Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 36 (??. September 1900)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0174
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 36 (Redaktionsschluss: 22. August 1900) • J XI Gr END «

1900

Instruktion

im Sinne der deutschen Lhinesenpresje

wenn Du in China Kommst an's Land,
Ostimm Deinen Strohhut in die Hand
Und stell' ganz still — doch vorher, warte,
Lntserne auch die Kriegskokarde —
Dann stell' Dein Mauferfchießgewehr,

Den Gürtel voll Patronen schwer,

Ganz leis, daß ja Riemand erschrecke,

Das Teufelsmordzeug in die Lcke!

Dann leg Dich, alle Viere lang,
platt auf den Bauch vor Li-Hung-Tschang
Und sprich: „verzeihen Sie, ich bitte,

Daß ich komm' in das Reich der Mitte;

Ich wäre ja geblieben gern
Zn meiner lieben Heimat fern,

Indeß, mein Kaiser hat befohlen,

Die Herrn Chinefen zu versohlen.

Thät's auch ganz gern, doch fällt mir's schwer,
Rachdem, wie ich soeben hör'

Zu Haus die edelsten der Blätter
Der Ration drob schreien Zeter
Und schreiben, 's wär ein blut'ger Hohn
Auf die Civilisation

Schnitt man dem Himmelssohn den Zopf ab!
Und gar hieb einem man den Kops ab!
Zromm mahnen sie, mir scheint mit Recht:
„Sei christlich, Michel, und nicht schlecht!
Haut man Dich auf den rechten Schinken,
So biete freundlich auch den linken!"
wen solche Lehre nicht erfreut,

Der ist kein braver Deutscher heut;

Drum will mit christlichem Gemüthe
Ich mich verständigen in Güte,

Schlugt den Gesandten ihr uns todt,
weil er sich selbst begab in Roth,

So konnte, das begreifen wir,

Das Tsungli Damen nichts dafür!

Auch sehn wir ein, es schickt sich nicht,
Rur im Geringsten anzuzweifeln,

Was so ein vicekönig spricht
Und depeschirt von fremden Teufeln,

Auch hat sich jetzt herausgestellt
Zur Lvidenz für alle Welt,

der Mann mit dem Toaks ist da'"

Daß Patrioten fei'n die Borer,

Sieht's wer nicht ein, so ist ein (Ochs er,
Drum fchütt'l ich Euch vom Lhristenstand-
Punkt aus die gelbe Bruderhand;

Mag Ruff', Zranzos, Iapaner, B,ite
Einbrecher» in das Reich der Mitte —

Ich drück' euch ohne Blutverguß
Auf's schiefe Maul den Bruöerkuß
Und geh', mit reinlichem Gewissen,

Den Heimatwimpel aufzuhissen!

Doch daß ich dann, komm' ich nach Haus,
Als braven Mann mich weise aus,

Wallst, lieber Li-Hung-Tschang mit ein'gen
Chinesensilben mir beschein'gen,

Daß rein von Blut blieb meine Hand
Und kein Flurschaden auch entstand,

Und daß auch sonst ich mich benommen,
Wie's Michel ziemt, dem guten frommen,"

•Tlle

Der neue Mntarch

„Einen Gegner Ihrer Ausstellung
haben Sie nun verloren!" sagte ein
deutscher Sozialist zu Millerand.

„wen meinen Sic?"

„Nun, Liebknecht!"

„Der war ja doch speziell ein Fran-
zoscnsrcundl"

„Er hatte aber allüberall etwas aus-
zustellen, nur bei den Franzose» nichtI"

Der „Berliner Lokalanzciger" ver-
öffentlicht einen Bericht, nach welchem
der Kaiser in einer Ansprache an die
Offiziere sich abfällig über Admiral Scpmour
ausgesprochen haben sollte,

„Seien Sic unbesorgt!" tröstete ein Höf-
ling seinen erschreckten 'Lollegen, „Der
Bericht muß unbedingt falsch sein — Sepmour
ist ja ein Engländer!"

Prinz Max vo»r Sachsen wurde gefragt,
ob cs wahr sei, daß er einen Lehrstuhl in
Freiburg annehmen wolle.

„Nee, mein kutcstes Herrchen!" sagte er.
„Ich predige lieber — da merkt man's nich so!"

„Ein rcd)t trauriges Jahr, dieses 1900!"
sagte ein Gesandter zu Ramxolla. „Die
Ermordung des Königs bjumbcrt —"
„Nun," crwiedcrtc der Lirchcnfürst, „gar
so traurig ist's gerade nicht — hat doch die
Rieche ein Jubeljahr!"

Der Kaiser ließ sich gclcg-ntlich der Denk
malscnthüllung von den Minden-Ravensberger
posannenbläsern etwas vorblasen und unter-
hielt sich freundlich mit ihnen.

Doll Begeisterung sagte nachher Einer
zu einem anderen patriotisch gesinnten
Man ne:

„wir Deutsche verdienen gar nicht einen
solch guten und frommen Kaiser I"

„O, wir verdienen noch viel mehr!" er-
widerte der Patriot — — „aber das ist ja
jetzt abgcschafft!"

Li-k)ung-c.scl?ang

ist auch ein Dichter, Er schrieb u. a, in ein Album
der Queen Victoria die Verse:

„Ein Reisender kann mit einem Schwane ver-
glichen werden, der hoch über den Meere» durch
die Lüste schwebt:

Diese Reisen bedecken die vier Viertel de-?

- Weltballes, überall wo sie stattsinden.

Unter den Tanienden von Schlüsselblumen
öffnen sich ihm zwei Wege,

Die Räder seines Wagens sind gleich dem
Glanze des rollenden Blitzes."

Als Mombcrt, Schur und „Die um Stefan
George" dieses mastige Riesenwerk der Weltlitera-
tur gelesen hatten, fielen sie auf den Rücken, stell-
ten sich dann ans den Kopf, um hiernach auf die
Bäuche zu stürzen. Sie röchelten schwefclgrü».
Sie, stammelten aschgrau, Sic lallten blechsarben.
Sie lachten gelbrunde Blitze der Verzweiflung, daß
solche Höhe ihnen ewig versagt sei. Und dann
entleibten sie sich, also daß nichts von ihnen übrig
blieb,

Richard Dehme! aber drahtete dem Dichter der
anderen Hemisphäre:

„Vicekönig der Literatur! Ich bin zufrieden,"

1*11 etc

John Bull und

Wenn Du denkst, Du hast'n
Hupp! is er aus’n Kasten.

Keranseeber: Dr GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICH.MA.NN, siimmtlich in München.

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung; in München«

ALLE RKCHTE VORBHHALTK
Register
Ille: Instruktion im Sinne der deutschen Chinesenpresse
Puck: Li-Hung-Tschang
Monogrammist Kleeblatt: Mutter, der mann mit dem Coaks ist da
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
O. Voigt: John Bull und Dewet
 
Annotationen