses nie der Fall,

Weil müde, stets nur hoch zu leben,

Er sich erlaubt herabzuschweben,

Der deutsche Aar, zur Meeresfluth.

Die Nixen Englands, voller Wuth,
Entziehn ihm ihre Sympathie.

(Pfui, die lex Heinze über sie!)

Die wilde Meerescavall'rie

Ruft tiefempört: Du Rabenvieh ! —

Was mich betrifft — Ihr Leutchen nennt's,
Wenn's Euch beliebt, „Hurrah-Tendenz" —
In das Hurrah stimm' froh ich ein:

Die Flotte, die muß größer sein,

Damit den Neid und die Gefahr
Besieg' — Hurrah! Der deutsche Aar!

Will»

Londoner Gespräch

Ein Parlamentsmitglied fragte bei
Lord Roberts an, ob es wahr sei, daß die
Lazarethe mit Zehntauscnden von kranken
Engländern belegt wären.

„Das ist eine unverschämte Lüge!" ant-
wortete der Feldherr. „Wir haben ja fast
gar keine Lazarethe!"

Zopf und Schwert

Eigcii-Licder unseres nach dem chinesischen
Aricgsschauplay entsandten Spezial-
Lyrikers

IV.

Mein Schädel brummt, mein Her; ist schwer,
Und matt sind meine Glieder.

Die gelben Menschen am gelben Meer
Die sind mir sehr zuwider!

Ich sitze hier in Tientsin
Im wilden Lampfgebrause.

Ich wollt', ich war der Zeppelin,

Da flog' ich schnell nach Hausei

Ranonen donnern immerzu.

Ich sitze da und rauche

Und trinke wein aus Shau-hsing-fu,

Eine fade, warme Jauche!

Ich sehne mich nach Münchner Bier,

Utach Männern, treu und bieder.

Hab Mitleid, Or. Hirrh, mit mir
Und ruf' zurück mich wieder!

Die schönsten Lieder sollst Du dann,
Verehrter, von mir haben,
wenn ich nur wieder singen kann
Daheim am Färbeegrabcnl

Boheiuu nd

Chinesischer Schüttelreim

Bis todt, die Chinas Ruh’ antasten,
Will nimmermehr Prinz Tuan rasten.

O Lutetia!

Ilüt wüstem Seelenschmerz und Katzenjammer
Lin ich um t t Uhr im Hotel erwacht;

.Nur war, als hält' man eine Eisenhammer
Ulit Schrauben mir am Schädel festgemacht!

Das Leben schien ein Elend voller Gräne,

Und tief am Herzen knabberte die Reue!

Wie schnell — so sprach ich — wurdest Du couxabel,
B Biedermeier, sündiges Subjekt,

Nachdem Du gestern in das Seinebabel
Gewissermaßen kaum hereingeschmeckt!

Zwei Stunden hier — und schon in Rosenketten —
Und bei Maxim beduselt mit Loretten!

Und als ich Wasser nrir auf's Haupt gegossen,
Da fiel mir's ein mit siedend heißem Weh,

Daß wir für heut ein Rendez-vous beschlossen
Punkt Eins zum Frühstück im Cafe Anglais:
Die Sünde, der ich gestern fiel zur Beute,

Halt' mich inr voraus schon belegt für heute!

Doch nein! Der Schlange unterlieg' ich nimmer!
So sprach ich mannhaft! Nein! Und zehnmal nein!
Ich treffe pünktlich — denn ein Frauenzimmer
Läßt man nicht warten — im Eafehaus ein, —
Doch nur, um den, bedauernswerthen Wesen
'mal die Leviten ordentlich zu lesen!

Gesagt — gethan! Sie saß mit heitrer Miene
Bereits am Tisch mit knallend rothem Hut
Und nippte keck an einer Grenadine,

Sich z» erquicken in der Sommerglut.

-hon jour, mon vieux!«, so rief sie —

o Blamage!

>T’as ete gris comme un canon de plage!«

„Mein Fräulein!" sprach ick) mit

bewegtem Tone,

So gut französisch, als es mir gelang,
„Zwar glich ich gestern deni verlornen

Sohne,

Doch heute komm' ich nicht zum

Amüsemang.

Ich bitte Sie mit aufgehobnen Händen,

Sich doch der Tugend wieder zuzuwenden!

F. Scholl
Register
Willo: Deutschland zur See
Fritz Scholl: Chinesischer Schüttelreim
Max Slevogt: Deutschland zur See
Biedermeier mit ei: O Lutetia!
Bohemund: Zopf und Schwert
[nicht signierter Beitrag]: Londoner Gespräch
 
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