Nr, 36
JUGEND
1900
Brennende Dörfer und die Cadaver niedergemetzclter Menschen kennzeichnen in China
die barbarische Ariegsführung der Boxer
Der Ausweg
Eine chinesische Historie
Vor io was wie fünftausend Jahren regierte
im Reich der Mitte der junge und thatkräftige
Kaiser Duang-Tsching, ein Fürst von großer
Tapferkeit und kühnem Selbstgefühl. Das Bolk
der Chinesen schätzte ihn sehr hoch, wie es übrigens
seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ivar,
chnang-Tsching regierte streng nach der von
seinem Großvater ererbten Verfassung — damals
hatten die Chinesen noch eine. Später ging sie
verloren. Vielleicht findet man sie jetzt wieder.
Die Verfassung verlangte die Einsetzung eines
Obermandarinen, der für alle Regierungshaud-
Inngen dem Volke verantwortlich sein sollte, Dnang-
Tsching sprach:
„Ich will der Verfassung treu sein und einen
Obermandarinen ernennen, obwohl ich die Sache
recht gut allein machen kann."
Als er aber nachdachtc, wen er ivählen sollte,
da wollte ihm Keiner so recht taugen. Die Mei-
sten meinten auch, wenn sie die hohe Würde an-
nehmen, müßten sie auch ein wenig mit drcin-
rcden dürfen. Denn die Ministerverantwortung
vor 5600 Jahren in China war eine eigene Sache,
Ein Mißtrauensvotum des Parlaments kostete die
Ohren, das zweite den Kopf,
Duang-Tsching aber sagte:
„Wenn mir Jemand beim Regieren dreinredet,
dann freut mich die ganze Verfassung nicht mehr!
Eine Million für einen Obermandarinen, der
immer,Ja' sagt!"
Aber den Leuten in China war ihr Kopf lieber,
als die Million,
„Zwei Millionen und beit blauen Drachen-
ordcn!" bot Iuang-Tsching,
Da kam eines Tages in den Kaiserpalast ein
Mann mit einer großen Kiste und sprach zum Kaiser:
„Erhabener Dnang-Tsching, ein Wurm bittet
um die Erlaubniß, sich vor Dir krümmen zu dürfen.
Gestatte mir schäbigem Scheusal eine Frage: .Ver-
langt die Verfassung, daß unser Obermandarin
lebendig sei?'"
„Nicht, daß ich's wüßte "
„Dann Hab' ich einen Obermandarin, wie Du
ihn brauchst. Sieh Herl"
Und er packte ans der Kiste eine Wachsfigur
in schönen Gewändern, die ein sinnreicher Mecha-
nisnnrs befähigte, mit dem Kopf zu nicken
Sonst konnte sic nichts als artig lächeln,
„Die Ohren kann man abschneiden und den
Kopf auch: cs sind Reserveköpfe dabei!" sagte der
fremde Mann, „Denn, erhabener Iuang-Tsching,
ohne Kopf kann er nicht nicken,"
Nuang-Tsching war entzückt und machte den
Wnchsmann zum Obermandarinen. Der Fremde
bekam die zwei Millionen imb noch 20 Tcwls
extra für Fracht und Emballage, Inang-Tsching
war vergnügt und regierte unermüdlich zum Besten
seines Volkes und der neue Obermandarin nickte
zu Allenr „Ja!" Der Verfassung war genügt,
Das Volk war zufrieden, damals vor 5000 Jahren
in China. Ter neue Obermandarin ward sogar
sehr beliebt; in allen Häusern hatte man ver-
kleinerte Abbilder von ihm.
Daher stammen die netten kleinen chinesischen
Porzellanonkels, die mit dem Kopfe nicken und
lächeln. Der selige Narciß Namean konnte sie
nicht leiden.
Der mechanische Kanzler des Kaiser N»ang-
Tsching führt in der Geschichte den Namen ,ho-
Eng-Long, Das ist natürlich Altchinesisch und
heißt ans Deutsch ungefähr: „Es geht auch so!"
— Fragt nur einen Sinologen — aber Altchincs-
isch muß er können, ganz Urnltchinesisch!
_ Ki-Ki-Ki
Recbttcbmbübung
Per Schulgehilfe steht ans der untersten Sprosse
der pädagogischen Leiter.
Per Lehrer muß die Glocke läuten.
Per Lehrer muß den Schülern die liebevolle
Fürsorge der Kirche und des Staates erläutern.
Manche Leute bleiben zeitlebens punger-
leider.
Purch Leiden und Entbehrungen wird die
Seele geläutert.
Zum Kummer der von Gott eingesetzten Vb»
rigkcit gibt es leider manche stets unzufriedene
Menschen.
Pie Köchin des kscrrn Pfarrers heißt Adelaide.
Per Ejerr Pfarrer weiß Alles in die richtigen
Wege zu leiten. «man
Die türkische Linanzreform
hat begonnen: Sultan Abdul Hamid erließ
einen Befehl, daß allen türkischen llnter-
tHanen, die sich in Europa befinden und schrift-
lich oder mündlich die Handlungen der Re-
gierung kritisirt haben, ihr Vermögen
konfiszirt iverdcn solle. Wenn das den türki-
schen Finanzen nicht ans den Damm hilft, dann
ist ihnen überhaupt nicht zu helfen!
Goddam
Herr Schäften gedachte aus Gesundheits-
rücksichten das Areal des Badcrsees bei Gar-
misch zu veräußern.
Ein Engländer trat mit ihm in Unter-
handlung, da ein englisches Konsortium dort
eine ausschließlich englische pcnsionsanstalr er-
richten wollte,
„Es wäre mir," seufzte Schäftcr, „sehr
lieb, wenn sich deutsches Kapital fände, sonst
ist das herrliche Fleckchen für die Douristen-
wclr verloren!"
„Deutsches Kapital?" grinste der English-
man, „Das brauchen wir für Indien!"
„Aber schon aus patriotischen Gründen "
„Oockäam! wenn wir schon deutsche .Irr
zogthünicr besitze», wird's wohl auf den Düm-
pcl da auch nicht mehr ankommcn l"
0clnit$patro» und Gewehrpatron
„Also," sagte ein Mütterlein zu ihrem
nach China ziehenden Sohne, „bergis; net,
was i Dir g'sagt Hab wegen dem Beten —
weißt, so a Schutzpatron kann viel ans-
richten —"
„Kann nix schaden, Mutterl!" erwiderte
der Krieger. „Aber z'meist verlaß i mi doch
ans a G'wehrpatron,"
Vorsicht I
Thedje: Pu Hein, wat stciht denn dor op de
Kist schreben?
Pein: Nicht stürzen!
Thedje: Paß ox, Pu, dor sitt Hohenlohe inl
614
JUGEND
1900
Brennende Dörfer und die Cadaver niedergemetzclter Menschen kennzeichnen in China
die barbarische Ariegsführung der Boxer
Der Ausweg
Eine chinesische Historie
Vor io was wie fünftausend Jahren regierte
im Reich der Mitte der junge und thatkräftige
Kaiser Duang-Tsching, ein Fürst von großer
Tapferkeit und kühnem Selbstgefühl. Das Bolk
der Chinesen schätzte ihn sehr hoch, wie es übrigens
seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ivar,
chnang-Tsching regierte streng nach der von
seinem Großvater ererbten Verfassung — damals
hatten die Chinesen noch eine. Später ging sie
verloren. Vielleicht findet man sie jetzt wieder.
Die Verfassung verlangte die Einsetzung eines
Obermandarinen, der für alle Regierungshaud-
Inngen dem Volke verantwortlich sein sollte, Dnang-
Tsching sprach:
„Ich will der Verfassung treu sein und einen
Obermandarinen ernennen, obwohl ich die Sache
recht gut allein machen kann."
Als er aber nachdachtc, wen er ivählen sollte,
da wollte ihm Keiner so recht taugen. Die Mei-
sten meinten auch, wenn sie die hohe Würde an-
nehmen, müßten sie auch ein wenig mit drcin-
rcden dürfen. Denn die Ministerverantwortung
vor 5600 Jahren in China war eine eigene Sache,
Ein Mißtrauensvotum des Parlaments kostete die
Ohren, das zweite den Kopf,
Duang-Tsching aber sagte:
„Wenn mir Jemand beim Regieren dreinredet,
dann freut mich die ganze Verfassung nicht mehr!
Eine Million für einen Obermandarinen, der
immer,Ja' sagt!"
Aber den Leuten in China war ihr Kopf lieber,
als die Million,
„Zwei Millionen und beit blauen Drachen-
ordcn!" bot Iuang-Tsching,
Da kam eines Tages in den Kaiserpalast ein
Mann mit einer großen Kiste und sprach zum Kaiser:
„Erhabener Dnang-Tsching, ein Wurm bittet
um die Erlaubniß, sich vor Dir krümmen zu dürfen.
Gestatte mir schäbigem Scheusal eine Frage: .Ver-
langt die Verfassung, daß unser Obermandarin
lebendig sei?'"
„Nicht, daß ich's wüßte "
„Dann Hab' ich einen Obermandarin, wie Du
ihn brauchst. Sieh Herl"
Und er packte ans der Kiste eine Wachsfigur
in schönen Gewändern, die ein sinnreicher Mecha-
nisnnrs befähigte, mit dem Kopf zu nicken
Sonst konnte sic nichts als artig lächeln,
„Die Ohren kann man abschneiden und den
Kopf auch: cs sind Reserveköpfe dabei!" sagte der
fremde Mann, „Denn, erhabener Iuang-Tsching,
ohne Kopf kann er nicht nicken,"
Nuang-Tsching war entzückt und machte den
Wnchsmann zum Obermandarinen. Der Fremde
bekam die zwei Millionen imb noch 20 Tcwls
extra für Fracht und Emballage, Inang-Tsching
war vergnügt und regierte unermüdlich zum Besten
seines Volkes und der neue Obermandarin nickte
zu Allenr „Ja!" Der Verfassung war genügt,
Das Volk war zufrieden, damals vor 5000 Jahren
in China. Ter neue Obermandarin ward sogar
sehr beliebt; in allen Häusern hatte man ver-
kleinerte Abbilder von ihm.
Daher stammen die netten kleinen chinesischen
Porzellanonkels, die mit dem Kopfe nicken und
lächeln. Der selige Narciß Namean konnte sie
nicht leiden.
Der mechanische Kanzler des Kaiser N»ang-
Tsching führt in der Geschichte den Namen ,ho-
Eng-Long, Das ist natürlich Altchinesisch und
heißt ans Deutsch ungefähr: „Es geht auch so!"
— Fragt nur einen Sinologen — aber Altchincs-
isch muß er können, ganz Urnltchinesisch!
_ Ki-Ki-Ki
Recbttcbmbübung
Per Schulgehilfe steht ans der untersten Sprosse
der pädagogischen Leiter.
Per Lehrer muß die Glocke läuten.
Per Lehrer muß den Schülern die liebevolle
Fürsorge der Kirche und des Staates erläutern.
Manche Leute bleiben zeitlebens punger-
leider.
Purch Leiden und Entbehrungen wird die
Seele geläutert.
Zum Kummer der von Gott eingesetzten Vb»
rigkcit gibt es leider manche stets unzufriedene
Menschen.
Pie Köchin des kscrrn Pfarrers heißt Adelaide.
Per Ejerr Pfarrer weiß Alles in die richtigen
Wege zu leiten. «man
Die türkische Linanzreform
hat begonnen: Sultan Abdul Hamid erließ
einen Befehl, daß allen türkischen llnter-
tHanen, die sich in Europa befinden und schrift-
lich oder mündlich die Handlungen der Re-
gierung kritisirt haben, ihr Vermögen
konfiszirt iverdcn solle. Wenn das den türki-
schen Finanzen nicht ans den Damm hilft, dann
ist ihnen überhaupt nicht zu helfen!
Goddam
Herr Schäften gedachte aus Gesundheits-
rücksichten das Areal des Badcrsees bei Gar-
misch zu veräußern.
Ein Engländer trat mit ihm in Unter-
handlung, da ein englisches Konsortium dort
eine ausschließlich englische pcnsionsanstalr er-
richten wollte,
„Es wäre mir," seufzte Schäftcr, „sehr
lieb, wenn sich deutsches Kapital fände, sonst
ist das herrliche Fleckchen für die Douristen-
wclr verloren!"
„Deutsches Kapital?" grinste der English-
man, „Das brauchen wir für Indien!"
„Aber schon aus patriotischen Gründen "
„Oockäam! wenn wir schon deutsche .Irr
zogthünicr besitze», wird's wohl auf den Düm-
pcl da auch nicht mehr ankommcn l"
0clnit$patro» und Gewehrpatron
„Also," sagte ein Mütterlein zu ihrem
nach China ziehenden Sohne, „bergis; net,
was i Dir g'sagt Hab wegen dem Beten —
weißt, so a Schutzpatron kann viel ans-
richten —"
„Kann nix schaden, Mutterl!" erwiderte
der Krieger. „Aber z'meist verlaß i mi doch
ans a G'wehrpatron,"
Vorsicht I
Thedje: Pu Hein, wat stciht denn dor op de
Kist schreben?
Pein: Nicht stürzen!
Thedje: Paß ox, Pu, dor sitt Hohenlohe inl
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