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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 35 (28. August 1900)
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Nr. 35 (Redaktionsschluss: 14. August 1900)

1900

- JUGEND -

Deutschland hat die Ehr' davon!

(Als die Deutschen den Oberbefehl inLhina übernahmen)

Run ist der erste Rausch verflogen
Und die Besinnung kehrt zurück
Und nach der Hand wird kühl erwogen:
War's denn auch wirklich solch ein Glück?
Die Lhr' ist groß — o! — keine Frage!

Sie könnte kaum noch größer sein —

Doch bleibt als Lohn für all' die Plage
Uns nicht am Lnd' die Lhr' allein?

Wird nicht vielleicht der Ruhm zu theuer
Bezahlt, den man uns da erweist?

Holt nicht der Wichel aus dem Feuer
Wal wieder, was ein Andrer speist?

Schickt man ihn gar wohl nach dem (Osten
Zum Kampf mit den Chinesen aus,

Damit Man sich auf seine Kosten
Recht viel erlauben kann zu Haus?

Und hat er sich dann brav geschlagen,
Und fordert schüchtern seinen Lohn —

Wird man ihm nicht die Antwort sagen:
„Du kommst zu spät, geliebter Sohn!
wir nahmen uns für unsre wühe
Schon Zeder, was er gerne nimmt,

Der kriegt das Fleisch und der die Brühe —
Die Knochen sind für Dich bestimmt!"?

Dann wird er wie begossen stehen,

Wie er schon oft begossen stand,

Und seine Zipfelmütze drehen
verlegen in der heißen Hand,

Und stöhnen aus gepreßter Lunge:

„Ach Gott, wie find die Leute schlecht —
Zch bin doch so ein guter Zunge,

Und dennoch mag mich Keiner recht!"

vielleicht! — Roch hat's ja gute Wege,
Roch ist der Handel nicht perfekt,

Roch hat auch die verdienten Schläge
Der Ghinamann nicht eingesteckt,
vielleicht, daß Wichel doch nun lernte,

Zu nehmen, was ihm wohl gebührt,

Und seinen Theil an dieser Lrnte
wit Zauchzen in die Scheuer führt!

Die Lhre, die er sich im Fechten
Geholt, als Held im Waffenglanz,

Die mag er auf die Garben flechten
Als einen schmucken Erntekranz!
vielleicht — ich sag es noch beklommen —
Und ziemlich kleinlaut, dies „Vielleicht" —
Doch möglich ist's — es kann ja kommen -
Wer weiß — am Ende — „ist's erreicht!"

Hans

Der neue Mltarch

Graf IValdersee beobachtete, wie ein Schä-
ferhund mit leichter Mühe die störrischen Schafe
immer wieder zur Heerde zurücktricb.

„Hat's der Schäfer gut!" seufzte der künf-
tige Oberbefehlshaber.

Der greise Liebknecht wurde gefragt, ob
er sich denn nicht vor dem Bode fürchte.

„warum nicht gar!" sagte er. „Der ist ja
ein konsequenter Parteigenosse von uns: Der
muß auch erst alles hinmachen, wenn er alles
gleichmachcn will."

Talleyrand wurde gefragt, wie er über
Abrüstung und ewigen Frieden denke; er aber
sprach nur über Literatur, namentlich über
Goethes Göy von Berlichingcn. Als man sich
darüber wunderte, rief er aus:

„Die Sprache ist doch dazu, die Gedanken
zu verbergen!"

Ein Arbeiter beschwerte sich dem sozial-
demokratischen Millionär Singer gegenüber,
daß die Partei für die Streikenden
in Dänemark, Böhmen u. s. w. so-
viele der sauer verdienten Groschen
spcndire, während das Ausland
niemals Gelder hercinschicke.

Er erklärte, deshalb nichts
mehr in die Parteikasse
zu zahlen.

„wir sind durchaus nicht auf Sie ange-
wiesen, Sic Si eben g cschc i-dtcr!" schnauzte
ihn der Volksmann ab. „Die hiefür Beiträge
Leistenden werden deswegen noch lange
nicht alle!"

„Jetzt hätten wir Gelegenheit," sagte Kam-
xolla anläßlich des Todes König Ljnnrberts,
„das Haus Savoyen unsere Unversöhnlichkcit
fühlen zu lassen!"

„Schicken wir halt eine Rondolcnzkarte!"
lächelte der Papst. „Der Höfliche ist immer
feiner heraus als der Rüpel."

Beim Zeituiigslesen

Lin Berliner Theater hat die „Boxer in
China" dramatisirt. Vas habet: die infamen
Kerls auch gar nicht atiders verdietit.

Die Blätter ereifern sich darüber, daß die Ber-
liner „Woche" die Bildnisse der anarchistischen Atteti
täter seinen Lesern vorsetzt. Jedenfalls ist dies tut
nütz! Denn solche wahnwitzige Blutmenschen wer
den sich selbst durch die Aussicht, in die „Woche"
5tt kommen, nicht von ihren verbrechen abhalten
lassen.

Lin paar fanatische Pfaffeublättchen haben
dem jungen Rönig von Italien geschmackvoll zu
gerufen: „Qui mange du pape, en meurt 1“ lvo
zu die Warnung? Röntg Viktor Lmanuel wird
so bald nicht im Vatikan speisen!

Der badische Bberschnlrath hat dem talent-
vollen Romanschriftsteller Benno Rüttenaucr, der
außerdem and; Schulmann ist, bei Strafe der Liit-
lassung das Romandichten verboten. So behandelt
man in Bayern nicht einmal Universitäts-
xrofessoren!

Zit London verbot der Lordkämmerer die Auf-
führung eines Stückes, in dem Pontius Pilatus
vorkommt. Der Mann, der seine pände in
Unschuld wäscht, wird im Reich der (pueen
zur peit wohl als politische Anspielung betrachtet.

Der österreichische Ministerpräsident v. Körb er
hat dem Grafen Waldersec mit dessen Erlaubniß
einen Sektionschef attachirt, der die Art, wie Gras
Waldersce die Lösung der Sprachenfrage in Ostasien
unternehmen wird, auf's Genaueste studieren soll.

wie die Mächte unter Linen Hut gebracht werden

,, . , , kQKG HIRXH: verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich fiir den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.

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[nicht signierter Beitrag]: Beim Zeitungslesen
Monogrammist Kleeblatt: Wie die Mächte unter einen Hut gebracht werden
Hanns (Hans): Deutschland hat die Ehr' davon
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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