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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 32 (06. August 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0103

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haben diese schöne Aufgabe jetzt schon viele
junge Firmen zu löse» versucht, aber entweder
konnten sie eine gute Einrichtung zu guter-
letzt doch nicht zu dem bescheidenen Volkspreise
liefern, der ursprünglich angesetzt war, oder
sie verdienten zu kläglich wenig daran, oder
aber, und das ist der Kern der Sache: die
Nachfrage war so gering, daß sie ciugiugen.
Einfaches, Geschmackvolles, Solides billig
herzustellen, ist das Theuerste, was es gibt.
Es gehören dazu die besten und vornehmsten
Entwerfer, da nichts so ausgesucht schwer ist,
als simple Sachen anziehend zu gestalten, die
geübtesten Schreiner, da weniges so schwer ist,
als rasch und flott eine „glatte Kiste" technisch
exakt und einwandfrei zu zimmern, und ein
großer Vertriebsapparat, um auch lieferungs-
fähig zu sei», Mit einem Worte: Riesenmittel,
Und wenn man dann diese einfachen, aber
geschmackvollen Möbel hergestellt hat, dann
werden sie nicht gekauft. Warum das Volk
sie nicht kaust, das haben wir vorhin gesehen-
Und wie können wir verlangen, daß das Volk
sie kauft? Thun w ir es denn, die sogenannten
Gebildeten, die sogenannten besser Situirteu?
Hat wirklich jeder der Männer, die so eifrig
für Volkskunst eintreten, sein Haus gesäubert
von Sofa's, von Frauzendecken, von goldenen
Bilderrahmen um Genrebilder, von knalligen
Tapeten, von protzigen Kronleuchtern, Nipp-
sachen, Araucarien und vom Geiste der Sym-
metrie ? Wehe dem, der von Volkskunst redet,
ehe er vor der eigenen Thüre gekehrt! Kaufen
wir erst einmal durch mehrere Generationen
hindurch Einfaches, Solides, Wahres, Echtes.
Die Volkskunst wird dann von selber koiinnen.
Oder sind wir etwa selber noch zu sehr Volk?"

Hermann Gbrift

Daragrapden-Lucht

IRcactien, die alte Dame
Aus der Medermaierzelt,

Ast nocb immer friscb und munter
tlnö zu jedem Dienst bereit.

An des IReiebstags sebönem Garten,
IRecbtec Iband und mittendrin,

Spielt die Dame mit der Giesskann'
Die getreue Gärtnerin.

Aedes Mistbeet, das die Derren
Für die Lukuntt angelegt,
von der Dame mit der Giesskann'
Mird es liebevoll gepllegt,

llleppig keimen Paragraphen,

ZM1e's im Lenz von Spargeln sebtesst.
Derrgott, kann das berrlieb werden,
Menu die Alte weiter giesst!

A. 31.

An Deutschland

Welch ein Geschenk aus Gottes Hand
Lrfleh' ich Dir, mein deutsches Land?
Des Friedens Tag'-in-Tage-Fließen?

In Freundschaft schwelgend Sduh' Ge-
nießen?

Reichthum, der sich mit Schönheit schmückt?
Macht, die die Hand aus Welten drückt?
Das faltenlose Angesicht
Des Glücks? Das alles, alles nicht.

Dir etwas And'res ganz und gar:
Deutschland, ich wünsche Dir Gefahr!
Gefahr, wie sie der Haß bereitet,

Der lauernd unser Haus umschreitet,

Julius Diez (München)

Wie sie aus Feindes Augen blitzt,

Der heuchelnd uns am Herde fitzt,

Der, unsren Hausrat heimlich buchend,
Unsren Penaten heimlich fluchend,
Lüstern der bösen Stunde lauscht,

Da Unheil auf uns niederrauscht.

Solche Gefahr, die heiß und dicht
Dir grimmig pfaucht in's Angesicht,

Die stündlich Dich am Kragen schüttelt,
Dom Schlafe immer wach Dich rüttelt,
Deutschland, in Glück und Zriedensruh
Du Mäkler, Räkler, dtörgler Du,

Fm Schicksalssturm, im großen Leid
Gesäß Du aller Herrlichkeit
Und Geistes wallendes panier,

Solch herbe Nöth'gung wünsch' ich Dir!
So grimmen Wunsch, solch' rauh Geschenk
Gürt' ich Dir um, ein Wehrgehenk,
Unlösbar, daß der Schwertesschneide
Sich Deine Lende nie entkleide,

Daß lügnerisch der Traum, der weiche,
Das Her; nicht wieder Dir beschleiche,
Daß wach Du bleibst, zum Zürnen stark,
Helläug'gen Blicks, voll Männermark,
voll Fünglings-Ueberschwang und Gluth,
Bis daß das Blut, das edle Blut,

Das träg in Deinen Adern gleitet,

Fn Feuerwein sich umbereitet,

Zn Wein, der alle Welt durchhaucht,

Der Menschheit Herz in Wonne taucht,
Bis daß sie Deiner Schönheit trunken,
Zu Deinen Füßen hingesunken,

Dir huld'gend Her; erhebt und Hand,
Du Menschheits-Seele, deutsches Land!

Lrnst v. Wildenbruch

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Register
A. M.: Paragraphen-Zucht
Julius Diez: Zeichnung zum Gedicht "Paragraphen-Zucht"
Ernst v. Wildenbruch: An Deutschland
 
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